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Ehrlich, ich glaube, ich könnte ohne Weiteres Kinderexpertin werden. Ich habe viel mehr Ideen als Nanny Sue, und ich könnte auch noch Modetipps geben.

Ich begleite sie zur Tür hinaus, und wir gehen die Auffahrt hinunter. »Schau, Minnie, ein Vogel!« Ich zeige auf irgendein Viech, das aus einem Baum aufflattert. »Vielleicht ist er vom Aussterben bedroht«, füge ich feierlich hinzu. »Wir müssen die Natur bewahren.« 

»Eine Taube?«, sagt Nanny Sue milde. »Ob die vom Aussterben bedroht ist?«

»Ich versuche nur, grün zu denken.« Ich werfe ihr einen tadelnden Blick zu. Hat sie denn keine Ahnung von der Umwelt?

Eine Weile latschen wir so vor uns hin, und ich deute auf ein paar Eichhörnchen. Dann kommen wir zur Ladenzeile am Ende von Mums Straße, und ich kann nicht verhindern, dass mein Blick nach rechts schweift:, um kurz nachzugucken, was es in dem Antiquitätenladen so zu sehen gibt.

»Kaufen!«, sagt Minnie und zerrt an meiner Hand.

»Nein, wir gehen nichts kaufen, Minnie.« Nachsichtig lächle ich sie an. »Wir wollen doch durch die Natur spazieren, weißt du noch? Uns die Natur ansehen.«

»Kaufen! Taxi!« Zuversichtlich hebt sie ihre Hand und schreit noch lauter: »TAXI! TAAXXIIII!« Gleich darauf kommt das erste Taxi angerattert, hält direkt auf uns zu.

»Minnie! Wir nehmen kein Taxi! Ich weiß nicht, warum sie das gemacht hat«, füge ich eilig hinzu. »Es ist gar nicht so, als würden wir ständig Taxi fahren ... «

»Minnie!«, höre ich eine laute, fröhliche Stimme. »Wie geht es meiner kleinen Stammkundin?« Verdammt. Es ist Pete, der uns normalerweise zum Shoppen nach Kingston fährt. Ich meine, nicht, dass wir so oft hinfahren. »Pete bringt uns manchmal zum ... zum ... Kinderturnen im Softplay Center«, sage ich eilig zu Nanny Sue.

»Tax-iiiii!« Minnie bekommt diesen Blick, wie ein wilder Stier mit roten Bäckchen. Oh, Gott. Im Beisein von Nanny Sue kann ich keinen Wutanfall riskieren. Vielleicht könnten wir ja doch mit dem Taxi irgendwohin fahren.

»Also ... « Pete beugt sich aus dem Fenster. »Wohin soll's denn heute gehen, meine Hübschen?« »Starbucks«, artikuliert Minnie deutlich, bevor ich etwas sagen kann. »Starbucks-Shops.«

»Wie immer also?«, sagt Pete fröhlich. »Rein mit euch!«

Ich spüre, wie mein Gesicht rot anläuft.

»Wir wollen nicht zu Starbucks, Minnie!«, sage ich schrill. »Was für eine ... eine verrückte Idee! Würden Sie uns bitte zum Kinderturnen bringen, Pete? In diesem Softplay Center in Leatherhead, wo wir immerzu sind?«

Verzweifelt blicke ich ihm tief in die Augen, damit er nicht sagt: »Wovon reden Sie da?« 

»Muffin?« Voller Hoffnung blickt Minnie zu mir auf. »Muffin Starbucks?«

»Nein, Minnie!«, schnauze ich sie an. »Jetzt sei ein braves Mädchen, sonst kriegst du ein Stilles Schleifchen.« Ich hole die Stillen Schleifchen aus meiner Tasche und schwenke sie unheilschwanger vor ihr hin und her. Augenblicklich greift Minnie danach.

»Mein! Meeeiiiin!«

Sie soll die Stillen Schleifchen doch nicht haben wollen!

»Vielleicht später«, sage ich und stopfe sie wieder in meine lasche. Das ist alles Nanny Sues Schuld. Sie verdirbt mir noch alles.

Wir steigen ein, ich schnalle Minnie an, und Pete fahrt los.

»Rebecca«, sagt Nanny Sue freundlich. »Wenn Sie Besorgungen zu machen haben, lassen Sie sich von mir bitte nicht aufhalten. Ich komme gern mit zum Shoppen. Ich mache alles mit, was Sie auch sonst tun würden.«

»Aber natürlich!« Ich gebe mir Mühe, so locker wie möglich zu klingen. »Heute ist ein ganz normaler Tag! Kinderturnen steht an! Hier, nimm, Schätzchen«, füge ich an Minnie gewandt hinzu und gebe ihr einen Dinkelkeks, den ich aus dem Bioladen habe. Skeptisch sieht sie ihn an, leckt daran, dann wirft sie ihn auf den Boden und schreit: »Muffin! Muffin STARBUCKS!«

Mein Gesicht wird puterrot.

