Выбрать главу

»Ruf doch Luke an!«

»Er geht nicht ran«, sage ich schnell. »Der ist bestimmt beschäftigt.«

Mum und Dad tauschen Blicke, als sei ihnen gar nicht klar gewesen, was für ein Schwachkopf ihre Tochter ist.

»Ich sitze hier nicht länger rum!« Mum schnalzt mit der Zunge. »Becky, du hast gesagt, es liegt ganz in der Nähe von den Läden. Wir spazieren einfach ein bisschen durch die Gegend, und dann wirst du es schon erkennen, wenn wir da sind. Graham, du bleibst hier und wartest auf Luke.«

Sie steht auf. Ich kann nichts machen. Ich werfe Alf einen gequälten Blick zu und rufe: »Wir gehen ein Stück spazieren!«

»Jetzt überleg mal, Becky ...«, sagt Mum, als alle -bis auf Dad -auf die Straße drängen.

»In welcher Richtung liegt es?«

»Äh ... da lang, glaub ich.« Sofort zeige ich in die Richtung, die vom Haus wegführt, und alle traben mir hinterher.

»Ist es in der Barnsdale Road?«Janice fährt mit dem Finger den Index ihres Straßenplans ab. »Barnwood Close?« 

»Ich glaube nicht ... « 

»Becky, Schätzchen!«, bricht es plötzlich aus Mum hervor. »Wie kann es sein, dass du dich nicht an den Namen deiner eigenen Straße erinnerst? Ihr seid Hausbesitzer! Du musst Verantwortung übernehmen! Du musst ...«

»Daddy!«, ruft Minnie plötzlich freudig. »Daaaaaddy!«

Sie zeigt auf das Büro eines Immobilienmaklers. Da sitzt Luke, im Schaufenster, und macht dem offensichtlich erschütterten Magnus die Hölle heiß.

Dreck. Wieso musste ich hier entlanggehen?

»Ist das euer Makler?« Mum blickt zu dem Schild mit der Aufschrift Ripley & Co. auf.  »Na, das passt ja gut! »Wir können einfach reingehen und uns die Schlüssel holen! Bravo, Minnie, mein Schatz!«

»Luke scheint mir ziemlich ärgerlich zu sein«, bemerkt Janice, als Luke wilde Gesten in Magnus' Richtung macht. »Geht es um die Ablöse, Liebes? Denn da kann ich euch nur raten: Lasst die Finger davon. Sollen sie doch den Duschvorhang mitnehmen. Nicht, dass ihr am Ende vor Gericht landet wie mein Bruder ... « 

»Komm schon, Becky!« Mum ist schon halb bei der Tür. »Was ist denn?«

Wie angewurzelt stehe ich da.

»Mum ... « Meine Stimme klingt etwas erstickt. »Es gibt da was ... was ich dir sagen muss. Ehrlich gesagt ... ich war nicht ganz ehrlich.« Abrupt bleibt Mum stehen. Als sie sich umdreht, hat sie kleine, rosa Flecken auf den Wangen.

»Ich wusste es. Ich wusste, dass da irgendwas nicht stimmt. Du hast uns etwas verschwiegen, Becky! Was ist es?« Ihre Miene wird lang, als käme ihr plötzlich ein schrecklicher Gedanke. »Ist es kein Einzelhaus?« 

»Nein, es ist ein Einzelhaus, aber ...«

»Müsst ihr auf der Straße parken?« Ich höre Janice und Martin scharf einatmen. In Surrey ist einem der eigene Parkplatz heilig. »Nein, das ist es nicht. Es ist. .. « Mein Atem geht so schnell, dass ich kaum sprechen kann. »Es ist. .. «

»Mrs. Brandon.« Ein Mann im Anzug, den ich nicht kenne, kommt aus dem Maklerbüro auf den Gehweg hinausgelaufen. »David Ripley -Geschäftsführender Teilhaber.« Er hält mir seine Hand hin. »Bitte, bleiben Sie doch nicht hier draußen in der Kälte stehen! Lassen Sie mich Ihnen wenigstens eine Tasse Kaffee anbieten. Ich bin mir Ihrer unglücklichen Lage wohl bewusst, aber glauben Sie mir, wir tun alles, was in unserer Macht steht, um Ihnen so bald wie möglich ein neues Zuhause zu beschaffen.«

Ich kann Mum nicht ansehen. Ich kann niemanden ansehen. Jetzt kann mich nur noch ein plötzlicher Tornado retten. »Becky ein neues Zuhause beschaffen?«, wiederholt Mum zögerlich.

