Kraftlos lächle ich zurück. Ich werde Nanny Sue nachher erklären, dass er einen echt schrulligen Sinn für Humor hat.
»Dann gehen Sie also gern shoppen, Rebecca?«, sagt Nanny Sue freundlich.
Ich mache eine Pause, als müsste ich darüber nachdenken.
»Nicht gern«, sage ich schließlich. »Gern würde ich nicht sagen. Ich meine, es muss einfach gemacht werden, oder? Es muss ja was im Kühlschrank sein.« Zerknirscht zucke ich mit den Schultern. »Eine verantwortungsvolle Mutter kann sich dem nicht entziehen.«
Wir halten vor dem Haupteingang, dessen gigantische Glastüren in ein riesiges, luftiges Atrium führen. Dort stehen Palmen, und Wasser plätschert an einer Stahlwand herab, und als wir eintreten, glitzern mich schon »Valentino« und »Jimmy Choo« aus der Ferne an. Die Luft ist von duftendem Zimtgebäck und dampfenden Cappuccino-Maschinen erfüllt, gemischt mit teuren Leder-und Designerdüften und einfach ... Neuheit.
»Und wohin müssen Sie?«, fragt Nanny Sue mit einem Blick in die Runde. »Wir suchen Söckchen, richtig?«
»Ich ... äh ...«
Ich kann kaum geradeaus denken. Mulberry ist direkt vor uns, und ich habe schon eine traumhafte Tasche gesehen. »Mh ... « Ich muss mich zusammenreißen. »Ja. Söckchen.«
Kindersöckchen. Nicht Valentino. Nicht Jimmy Choo. Nicht Mulberry. Oh, Gott, ich frage mich, was diese Tasche wohl kosten mag ...
Aufhören. Nicht hinsehen. Ich kaufe nichts für mich. Ich denke nicht mal daran.
»Mein! Meeeeiiiinn Püppi!« Minnies Stimme reißt mich in die Gegenwart zurück. Sie steht draußen vor Gucci und deutet auf eine Schaufensterpuppe.
»Das ist kein Püppchen, Süße. Das ist eine Schaufensterpuppe! Komm.« Ich nehme sie fest bei der Hand und führe sie zum Wegweiser. »Wir kaufen dir ein paar Söckchen.«
Wir machen uns auf den Weg zur Kid Zone, in der sich alle Kindergeschäfte befinden. Da gibt es einen Clown, der die Kunden begrüßt, und Stände voller Spielzeug, und der ganze Bereich kommt einem eher wie ein Jahrmarkt vor.
»Buch!« Minnie ist schnurstracks zu einem der Stände gelaufen und hat sich ein großes, rosafarbenes Buch mit Feen geschnappt. »Mein Buch.«
Ha! Zufrieden werfe ich Nanny Sue einen Blick zu. Meine Tochter hat sich für ein pädagogisch wertvolles Buch entschieden, nicht für irgendwelchen Plastikschrott!
»Selbstverständlich darfst du dir ein Buch kaufen, Minnie«, sage ich laut. »Wir bezahlen es von deinem Taschengeld. Ich bringe Minnie nämlich Finanzplanung bei«, füge ich an Nanny Sue gewandt hinzu. »Ich schreibe alles auf, was wir von ihrem Taschengeld kaufen.«
Ich zücke mein kleines, pinkes Smythson-Büchlein, auf dem vorn »Minnies Taschengeld« steht. (Ich habe es extra prägen lassen. Es war ziemlich teuer, aber es ist ja auch eine Investition in das ökonomische Verantwortungsbewusstsein meiner Tochter.)
»Männlein!« Minnie hat sich außer dem Buch noch eine Puppe geschnappt. »Mein Männlein! Meeeiiin!«
»Äh ...« Skeptisch betrachte ich die kleine Puppe. Sie ist ganz süß, und wir haben kaum Puppen. »Na gut, okay. Solange du sie von deinem Taschengeld bezahlst. Verstehst du, Süße?« Ich spreche superdeutlich: »Wir müssen sie von deinem Taschengeld bezahlen!«
»Sagen Sie mal!«, meint Nanny Sue, als wir zur Kasse gehen. »Wie viel Taschengeld bekommt Minnie denn?«
»Fünfzig Pence die Woche«, antworte ich und greife nach meinem Portemonnaie. »Aber wir haben ein System, bei dem sie einen Vorschuss bekommen kann und ihn dann zurückzahlt. So lernt sie Finanzplanung. «
»Verstehe ich nicht«, beharrt Nanny Sue. »Inwiefern lernt sie Finanzplanung?« Ehrlich. Für eine sogenannte Expertin ist sie ganz schön langsam. »Weil alles in dem Büchlein festgehahen wird.« Ich schreibe die Kosten für das Feen-Buch und die kleine Puppe auf, klappe das Büchlein zu und strahle Minnie an. »Komm, wir suchen dir ein paar Söckchen!«
Mein Gott. Ich liebe Funky Kids. Sie ändern jede Saison ihr Dekor, und heute ist der ganze Laden als Scheune hergerichtet, mit Holzbalken und nachgemachten Strohballen. Die haben fantastische Sachen für Kinder, zum Beispiel lustige, kleine Strickjäckchen mit Kapuzen und wattierte Mäntel mit applizierten Flicken. Ich finde geradezu anbetungswürdige Söckchen mit Kirschen und Bananen um den Saum, zum halben Preis für 4.99, und lege zwei Paar davon in meinen Korb.
