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Könnten wir vielleicht auch ohne Toiletten auskommen und allen Bescheid sagen, bevor sie kommen? Könnte ich Mum und Dad dazu bewegen, sich als Türsteher zu betätigen? Den Parkservice könnte ich ohne Weiteres selbst übernehmen, wenn es sein muss. Oh, Gott ...

Als ich mein Spiegelbild in der U-Bahn-Scheibe sehe, sind meine Augen groß und starr. Ich sehe aus wie eine Irre, geistig minderbemittelt. Vielleicht passiert das so. Die Leute wollen Partys geben und brechen unter dem Druck zusammen, und am Ende zerbricht daran ihr ganzes Leben. Vielleicht sind Überraschungspartys einer der Hauptgründe für psychische Erkrankungen. Es würde mich nicht wundern.

Ich bin mit Janice und Minnie am Bahnhof Waterloo verabredet, und als ich auf sie zugehe, versetzt es mir einen Stich. Sie sehen so sorgenfrei und glücklich aus.

»Wir hatten einen wunderschönen Morgen!« Janice sprudelt förmlich über, als ich bei ihr bin. »Stimmt es nicht, Minnie?  Wir haben alle meine Osterkuchen gebacken und in den Tiefkühler getan.«

»Vielen Dank, Janice.« Ich bringe ein lahmes Lächeln zustande. »Ich weiß es wirklich zu schätzen.«

Janice war ein echter Schatz. Sobald sie hörte, dass Mum und Dad ins West Place ziehen, hat sie angeboten, auf Minnie aufzupassen, wenn ich arbeite. Sie hat einen ganzen Schrank voller Spielzeug gekauft, obwohl ich sie gebeten hatte, es nicht zu tun, und sie hat Minnie einen ganzen Haufen neuer Kinderlieder beigebracht. Der einzige Nachteil ist, dass sie offenbar Jess gegenüber nur noch mehr spitze Bemerkungen zum Thema »Enkelkinder« macht und jedes Mal laut seufzt, wenn sie Minnies Fingerbilder an die Wand pinnt.

»Es war mir ein Vergnügen! Jederzeit wieder. Und ... hast du was von deiner Mum gehört?«, fügt sie zögerlich hinzu.

»Nein. Du?«

Janice nickt. »Es geht ihnen fabelhaft! Die Suite ist offenbar hübsch. Sie waren zweimal im Theater und haben eine Schlammpackung bekommen. Beide gleichzeitig.« »Schön.« Ich blicke zu Boden. »Na ... ich freue mich, dass sie sich amüsieren. « »Sprecht ihr zwei immer noch nicht miteinander, Liebes?« Bedrückt sieht Janice mich an.

»Scheint so.«

Mum und ich haben noch nie nicht miteinander gesprochen. Und wenn sie mir nichts von ihrer Schlammpackung erzählt, heißt das, dass sie offenbar wirklich nicht mit mir reden will.

»Gut, ich sollte besser mal los ...« Janice reicht mir Minnies Fäustlinge. »Ich will noch zu einem Kunstgewerbemarkt und mit meinen Weihnachtseinkäufen anfangen. Wo willst du denn mit Minnie hin?«

»Green Park«, sage ich nach einer kurzen Pause. Was mehr oder weniger stimmt. Das Ritz ist gleich beim Green Park.

Als wir am Piccadilly aus der U-Bahn kommen, türmen sich am Himmel graue Wolken, als hätten sie nur auf eine Gelegenheit gewartet, und plötzlich pladdert Regen auf uns ein. Ich setze Minnie ihre Kapuze auf und trabe trübsinnig voran. Die Aussicht auf einen Tee mit Elinor ist nicht gerade dazu angetan, meine Laune aufzubessern.

Sie erwartet uns in derselben pompösen Suite wie beim letzten Mal, in einem eisblauen Kleid, und auf dem Tisch liegen drei neue Puzzles.

»Ladyyyyyy!« Augenblicklich hellt sich Minnies Miene auf, und sie rennt los, um Elinor zu umarmen. Lähmender Schreck und blanke Fassungslosigkeit stehen Elinor ins Gesicht geschrieben, und trotz meiner finsteren Stimmung möchte ich am liebsten laut loslachen.

»Nun, Minnie ...«, sagt sie verkrampft, fast barsch. »Setz dich lieber mal hin!«

Noch immer klammert sich Minnie an sie, und Elinor tätschelt ihr steif den Rücken. Ich frage mich, ob sie schon mal von einem kleinen Kind umarmt wurde.

Von Luke vielleicht. Bevor sie ihn im Stich gelassen hat. Der bloße Gedanke bereitet mir Bauchschmerzen.

