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»Wie alt ist Becky?« Die Elfe lächelt in die Runde. »Becky, Mäuschen, bist du hier? Wir führen keine Brummkreisel, aber vielleicht möchtest du dir ein anderes Spielzeug vom Schlitten des Weihnachtsmanns aussuchen?« 

Vor lauter Verlegenheit ziehe ich den Kopf ein. Ich bringe es nicht fertig, meine Hand zu heben. Die haben vorher nicht gesagt, dass sie die bescheuerten Weihnachtswünsche laut vorlesen wollen. Man hätte mich warnen sollen.

»Ist Beckys Mami da?«  »Hier bin ich!«  ruft Mum und schwenkt selig ihren Camcorder.

»Schscht, Mum!«, zische ich. »Tschuldigung!«, rufe ich mit glühenden Wangen. »Das bin ... äh, ich. Ich wusste nicht, dass Sie ... nehmen Sie einen anderen Zettel. Einen Kinderwunsch. Bitte. Werfen Sie meinen Zettel weg!«

Aber die Elfe kann mich in dem Tumult nicht hören.

»Außerdem diese Marni-Schuhe, die ich bei Suze gesehen habe, nicht die mit den hohen Absätzen, die anderen.«, Sie liest noch immer vor, und ihre Stimme kräht aus den Lautsprechern. »Kommt das jemandem bekannt vor?« »Und ... «( Sie sieht sich den Zettel genauer an. »Steht da: »Ein Geschwisterchen für Minnie«? Ist Minnie deine Puppe, Mäuschen? Ooooh, ist das nicht süß?«

»Aufhören!«, schreie ich entsetzt und schiebe mich durch die Menge der kleinen Kinder. »Das ist vertraulich! Das sollte niemand lesen!«

»Aber vor allem, lieber Weihnachtsmann, wünsche ich mir, dass Luke ...«

»Halt die KLAPPE!« Verzweifelt stürze ich mich förmlich in die Werkstatt. »Das ist privat! Das geht nur den Weihnachtsmann und mich was an!« Ich greife nach der Elfe und reiße ihr den Zettel aus der Hand.

»Autsch!«, schreit sie.

»Verzeihung«, keuche ich. »Aber ich bin Becky.«

»Sie sind Becky?« Ihre geschminkten Augen werden schmal, dann wirft sie noch einen Blick auf den Zettel, und ich sehe, dass es ihr dämmert. Einen Moment später wird ihre Miene sanfter. Sie faltet den Zettel zusammen und gibt ihn mir zurück.

»Ich hoffe, Ihr Weihnachtswunsch geht in Erfüllung«, sagt sie leise, vom Mikro abgewandt. »Danke.« Ich zögere, dann sage ich: »Gleichfalls. Frohe Weihnachten.«

Ich drehe mich um und will zurück zu Mum -und im Dickicht der Köpfe erkenne ich Lukes dunkle Augen. Er steht da, ganz hinten.

Mein Magen steht kopf. Was hat er mit angehört? Da kommt er auf mich zu, bahnt sich einen Weg durch die Familien, mit undurchschaubarer Miene.

»Oh, hi.« Ich versuche, entspannt zu klingen. »Tja ... da haben sie doch glatt meinen Weihnachtswunsch vorgelesen. Ist das nicht komisch?«

»Mh-hm.« Er gibt nichts preis.

Betretenes Schweigen macht sich breit.

Er hat seinen Namen gehört. Ich sehe es ihm an. Eine Ehefrau hat einen unfehlbaren Instinkt, was solche Dinge angeht. Er hat seinen Namen gehört und fragt sich jetzt, was ich mir von ihm gewünscht habe.

Es sei denn, er denkt nur an seine E-Mails.

»Mami!« Eine schrille, unverkennbare Stimme schneidet durch meinen Kopf, und ich vergesse alles, was mit Luke zu tun hat.

»Minnie!«  Ich drehe mich um und kann sie einen panischen Moment lang nicht sehen. »War das nicht Minnie?« Auch Luke ist alarmiert. »WO ist sie?« »Sie war bei Mum ... Scheiße!« Ich packe Lukes Arm und deute voller Entsetzen auf die Bühne.

Minnie sitzt oben auf einem der Rentiere vom Weihnachtsmann und hält sich an den Ohren fest. Wie zum Teufel ist sie da raufgekommen?

»Verzeihung ... «  Ich dränge mich zwischen Eltern und Kindern hindurch. »Minnie, komm da runter!« »Pferdchen!« Minnie tritt fröhlich auf das Rentier ein, was eine hässliche Beule im Pappmache hinterlässt.