»Schön«, sagt Nanny Sue resolut. »Gut gemacht. Wollen wir zur Kasse gehen?«
Ich antworte nicht. Ein Ständer mit Trägerkleidchen hat mich abgelenkt. Die habe ich schon im Katalog gesehen. Sie sind aus mintgrünem Feincord mit weißer Bordüre aus Kreuzstichstickerei. Sie sind absolut hinreißend und um 70 % herabgesetzt! Eilig sondiere ich die Ständer, aber es gibt kein einziges für Zwei-bis Dreijährige. Natürlich nicht. Die sind schon weg. Verdammt.
»Entschuldigung?«, sage ich zu einer vorbeihastenden Verkäuferin. »Gibt es die hier auch in Größe 2-3?« Augenblicklich verzieht sie das Gesicht.
»Tut mir leid. Ich glaube, in der Größe haben wir keine mehr. Die sind sehr gefragt.« »Braucht Minnie denn unbedingt so ein Kleidchen?«, erkundigt sich Nanny Sue, als sie hinter mich tritt. Langsam habe ich genug von Nanny Sue und ihrer sinnlosen Fragerei.
»Die sind außergewöhnlich preiswert«, sage ich ganz ruhig. »Ich finde, als verantwortungsvolle Mutter sollte man immer nach preiswerten Sonderangeboten Ausschau halten, finden Sie nicht auch, Nanny Sue? Wenn ich es recht bedenke ... « Plötzlich kommt mir eine Idee. »Ich glaube, ich bunkere eins für nächstes Jahr.«
Ich nehme ein Kleidchen für Drei-bis Vierjährige. Wieso ist mir das nicht gleich eingefallen? Ich nehme auch noch ein rotes und gehe zu dem Ständer mit den pinken Regenmänteln mit den Blumenkapuzen. Da gibt es überhaupt keine kleinen Größen, aber ich finde eine Größe 7-8. Ich meine, Minnie wird schließlich einen Mantel brauchen, wenn sie sieben ist, oder?
Und da gibt es ein wirklich süßes Samtjäckchen für Zwölfjährige, für nur 20, heruntergesetzt von 120! Es wäre doch ein totaler Fehler, es nicht zu kaufen.
Ich kann gar nicht fassen, wie vorausschauend ich bin, während ich immer mehr Sachen in meinen Korb lege. Ich habe praktisch alle entscheidenden Kleidungsstücke für die nächsten zehn Jahre gekauft, spottbillig! Jetzt braucht sie nichts mehr!
Als ich den ganzen Stapel bezahle, glühe ich förmlich vor Selbstzufriedenheit. Ich habe Hunderte gespart.
»Schön!« Nanny Sue scheinen ein wenig die Worte zu fehlen, als die Kassiererin mir drei riesige Tüten reicht. »Da haben Sie doch erheblich mehr als nur ein paar Söckchen gekauft! «
»Hab nur vorausgedach« Ich nehme einen weisen, mütterlichen Ton an. »Kinder wachsen so schnell. Das darf man nicht vergessen. Wollen wir jetzt einen Kaffee trinken«
»Starbucks?«, stimmt Minnie sofort mit ein. Sie hat darauf bestanden, den pinken Regenmantel Größe 7-8 zu tragen, obwohl er am Boden schleift. »Starbucks-Muffin?«
»Vielleicht sollten wir lieber gleich zu einer Coffee-Shop Kette gehen.« Ich versuche, bedauernd zu klingen. »Es könnte sein, dass es hier keine Bioläden gibt.«
Ich konsultiere den Lageplan -um zum Cafe-und Restaurantbereich zu kommen, müssen wir an allen Designer-Shops vorbei. Was okay ist. Es wird schon gehen. Ich werde einfach nicht in die Schaufenster gucken.