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Als wir drei loslaufen, ist mein Blick starr geradeaus gerichtet, auf diese spitze, moderne Skulptur, die von der Decke hängt. Es geht schon. Es macht mir nichts aus. Ich habe mich daran gewöhnt, nicht shoppen zu gehen. Es fehlt mir fast überhaupt nicht ...

Oh, mein Gott, da ist dieser Burberry-Mantel mit den Rüschen, der sogar auf dem Laufsteg war. Gleich da im Fenster. Ich frage mich, wie viel ...

Nein. Geh weiter, Becky. Nicht hinsehen. Ich schließe die Augen, bis sie nur noch zwei schmale Schlitze sind. Ja, das ist gut. Wenn ich die Läden nicht richtig sehen kann ...

»Ist alles in Ordnung?« Plötzlich sieht mich Nanny Sue an. »Rebecca, sind Sie krank?«

»Es geht mir gut!« Meine Stimme klingt ein wenig erstickt. Es ist so lange her, seit ich zuletzt shoppen war. Ich merke, dass sich in mir ein gewisser Druck aufbaut, eine Art brodelnde Verzweiflung.

Aber ich muss sie ignorieren. Ich habe es Luke versprochen. Ich habe es versprochen.

Denk an was anderes. Ja. Zum Beispiel daran, wie ich in dem Schwangerschaftskurs war und man mir gesagt hat, ich solle atmen, um mich von den Schmerzen abzulenken. Ich werde atmen, um mich vom Shoppen abzulenken.

Einatmen ... ausatmen ... einatmen ... oh, mein Gott, das ist ein Temperley-Kleid.

Meine Beine sind stehen geblieben. Es ist ein weißgoldenes Temperley-Abendkleid in einem Laden, der Fifty Percent Frocks heißt. Es hat eine atemberaubende Stickerei um den Hals, reicht bis auf den Boden und sieht aus, als wäre es bis eben noch auf dem roten Teppich gewesen. Und daneben steht ein Schild, auf dem steht »Heute noch mal 20% billiger«.

Ich kralle meine Finger um meine Einkaufstüten, als ich durch die Scheibe starre. Ich darf dieses Kleid nicht kaufen. Ich darf es nicht mal ansehen. Aber irgendwie ... kann ich mich auch nicht rühren. Wie angewurzelt stehe ich auf dem polierten Marmorboden.

»Rebecca?« Auch Nanny Sue ist stehen geblieben. Sie betrachtet das Kleid und schnalzt missbilligend mit der Zunge. »Diese Kleider sind schrecklich teuer, nicht? Sogar noch heruntergesetzt. «

Was anderes fällt ihr dazu nicht ein? Das ist das schönste Kleid auf der Welt, und es kostet nur einen Bruchteil dessen, was es normalerweise kosten würde, und wenn ich Luke nicht dieses dämliche Versprechen gegeben hätte ...

Oh, mein Gott. Ich habe die Lösung. Im Grunde könnte es die Lösung für so vieles sein.

»Minnie.« Abrupt drehe ich mich zu ihr um. »Mein süßes, allerliebstes kleines Mädchen.« Ich beuge mich zu ihr herab und nehme ihr Gesicht in beide Hände. »Schätzchen ... hättest du gern ein Temperley-Kleid als Geschenk zu deinem einundzwanzigsten Geburtstag?«

Minnie antwortet nicht, was nur daran liegt, dass sie nicht versteht, was ich ihr da anbiete. Wer möchte kein Temperley-Kleid zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag? Und bis sie einundzwanzig wird, ist es ein seltenes Vintage-Stück! Ihre Freundinnen werden alle total neidisch sein! Sie werden sagen: »Gott, Minnie, ich wünschte, meine Mutter hätte mir so ein Kleid gekauft, als ich zwei war.Die Leute werden sie Das Mädchen mit dem Vintage-Temperley-Kleid nennen.« 

Und ich könnte es mir für Lukes Party leihen. Nur um es für sie auszuprobieren.

»Muffin?«, sagt Minnie hoffnungsvoll.

»Kleid«, sage ich mit fester Stimme. »Das ist für dich, Minnie! Es ist dein Geburtstagsgeschenk!« Entschlossen führe ich sie in den Laden und ignoriere Nanny Sues erstaunten Blick. Ich brauche zehn Sekunden, um den Laden zu überschauen und festzustellen, dass das Temperley-Kleid das Beste ist, was sie haben. Ich wusste, dass es ein guter Deal ist.