»Starbucks ist ... der Name von der Katze unserer Freundin«, improvisiere ich verzweifelt. »Und Muffin ist die andere Katze. Minnie liebt Tiere über alles. Stimmt es nicht, Schätzchen?«

»Haben Sie den großen Kasten da drüben schon gesehen?«, höre ich Petes fröhliche Stimme von vorn. »Jetzt haben sie ihn endlich aufgemacht!«

Wir sind auf der Schnellstraße angekommen. Plötzlich sehe ich, wohin Pete zeigt. Da steht eine riesige, schwarzweiße Plakatwand mit der Aufschrift:

HEATHFIELD VILLAGE!

NEUES LUXUS OUTLET ZENTRUM

ERÖFFNUNG HEUTE!

Wow. Seit Ewigkeiten ist davon die Rede, dass das Riesending da eröffnet werden soll. Mein Blick schweift auf der Plakatwand weiter abwärts.

HEUTE SPEZIELLE EINFÜHRUNGSANGEBOTE! JEDER KUNDE BEKOMMT EIN GESCHENK! NÄCHSTE AUSFAHRT!

Jeder Kunde bekommt ein Geschenk?

Ich meine, wahrscheinlich wird es nichts Aufregendes sein. Eine winzige Duftkerze oder ein Stück Schokolade oder so was. Und die Läden dort sind bestimmt auch gar nicht so toll. Außerdem habe ich überhaupt kein Interesse an irgendeinem Einkaufszentrum, weil wir ja auch nicht zum Einkaufen hergekommen sind, oder? Wir sind hergekommen, um etwas pädagogisch Wertvolles zu machen, das unsere Bindung zueinander stärkt.

»Guck mal, die Wolken!“, sage ich zu Minnie und zeige eilig aus dem gegenüberliegenden Fenster. »Weißt du, wie Wolken entstehen, Süße? Das geht mit. .. äh ... Wasser.“

Meine ich Wasserdampf? Oder einfach nur normalen Dampf?

»Burberry“, sagt Pete interessiert. »Nicht schlecht. Mein Schwiegersohn kriegt das ganze nachgemachte Zeug aus Hong Kong, und der sagt ... „

Burberry? Mein Kopf zuckt herum, und ich sehe die nächste Plakatwand -diesmal mit allen Designern, die sie im Outlet führen.

Burberry. Matthew Williamson. Dolce & Gabbana. Oh, mein Gott. Anya Hindmarch. Temperley. Vivienne Westwood? Alles zu Discount-Preisen? Zum Greifen nah?

Das Taxi rückt ein Stück vorwärts, und mich ergreift die nackte Panik. Jeden Moment sind wir an der Ausfahrt vorbei. Dann ist es zu spät.

Okay, denken wir es mal vernünftig durch. Ich weiß, wir sollten nach Lcatherhead fahren und in einem Bällebad herumhüpfen. Aber andererseits ... Nanny Sue hat gesagt, sie hätte nichts dagegen, wenn wir shoppen gehen würden. Sie hat es wortwörtlich so gesagt.

Nicht, dass ich etwas für mich kaufen wollte. Selbstverständlich nicht. Ich halte mein Versprechen. Aber das da ist ein brandneues, hochmodernes Discount-Shopping-Center, das Geschenke verteilt. Wir können nicht einfach daran vorbeifahren. Das wäre ... das wäre ... falsch. Es wäre undankbar. Es wäre gegen die Natur. Und Minnie darf ich ja was kaufen, oder? Es gehört zu den Pflichten einer Mutter, ihr Kind einzukleiden.

Ich werfe noch einen Blick auf die Liste. Petit Bateau. Ralph Lauren Girls & Boys. Funky Kids. Baby in Urbe. Ich werde etwas atemlos. Es gibt kein Entrinnen.

»Wissen Sie, mir ist gerade was eingefallen. Minnie braucht noch ein paar neue Söckchen.« Ich versuche, beiläufig zu klingen. »Vielleicht könnten wir mal einen Blick in dieses neue Shopping Center werfen, statt zum Turnen zu fahren. Nur so eine Idee. Was meinen Sie?«

»Das ist Ihre Entscheidung.« Nanny Sue hebt beide Hände. »Voll und ganz.« »Also, äh, Pete, könnten Sie uns stattdessen zum Outlet bringen?« Ich spreche etwas lauter. »Ich danke Ihnen!«

»Dann sollte ich wohl lieber meinen Kofferraum ausräumen, was?« Er dreht sich um und grinst mich an. »Für die vielen Tüten.«