»Könnte bitte jemand dieses Kind von hier wegschaffen?«, sagt eine Elfe ins Mikrofon. « »Könnten bitte die Eltern dieses Kindes umgehend auf die Bühne kommen?«

»Ich hab sie nur eine Sekunde losgelassen!«, verteidigt sich Mum, während Luke und ich Richtung Rentier hechten. »Sie ist mir entwischt!« 

»Okay, Minnie«, sagt Luke entschlossen, als er die Bühne betritt. »Schluss mit lustig.«

»Schlitten!« Sie klettert darauf. »Mein Schlitten!« 

»Das ist kein richtiger Schlitten, und du kommst jetzt da runter!« Er fasst Minnie um die Taille und zieht, aber sie hat ihre Beine hinterm Sitz verhakt und hält sich mit Superheldenkräften fest.

»Würden Sie sie bitte herunternehmen?«, sagt die Elfe mit einem Mindestmaß an Höflichkeit.

Ich nehme Minnie bei den Schultern.

« Okay«, raune ich Luke zu. »Du nimmst die Beine. Wir reißen sie los. Bei drei. Eins-zwei-drei ... (, Oh, nein. Oh ... Scheiße. Ich weiß nicht, wie es passiert ist. Ich weiß nicht, was wir gemacht haben. Aber der ganze verfluchte Schlitten kollabiert. Alle Geschenke fallen herunter, mitten in den Kunstschnee. Bevor ich zwinkern kann, stürzt sich die ganze Kinderhorde darauf, um sich die Gaben zu schnappen, während ihre Eltern schreien, sie sollen zurückkommen, aber sofort, Daniel, sonst gibt es nichts zu Weihnachten!

Es ist das reinste Tohuwabohu. »Schenk!«, heult Minnie, streckt die Arme aus und trampelt gegen Lukes Brust.« ,Schenk!«

»Schaffen Sie das verdammte Kind hier weg!«, bricht es zornig aus der Elfe hervor. Ihr Blick schweift böse über mich und Mum, und selbst über Janice und Martin, die aus heiterem Himmel aufgetaucht sind, beide in festlichen Pullis mit Rentieren darauf und voll bepackt mit Tüten vom WeihnachtsDiscountshop. »Ich möchte, dass Sie und Ihre Familie auf der Stelle den Laden verlassen!«

»Aber wir sind als Nächstes dran«, erwidere ich kleinlaut. »Es tut mir wirklich schrecklich leid wegen des Rentiers, und wir bezahlen den Schaden ... «

»Absolut«, stimmt Luke mit ein.« Und meine Tochter wünscht sich doch so sehr, den Weihnachtsmann zu treffen ...«

»Ich fürchte, wir haben da eine kleine Regel«, sagt die Elfe sarkastisch. »Kinder, die den Schlitten des Weihnachtsmanns kaputt machen, haben das Recht auf einen Besuch verwirkt. Ihre Tochter ist hiermit vom Besuch der Weihnachtsmannwerkstatt ausgeschlossen.«

»Ausgeschlossen?« Bestürzt starre ich sie an. »Sie meinen ... «  »Besser gesagt: Das gilt für Sie alle!« Mit dunkelrot lackiertem Fingernagel deutet sie zur Tür.

»Na, das ist ja eine tolle Weihnachtsstimmung!«, wirft Mum ein. »Wir sind hier treue Kunden, und Ihr Schlitten war offensichtlich Stümperwerk. Am liebsten würde ich Sie der Gewerbeaufsicht melden!«

»Hinaus!« Die Elfe steht noch immer da, mit ausgestrecktem Arm.

Tief beschämt nehme ich die Griffe des Buggys. Schweigend traben wir hinaus und sehen, wie uns Dad in seiner wasserdichten Jacke entgegeneilt, das ergrauende Haar ein wenig zerzaust. »Hab ich es verpasst? Hast du den Weihnachtsmann gesehen, Minnie, Liebchen?«

»Nein.« Ich bringe es kaum fertig, es zuzugeben. »Wir wurden aus der Weihnachtsmannwerkstatt verbannt.« Dads Miene sackt in sich zusammen.

»Ach, du je. Oh, Liebes.«  Er seufzt schwer. »Nicht schon wieder!«

»Mh-hm.«

»Wie oft jetzt schon?« , fragt Janice und verzieht das Gesicht.

»Vier Mal.«  Ich sehe zu Minnie hinunter, die jetzt brav dasteht, Lukes Hand hält und wie ein kleiner Engel aussieht. »Was ist diesmal passiert?«, fragt Dad. »Sie hat den Weihnachtsmann doch nicht gebissen, oder?« 

»Nein«, sage ich trotzig. »Natürlich nicht!« 

Die ganze Sache mit dem Beißen vom Weihnachtsmann bei Harrods war ein totales Missverständnis. Und deren Weihnachtsmann war auch ein echter Waschlappen. Er hätte nicht gleich in die Notaufnahme gehen müssen.