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»Luke und ich waren schuld. Wir haben den Schlitten demoliert, als wir sie vom Rentier holen wollten.«  »Ah.«  Dad nickt wissend, und wir wenden uns trübsinnig dem Ausgang zu. »Minnie ist ein echter kleiner Wildfang, was?«, sagt Janice nach einer Weile vorsichtig. »Du kleiner Racken«, sagt Martin und kitzelt Minnie unterm Kinn. »Du hältst einen ordentlich auf Trab.«

Vielleicht bin ich überempfindlich. Aber irgendwie trifft mich dieses ganze Gerede vom »in Trab halten« und »Rackern«  und »Energiebündeln«  an einem wunden Punkt.

»Du willst doch wohl nicht behaupten, dass Minnie verwöhnt ist, oder?«, sage ich plötzlich und komme auf dem Marmorboden abrupt zum Stehen. »Mal ehrlich.« 

Janice holt tief Luft. »Na ja«, sagt sie und wirft Martin einen Blick zu, als bräuchte sie Unterstützung. »Ich wollte ja eigentlich nichts sagen, aber ...«

»Verwöhnt?« Mum schneidet ihr mit einem kleinen Lachen das Wort ab.« Unsinn! Mit Minnie ist alles in Ordnung, oder, Schätzchen? Sie weiß nur, was sie will!« Liebevoll streichelt sie Minnies Haar, dann blickt sie wieder auf. »Becky, Liebes, du warst in ihrem Alter genauso. Ganz genauso. «

Augenblicklich entspanne ich mich. Mum sagt immer das Richtige. Ich sehe zu Luke hinüber, doch zu meiner Überraschung erwidert er mein erleichtertes Lächeln nicht. Er sieht aus, als plage ihn ein neuer, beunruhigender Gedanke.

»Danke, Mum.« Ich umarme sie liebevoll. »Du machst immer alles wieder gut. Komm, lass uns nach Hause gehen!«

Bis Minnie im Bett liegt, hat sich meine Laune gebessert. Tatsächlich ist mir richtig festlich zumute. Darum geht es doch beim Weihnachtsfest. Glühwein und Pastetchen und White Christmas im Fernsehen. Wir haben Minnies Strumpf aufgehängt (traumhafter roter Gingharn aus dem Conran Shop) und dem Weihnachtsmann ein Glas Sherry hingestellt, und jetzt sind Luke und ich im Schlafzimmer und packen ihre Geschenke ein.

Mum und Dad sind wirklich großzügig. Sie haben uns das ganze Obergeschoss des Hauses überlassen, sodass wir doch einiges an Privatsphäre genießen. Der einzige Nachteil ist der kleine Kleiderschrank. Aber das macht nichts, denn ich habe auch den Schrank im Gästezimmer übernommen und außerdem alle meine Schuhe in den Bücherborden auf dem Treppenabsatz einsortiert. (Die Bücher habe ich in Kisten gepackt. Die liest doch sowieso keiner mehr.)

Außerdem habe ich eine Kleiderstange in Dads Arbeitszimmer aufgehängt und ein paar Hutschachteln in der Waschküche gestapelt. Und mein versammeltes Make-up steht auf dem Esstisch, der genau die richtige Größe hat. Im Grunde ist er wie dafür gemacht. Meine Wimperntusche passt in die Messerschublade, meine Glätteisen passen perfekt auf das Beistellwägelchen, und meine Zeitschriften stapeln sich auf den Stühlen.

Außerdem habe ich ein paar winzige Kleinigkeiten in der Garage verstaut, etwa meine alten Stiefel und diese beiden wunderschönen alten Truhen, die ich aus einem Antiquitätenladen habe, außerdem eine Power-Plate (die ich bei eBay gekauft habe und unbedingt endlich mal benutzen muss). Ich fürchte, da drinnen wird es langsam etwas eng, aber Dad stellt sein Auto ja sowieso nie in die Garage, oder?

Nachdem Luke ein Puzzle eingepackt hat, nimmt er eine Zaubertafel in die Hand. Stirnrunzelnd sieht er sich im Zimmer um.

»Wie viele Geschenke kriegt Minnie eigentlich?« 

»Nur das Übliche« , sage ich eher defensiv.

Obwohl ich ehrlicherweise zugeben muss, dass ich selbst etwas perplex war. Ich hatte ganz vergessen, wie viel ich im Laufe des Jahres in Katalogen und auf Handwerksmärkten gefunden und dann gebunkert hatte.

