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»WOW«, sage ich beeindruckt. »Gut durchdacht.«

»Als Botin nenne ich mich Gwen.« Sie nickt. »Ich hab voll die zweite Identität laufen. Gwen raucht nicht. Und ihr Sternzeichen ist Fische.«

»Äh ... super!« Manchmal bin ich etwas in Sorge, dass Jasmine die ganze Mantel-und-Degen-Geschichte etwas zu weit treibt. »Hi, Louise!« 

Jasmines Kundin ist bei der Kasse angekommen. Es ist Louise Sullivan, die drei Kinder und ihren eigenen Internet Lebensmittelversand hat und unablässig darüber nachdenkt, sich den Bauch wegoperieren zu lassen, was absurd ist. Sie sieht toll aus. Es ist nicht ihre Schuld, dass ihr Mann kein Taktgefühl besitzt und gern derbe Witze reißt.

»Wollen Sie Ihre Sachen gleich mitnehmen, oder möchten Sie, dass wir sie diskret anliefern?«, fragt Jasmine, als sie Louises Karte durch das Lesegerät zieht.

»Vielleicht könnte ich eine Tüte jetzt mitnehmen«, sagt Louise und kaut auf ihrer Lippe. „Aber nicht mehr als eine.« 

»Kein Problem.« Jasmine nickt professionell. »Also ... liefern wir den Rest in einem Druckerpapierkarton?«

»Eigentlich ... « Louise greift in ihre Einkaufstüte. »Ich habe mir selbst was mitgebracht. Einen flachen Karton mit dem Aufdruck »Olivenöl aus Ligurien«

»Das gefallt mir.« Ich sehe, dass Jasmine Louise plötzlich mit anderen Augen sieht. »Dann also Olivenöl.«  Sie nimmt den Karton. »Morgen Abend?« 

»Wer von Ihnen ist Becky?«, bellt eine Männerstimme, und wir zucken alle zusammen. Es kommen nicht oft Männer in diese Etage, aber ein Kerl mit Lederjacke und fleischigem Gesicht marschiert auf uns zu. Er hält einen Karton in der Hand, auf dem »Druckerpapier«, steht, und macht ein finsteres Gesicht.

Plötzlich habe ich so ein ungutes Gefühl. Ich hoffe wirklich, dass das nur ein Druckerpapierkarton ist.

»Ich!«, sage ich beschwingt, während Jasmine den Olivenölkarton unter den Tresen schiebt und Louise sich eilig verkrümelt. »Was kann ich für Sie tun?«

»Was zum Teufel geht hier vor sich?« Er fuchtelt mit dem Karton vor mir herum. »Was ist das?« »Äh ... ein Karton? Möchten Sie einen Termin bei einer Einkaufsberaterin, Sir«, füge ich eilig hinzu. »Die Herrenbekleidung ist eigentlich im zweiten Stock ... « »Ich brauche keine Herrenbekleidung«, sagt er wütend. »Ich brauche eine Erklärung!«

Er knallt den Karton auf den Tresen und nimmt den Deckel ab. Jasmine und ich, wir sehen uns an. Es ist das Preen-Kleid, das ich Ariane Raynor letzte Woche verkauft habe. Oh, Gott, das muss Arianes Mann sein. Der angeblich früher mal Rockstar war, aber schon seit Jahren keinen Hit mehr hatte. Der das Aupair angebaggert hat und sich die Schamhaare bei Desperate Housewives trimmt. (Wir plaudern ziemlich viel, Ariane und ich.)

»Shop in Private.« Er zieht ein Blatt Papier aus der Tasche und liest mit lauter, sarkastischer Stimme vor. »Lassen Sie sich die Kleider diskret in einem Pappkarton mit der Aufschrift >Druckerpapier< oder >Hygieneartikel < liefern.«

Scheiße.

»Sie war wohl shoppen, ja?« Er knallt mir den Zettel hin. »Wie viel hat sie ausgegeben?«

Mein Handy piept, und ich sehe, dass Jasmine nickend darauf deutet. Verstohlen klicke ich die Nachricht an und sehe, dass sie von ihr ist.

Ariane ist wegen ihrer Änderung hier!!!! Ich habe sie in Raum 3 gebracht, als Du mit Victoria beschäftigt warst. Soll ich sie warnen?

Ich nicke Jasmine unauffällig zu und drehe mich wieder zu Arianes Mann um.

» Mister ... «

»Raynor.«

»Mister Raynor, dazu darf ich mich leider nicht äußern«, sage ich sanft. »Ich muss die Privatsphäre meiner Kundinnen respektieren. Vielleicht könnten Sie zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen?«

»Jasmine?«, höre ich Arianes unverkennbare Stimme aus einem der Umkleideräume. »Könnten Sie sich den Saum mal ansehen? Denn ich glaube nicht, dass ... « Ihre Stimme reißt urplötzlich ab, als würde ihr jemand den Mund zuhalten -aber es ist zu spät. Man sieht ihrem Mann an, dass er sie erkannt hat.