»Hi«, sage ich atemlos zu der Verkäuferin. »Ich möchte bitte gern das Temperley-Kleid. Oder besser ... es ist für meine Tochter. Ich kaufe es im Voraus ... offensichtlich!«, füge ich mit einem kleinen Lachen hinzu. »Für ihren einundzwanzigsten Geburtstag.«

Die Verkäuferin starrt Minnie an. Dann mich. Dann ihre Kolleginnen, als bräuchte sie Hilfe.

»Bestimmt hat sie später mal dieselbe Kleidergröße wie ich«, füge ich hinzu. »Also probiere ich es für sie an. Gefällt dir das hübsche Kleid, Minnie?«

»Nein Kleid.« Ihre Stirn runzelt sich zusammen.

»Süße, es ist ein Temperley.« Ich halte den Stoff hoch, um ihn ihr zu zeigen. »Du wirst zauberhaft darin aussehen! Eines Tages.«

»Nein Kleid!« Sie rennt zum anderen Ende des Ladens und klettert in eine offene Vorratsschublade.

»Minnie!«, rufe ich. »Komm da raus! Entschuldigen Sie ... «, rufe ich über meine Schulter hinweg der Verkäuferin zu.

»Muffin!«, schreit sie, als ich versuche, sie mit Gewalt herauszuhieven. »Will Muffin!«

»Du kriegst einen Muffin, sobald wir das Kleid haben«, sage ich beschwichtigend. »Es geht ganz schnell ... «

»Nein Kleid!« Irgendwie entwindet sie sich meinem Griff und krabbelt ins Schaufenster. »Püppi! Mein Püppi!«

Jetzt greift sie sich die nackte Schaufensterpuppe.

« Minnie, hör bitte auf damit, Süße!« Ich gebe mir Mühe, nicht so entsetzt zu klingen, wie ich in Wirklichkeit bin. »Komm zurück!«

,>Mein Püppi!« Sie reißt die Puppe komplett vom Sockel, sodass sie krachend auf den Boden fällt, und nimmt sie in die Arme. ,>Meeeiiiin!«

»Komm da runter, Minnie!«, sage ich. »Das ist keine Püppi! Sie denkt, es ist eine Puppe«, füge ich zur Verkäuferin gewandt hinzu und bemühe mich um ein unbekümmertes Lachen. »Sind Kinder nicht urkomisch?«

Die Verkäuferin lacht nicht zurück. Sie lächelt nicht mal.

»Würden Sie sie bitte dort herunterholen?«, sagt sie.

»Natürlich! Tut mir leid ... « Rotgesichtig versuche ich, Minnie mit aller Kraft von der Puppe wegzureißen. Doch sie saugt sich daran fest wie eine Napfschnecke. »Komm schon, Minnie!« Ich versuche, entspannt und nachdrücklich zu klingen. »Komm, Schätzchen. Runter da!«

»Nein!«, kreischt sie. »Mein Püppiiiii!«

»Was ist hier los?«, bellt jemand hinter mir. »Was macht dieses Kind da? Könnte es vielleicht mal jemand zurückrufen?«

Mein Magen krampft sich zusammen. Ich kenne diese schnarrende, weinerliche Stimme. Ich fahre herum -und tatsächlich ist es die Elfe, die uns aus der Weihnachtsmannwerkstatt verbannt hat. Noch immer hat sie lila Fingernägel und ein lächerlich sonnenstudiogebräuntes Dekollete, doch jetzt trägt sie ein schwarzes Kostüm mit einem Schild, auf dem steht »Assistant Manager« 

»Sie!« Ihre Augen werden schmal.

»Oh, hi«, sage ich nervös. »Nett, Sie wiederzusehen. Wie geht es dem Weihnachtsmann?« »Würden Sie bitte Ihr Kind entfernen?«, sagt sie spitz. »Äh ... okay. Kein Problem.« Ich sehe Minnie an, die sich nach wie vor an die Schaufensterpuppe klammert, als hinge ihr Leben davon ab. Ich werde sie nur dort wegbekommen, indem ich jeden Finger einzeln zurückbiege. Ich werde zehn Hände brauchen.

»Könnten wir die Schaufensterpuppe vielleicht ... kaufen?« Als ich den Gesichtsausdruck der Sonnenstudio-Elfe sehe, wünsche ich mir nur, ich hätte diese Frage nie gestellt.

»Komm, Minnie, jetzt aber runter da!« Ich versuche, forsch und fröhlich zu klingen, wie eine Mutter in einer Waschmittelwerbung. »Bye-bye, püppi.«

»Neeeeeeiiiinnn!« Sie klammert sich noch fester.