»Die hier ist pädagogisch wertvoll.« Hastig reiße ich das Preisschild von der Zaubertafel. »Und sie war echt billig. Nimm noch etwas Glühwein!« Ich schenke ihm ein Glas ein, dann greife ich mir einen roten Hut mit zwei glitzernden Bommeln. Er ist einfach zu süß, und es gab ihn auch in Babygrößen.

Wenn wir noch ein Baby hätten, könnte es einen Bommelhut tragen, der zu Minnies passt. Die Leute würden sie »Die Kinder mit den Bommelhüten« nennen.

Plötzlich habe ich ein faszinierendes Bild vor Augen, wie ich mit Minnie die Straße hinunterlaufe. Sie schiebt ihren Puppenwagen und ich einen Kinderwagen, in dem ein echtes Baby liegt. Sie hätte einen Freund fürs Leben. Es wäre einfach perfekt ...

»Becky? Tesa? Becky?« 

Plötzlich merke ich, dass Luke meinen Namen schon ungefähr viermal gesagt hat. »Oh! Entschuldige! Hier, bitte. Ist das nicht zauberhaft?« Ich lasse die Bommel vor Lukes Nase baumeln. »Die gab es auch für Babys.« 

Ich mache eine vielsagende Pause, lasse das Wort »Babys« in der Luft hängen und setze sämtliche telepathischen Kräfte ein, die ich als Ehefrau aufbieten kann.

»Dieses Tesa ist scheiße. Das taugt nichts.« Ungeduldig wirft er es weg.

Hm. So viel zur ehelichen Telepathie. Vielleicht sollte ich etwas raffinierter vorgehen. Suze hat ihren Mann Tarkie einmal dermaßen geschickt zu einer Pauschalreise nach Disneyland überredet, dass er erst im Flugzeug gemerkt hat, wohin die Reise ging. Allerdings ist Tarkie eben Tarkie (liebenswert, gutgläubig, denkt normalerweise an Wagner oder Schafe). Und Luke ist Luke (immer am Ball und denkt ständig, ich führe was im Schilde. Was ich absolut NICHT tue.)

»Das mit Arcodas ist ja eine fantastische Neuigkeit!«, sage ich so nebenher. »Und das mit dem Haus auch.« »Ja, toll, nicht?« Kurz macht sich auf Lukes Gesicht ein Lächeln breit.

»Es ist, als fügten sich alle Puzzleteilchen ineinander. Zumindest fast alle Puzzleteilchen.« Wieder lasse ich eine bedeutungsschwangere Pause, aber Luke merkt nichts davon.

Welchen Sinn hat es, die Konversation mit bedeutungsschwangeren Pausen zu spicken, wenn der Betreffende nichts davon merkt? Ich habe genug von Heimlichkeiten. Die sind total überbewertet.

»Luke, lass uns noch ein Baby machen!«, sage ich prompt. »Heute Abend!«

Was folgt, ist Schweigen. Einen Moment frage ich mich, ob Luke es überhaupt gehört hat. Dann hebt er den Kopf und sieht total entgeistert aus.

»Bist du verrückt?«

Ich starre ihn an, sprachlos.

»Selbstverständlich bin ich nicht verrückt! Ich finde, Minnie sollte einen kleinen Bruder oder eine Schwester haben. Du nicht?« »Mein Blümchen ... « Luke hockt sich hin. »Wir sind schon einem Kind nicht gewachsen. Wie um alles in der Welt sollen wir mit zwei Kindern zurechtkommen? Du weißt doch, wie sie sich heute benommen hat.« 

Nicht er auch noch. »Was sagst du da?«  Unwillkürlich klinge ich verletzt. »Findest du etwa auch, dass Minnie verwöhnt ist?« »Das meine ich damit nicht«, sagt Luke ganz vorsichtig. »Aber du musst zugeben, dass sie nicht zu bändigen ist.«

»Doch, ist sie wohl!« 

»Sieh doch mal die Fakten! Sie wurde aus vier Weihnachtsmannwerkstätten verbannt.«  Er zählt es an den Fingern ab. »Und aus der St. Paul's Cathedral. Ganz zu schweigen von dem Zwischenfall bei Harvey Nichols und dem Fiasko in meinem Büro.« 

Will er ihr das bis an ihr Lebensende vorhalten? Ich finde eher, sie sollten nicht so teure Kunstwerke an die Wände hängen. Sie sollten lieber arbeiten und nicht den ganzen Tag rumstehen und sich moderne Kunst angucken.

»Sie ist nur lebhaft« ,sage ich trotzig. »Vielleicht würde ihr ein kleines Geschwisterchen gunun.« 

»Und uns würde es in den Wahnsinn treiben.« Luke schüttelt den Kopf. »Becky, lass es uns bei dem einen Kind belassen, okay?«