»Ist das Ariane?« Er sieht aus, als könnte er es nicht fassen. »Geht sie schon wieder shoppen?«

Nein, tut sie nicht, du Blödmann, möchte ich am liebsten sagen. Sie lässt sich ein Kleid ändern, dass sie vor zwei Jahren gekauft hat. Und außerdem -was ist mit der Bang&Olufsen-Anlage, die du unbedingt in eurem Landhaus einbauen musstest? Die hat Trillionen mehr gekostet als ein Kleid.

Stattdessen aber lächle ich zuckersüß und sage: »Unsere Kundentermine sind vertraulich. Und wenn das alles ist ... « »Nein, ist es nicht!« Er fängt an zu brüllen. »Ariane, du kommst sofort da raus!«

»Sir, würden Sie bitte aufhören, hier herumzuschreien?«, sage ich ganz ruhig, während ich nach meinem Handy greife und Jasmine simse: Arianes Mann kocht. Lass sie hinten raus.

»Ariane, ich weiß, dass du da drinnen bist!« ruft er drohend. »Ich weiß, dass du mich belogen hast!« Er steuert auf den Eingang zu, aber ich verstelle ihm den Weg.

»Ich fürchte, ich kann Sie hier nicht reinlassen.« Ich lächle. »Nur Kundinnen dürfen in den Personal-Shopping-Bereich. Das werden Sie sicher verstehen.«

»Verstehen?« Seine Wut wendet sich gegen mich. »Ich will Ihnen sagen, was ich verstehe. Ihr Hexen steckt alle unter einer Decke. Von wegen Druckerpapier.« Er schlägt mit der Faust auf den Karton. »Einsperren sollte man euch, alle, wie ihr da seid!«

Unwillkürlich zucke ich zurück. Seine blauen Augen sind blutunterlaufen, und plötzlich frage ich mich, ob er wohl trinkt.

»Es ist nur eine diskrete Verpackungsoption.« Ich bemühe mich um eine ruhige Stimme. »Nicht jede Frau möchte in diesen Zeiten ein Designer-Label zur Schau stellen.«

»Kann ich mir vorstellen.« Er mustert mich wütend. »Jedenfalls nicht vor ihrem Trottel von Ehemann. Sind wir hier bei. Wer kann seinen Mann am besten foppen?«

Ich bin so aufgebracht, dass ich laut stöhne.

»Die meisten meiner Klientinnen haben ihr eigenes Einkommen«, erkläre ich und zwinge mich, höflich zu bleiben. »Und ich denke, es ist ihre Sache, wofür sie es ausgeben, oder wie sehen Sie das? Soweit ich weiß, läuft Arianes Möbelgeschäft momentan sehr gut, oder?« 

Den kleinen Stich kann ich mir nicht verkneifen. Ich weiß, dass ihr Erfolg ihn unter Druck setzt. Sie sagt es jedes Mal, wenn sie kommt. Und dann sagt sie, dass sie ihn verlassen will. Und am Ende unserer Sitzung weint sie dann und sagt, dass sie ihn wirklich liebt.

Ehrlich. Shoppen ist besser als jede Therapie. Es kostet dasselbe, aber man kriegt noch ein Kleid obendrauf.

»Ariane!« Er will sich an mir vorbeidrängen.

»Halt!« Ich packe ihn beim Arm, fuchsteufelswild. »Ich sage Ihnen doch, nur Kundinnen dürfen in den ...« »Aus dem Weg!« Er schüttelt mich ab wie eine Puppe. Okay. Jetzt geht es ums Prinzip. Niemand kommt hier rein und stürmt an mir vorbei in meine Abteilung. »Nein! Sie gehen nicht da rein!« Ich packe ihn bei den Schultern, aber er ist zu stark. »Jasmine!«, schreie ich, während ich mit ihm ringe. »Bringen Sie alle Kundinnen in Sicherheit!«

»Verdammt, lass mich da rein!« 

»Das hier ist ein privater Einkaufsbereich ...«  Ich keuche vor Anstrengung, ihn zurückzuhalten. »Was geht hier vor sich?« Direkt hinter mir höre ich eine tiefe Stimme und lasse los. Ich fahre herum und weiß längst, dass es Trevor ist. Gavin lauert hinter ihm und freut sich wie ein Zuschauer in einer Unterhaltungsshow. Trevor sieht mich mit grimmigem Blick an, der mir sagen soll, dass es hoffentlich einen guten Grund für das alles gibt, und achselzuckend erwidere ich den Blick, als wollte ich sagen: »Ja, gibt es.«