Der Tisch ist üppig gedeckt, wie beim letzten Mal, aber ich bin zu aufgewühlt, um etwas zu essen. Ich möchte diese Tortur so schnell wie möglich hinter mich bringen und gehen.

»Warte mal, Minnie«, sagt Elinor, als Minnie neben mir auf das Sofa krabbelt. »Ich habe dir einen ganz besonderen Kuchen gekauft.«

Sie tritt an einen Sekretär, und als sie sich wieder umdreht, hält sie ein Silbertablett mit einer Tortenglocke in der Hand.

Ihre Wangen sind ganz leicht rosig, und ... ist das ein winziges Lächeln? Ist Elinor ... aufgeregt?

Sie stellt das Tablett auf den Tisch und hebt die Glocke an.

Ach, du lieber Gott. Wie viel hat das denn gekostet?

Es ist ein herzförmiger Kuchen, perfekt mit rosigem Fondant überzogen, mit pinken Trüffeln und kandierten Kirschen, gleichmäßig um den Rand herum arrangiert, und in der Mitte steht mit Zuckerguss ein Name geschrieben: Minnie.

»Siehst du?« Elinor sucht in Minnies Miene eine Reaktion. »Gefallt er dir?« »Kuchen!«, sagt Minnie, und ihre Augen leuchten gierig. »Meeeiiiin Kuchen!«

»Es ist nicht nur ein Kuchen«, sagt Elinor etwas scharf. »Es ist ein Kuchen, auf dem dein Name steht. Siehst du das nicht?« »Elinor ... sie kann nicht lesen«, erkläre ich sanft. »Sie ist noch zu klein dafür.«

»Oh.« Elinor scheint perplex. »Ich verstehe.« Sie steht nur da, noch immer mit der Glocke in der Hand, und ich sehe ihr die Enttäuschung an.

»Aber das ist nett«, sage ich schnell. »Sehr aufmerksam.«

Ich bin ehrlich gerührt von der Mühe, die sie sich gemacht hat. Fast möchte ich mit meinem Handy ein Foto davon machen. Aber wie sollte ich das Luke erklären?

Elinor schneidet ein Stück ab und reicht es Minnie, die es sich mit beiden Händen in den Mund stopft und alles verschmiert und vollkrümelt. Eilig schnappe ich mir ein paar Servietten und versuche, die Sauerei in Grenzen zu halten, doch zu meiner Überraschung wird Elinor deshalb nicht halb so ärgerlich wie erwartet. Sie zuckt mit keiner Wimper, als eine kandierte Kirsche über den kostbaren Teppich kullert.

»Und ich habe neue Puzzles gekauft«, sagt sie und nippt an ihrem Tee. »Dieses eine hier von Nótre Dame ist interessant.«

Notre Dame? Für eine Zweijährige? Ist sie verrückt geworden? Was hat sie gegen Mausi einzuwenden?

Aber erstaunlicherweise hört Minnie wie gebannt zu, als Elinor ihr die verschiedenen Grautöne und die Notwendigkeit erklärt, an den Rändern anzufangen. Als Elinor das Puzzle auskippt, sitzt Minnie mit großen Augen da und greift nur zögernd nach den Teilen, wenn Elinor sie dazu auffordert. Immer wieder blickt sie zu mir auf, als wollte sie mich einladen mitzumachen, aber ich bringe mich nicht dazu, so ein dämliches Puzzle zu legen. In mir ist eine Spannung, wie ein stählernes Band, das sich fester und fester zusammendreht. Was soll ich tun? Was soll ich bloß tun?

Plötzlich klingelt mein Handy, und ich falle fast vom Sofa, weil ich dermaßen überreizt bin. Was ist, wenn The Look anruft, um mir zu sagen, dass sie mit ihren Ermittlungen fertig sind und ich gefeuert bin? Was ist, wenn Luke anruft und er Elinors Stimme hört?

Doch als ich mein Handy hervorhole, sehe ich Bonnies Nummer.

»Elinor, entschuldige mich einen Moment«, sage ich eilig und gehe ans andere Ende des riesigen Wohnzimmers. »Hi, Bonnie, was gibt's?« 

»Meine Liebe, ich kann nicht lange sprechen.« Bonnie klingt ungewohnt nervös. »Aber es hat sich ein kleiner Rückschlag ergeben.«

»Ein Rückschlag?« Der Schreck fährt mir in die Glieder. »Was meinen Sie damit?« 

Bitte lass es irgendwas Kleines sein! Bitte mach, dass es sich nur um einen weiteren Gast dreht, der allergisch gegen Nüsse ist. Wenn noch eine Katastrophe passiert ...