»Wir sind untröstlich, was den Irrtum mit dem Mietvertrag angeht«, fährt David Ripley fort. »Ihre Kaution wird natürlich sofort erstattet ... «

»Mietvertrag?« Die Schärfe in Mums Stimme erreicht sogar David Ripley, der sich sogleich zu ihr umwendet.

»Verzeihung, ist das Ihre Mutter?« Er reicht ihr die Hand. »Nett, Sie kennenzulernen. Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass wir alles tun, um Ihrer Tochter ein Haus ... « 

»Aber sie hat doch ein Haus!«, sagt Mum schrill. »Sie hat ein Haus gekauft! Wir sind hier, um die Schlüssel abzuholen! Was glauben Sie, was wir sonst hier in Maida Vale wollen?«

David Ripley blickt verwirrt von Mum zu mir.

»Verzeihung ... habe ich da irgendwas verpasst?« 

»Nein«, sage ich, schwitzend vor Scham. »Meine Mutter hat nicht ... alles mitbekommen. Ich muss mit ihr sprechen.« »Ah.« David Ripley hebt die Hände mit vorsichtiger Geste und zieht sich in sein Büro zurück. »Ich bin da drinnen, wenn Sie mich brauchen.« »Mum ... « Ich schlucke. »Ich weiß, ich hätte es dir sagen sollen ... «

»Martin, murmelt Janice, und die beiden ziehen sich diskret zurück, um sich das Schaufenster eines Reisebüros anzusehen. Mum steht nur da, runzelt die Stirn -aus Unverständnis und Enttäuschung.

Plötzlich ist mir zum Heulen zumute. Meine Eltern waren so stolz auf mich, weil ich mein erstes Haus gekauft habe. Allen ihren Freunden haben sie es erzählt. Und hier stehe ich nun und habe alles versaut, wie üblich.

»Es gab eine Verzögerung mit dem Haus«, nuschle ich und starre auf den Bürgersteig. »Und wir haben uns nicht getraut, es euch zu sagen, weil ihr so genervt davon wart, dass wir euer Haus so vollgerümpelt haben. Also haben wir uns irgendwo eingemietet, aber dann wurde daraus auch nichts. Und jetzt ... sitzen wir auf der Straße.« Ich zwinge mich, den Kopf zu heben. »Verzeih mir.«

»Wir sind den ganzen Weg hierhergefahren ... und ihr habt gar kein Haus?«

»Ja. Ich meine, wir kriegen eins, aber ... «

»Du meinst, du hast uns absichtlich getäuscht? Du hast Dad seine kleine Ansprache halten lassen? Du hast dir von uns das Bild schenken lassen? Und es war alles gelogen«

»Es war nicht wirklich gelogen ..

»Und was war es dann?«, explodiert Mum plötzlich, und ich schrecke zurück. »Wir latschen hier durch Maida Vale. Janice und Martin haben sich extra die Mühe gemacht. Wir alle haben Einzugsgeschenke dabei ...«

»Aber ich habe euch gesagt, dass ihr nicht mitkommen sollt!«, sage ich trotzig, doch Mum scheint mich nicht zu hören.

»Alles, was du tust, Becky, endet in einem Fiasko! Alles sind nur Träumereien! Was wird dein Vater dazu sagen? Weißt du, wie enttäuscht er sein wird?«

»Wir kriegen doch aber ein Haus!«  sage ich verzweifelt. »Bestimmt, versprochen! Und bis dahin könnt ihr das Bild wiederhaben.«

»Es ist genauso wie mit George Michael ... «

»Ist es nicht!«, falle ich ihr ins Wort. »Es ist nicht schon wieder dasselbe wie mit George Michael.« Wütend wische ich mir eine Träne aus dem Auge. »Es gibt nur ... ein kleines Problem.« 

»Es gibt immer ein kleines Problem, Liebes! Immer!« Mum ist außer sich. »Mit der Party wird es bestimmt genauso ... «

»Nein, wird es nicht!«, brülle ich beinah. »Und ich habe euch nicht darum gebeten, dass ihr den ganzen Weg hierherfahrt, oder? Und auch nicht, dass ihr mir was schenkt! Und wenn du nicht zu Lukes Party kommen möchtest, Mum, dann musst du es auch nicht! Ehrlich gesagt: Lass es lieber sein!« 

Inzwischen laufen mir Tränen über die Wangen, und ich sehe, dass Janice und Martin angestrengt die Sonderangebote nach Marokko studieren, als wären sie geradezu fasziniert davon.