»Sie ziehen also von New York wieder hierher?«
»Ja . .. das stimmt«, sage ich nach einer Weile. »Stimmt es nicht, Liebling?« Ich werfe Luke einen kurzen, verzweifelten Blick zu.
»Großer Gott! Aber was ist mit Ihrer Arbeit am Guggenheim Museum, Professor Bloomwood?« »Am Guggenheim?«, wiederholt Luke mit leicht erstickter Stimme.
»Ja, das Guggenheim. Absolut.« Ich nicke mehrmals, schinde Zeit. »Das Guggenheim wird mir natürlich sehr fehlen. Aber ich werde ... mich auf meine eigene Kunst konzentrieren.«
»Sie sind selbst auch Künstlerin?« Harriet Grayson ist überwältigt. »Wie wundervoll! Sind Sie Malerin?« »Nicht wirklich.« Ich huste. »Meine Arbeit ist ... ist ziemlich schwer zu beschreiben ... «
»Beckys Kunstform ist einzigartig«, stimmt Luke plötzlich mit ein. »Sie erschafft ... surreale Welten. Manche mögen es als Fantasielandschaft bezeichnen.«
Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu, als es an der Tür klopft.
»Mr. Brandon?« Zögerlich sieht die Sekretärin herein. »Für Sie kam Nachricht, dass Sie dringend Ihr Büro anrufen sollen.«
»Wie unangenehm.« Luke sieht überrascht aus. »Es muss sehr wichtig sein, wenn man mich hier aufstöbert. Entschuldigen Sie mich.« Als er hinausgeht, nehme ich mir den Prospekt und blättere wahllos zu irgendeiner Seite.
»So!«, sage ich eilig. »Wenn Sie sagen, die Kinder lesen jeden Tag, was genau meinen Sie damit?«
Gott sei Dank. Etwa fünf Minuten redet Mrs. Grayson über Leselisten, und ich nicke intelligent. Dann stelle ich eine Frage zum Naturwissenschaftlichen Gebäude, was mir weitere drei Minuten beschert, und gerade will ich zum Korbball übergehen, als die Tür aufgeht.
Staunend starre ich Luke an. Er strahlt. Er sieht aus, als hätte er im Lotto gewonnen. Was um alles in der ...
Oh, mein Gott. Elinor hat es geschafft!
Okay, jetzt kann ich es kaum mehr erwarten, meine Nachrichten zu checken. »Es tut mir wirklich leid«, sagt Luke höflich zu Mrs. Grayson.
»Ich muss in einer dringenden Angelegenheit in mein Büro. Aber Becky kann bleiben und sich alles zeigen lassen. «
»Nein!« Wie von der Tarantel gestochen springe ich auf. »Ich meine. .. Ich würde es mir lieber mit dir ansehen, Liebling. Seien Sie mir nicht böse, Mrs. Grayson ... «
»Das ist schon in Ordnung«, sagt sie lächelnd. »Und darf ich vielleicht noch einmal hinzufügen, wie sehr es mich freut, Sie wiedergesehen zu haben, Professor? Wissen Sie, Ihr Ratschlag hinsichtlich des kleinen Ernest Cleath-Stuart war unbezahlbar.«
Ich spüre, wie Luke neben mir die Ohren spitzt. »Was war das?«, sagt er höflich.
»Gern geschehen«, sage ich hastig. »Nicht der Rede wert ... «
»Da muss ich widersprechen! Professor Bloomwood hat auf den ersten Blick das Potential eines meiner Schüler in St. Cuthbert's erkannt«, erklärt Harriet Grayson. »Eines kleinen Jungen, der ein paar ... wollen wir sagen: Probleme hatte. Aber er ist wirklich aus sich herausgekommen, seit wir ihm diesen Kunstpreis verliehen haben. Er ist wie ausgewechselt!«
»Ah.« Luke nickt, denn jetzt hat er begriffen. »Verstehe.« Sein Blick ist schon viel sanfter, als er mir in die Augen sieht. »Nun, in solchen Dingen ist Professor Bloomwood wirklich sehr gut.«
Wortlos laufen wir durch die Korridore und zum Schultor hinaus, steigen in den Wagen und sehen uns eine Weile schweigend an.
»So.« Luke zieht fragend eine Augenbraue hoch. »Professor.«
»Luke ... «
»Kein Wort zu Suze.« Er nickt. »Ich hab's kapiert. Und Becky ... das hast du gut gemacht. Nur können wir Minnie jetzt nicht mehr auf diese Schule schicken. Das weißt du, oder?« »Ich weiß«, sage ich trübe. »Und dabei hat sie mir so gut gefallen.«
»Wir finden eine andere.« Er drückt mein Knie, dann greift er nach seinem Handy und wählt. »Hi, Gary? Ich komme gleich rüber. Ich weiß, unglaublich!«
Heimlich werfe ich einen Blick auf meinen BlackBerry. Er blinkt und zeigt mir neue Nachrichten an. Die erste ist von Elinor.
Ich habe mit Bernard gesprochen. Herzlich, Elinor.
Schlicht und einfach. Geklärt, ohne großen Aufwand. Je näher ich Elinor kennenlerne, desto bewusster wird mir, was für eine unglaubliche Frau sie ist. Ich schätze, Luke dürfte wohl ein paar von ihren Genen abbekommen haben. Die tatkräftigen und stählernen, mit denen man alle Hindernisse überwindet. Nicht, dass ich es ihm jemals sagen würde.
»Also ... was ist los?<«, sage ich unschuldig, als Luke den Wagen anlässt. »Woher die große Aufregung bei der Arbeit?«
»Du erinnerst dich an unseren Ausflug nach Paris?« Luke sieht über seine Schulter hinweg, um zurückzusetzen. »Der ist leider abgesagt. Wir treffen uns gar nicht mit Christi an Scott-Hughes wir treffen den Häuptling selbst, heute Nachmittag. Sir Bernard hat beschlossen, uns eine halbe Stunde zu widmen, aus heiterem Himmel! Sir Bernard Cross höchstpersönlich! «
»Wow!« Zum Glück bin ich eine gute Schauspielerin. »Das ist ja echt ein Ding!«
»Das hat es noch nie gegeben.« Luke nickt und hält die Augen auf die Straße gerichtet. »Alle können es irgendwie gar nicht fassen.«
»Na, Glückwunsch! Du hast es verdient!«
Danke, Elinor, simse ich zurück. Du bist absolut die GRÖSSTE!!!!!!!!!
»Ich glaube aber ... « Luke macht eine Pause, während er einen unübersichtlichen Kreisverkehr umrundet, » ... dass da irgendwer für uns die Fäden zieht. So etwas passiert nicht einfach von selbst.« Er sieht mich an. »Irgendjemand irgendwo steckt dahinter. Irgendjemand mit Einfluss.«
Es ist, als pochte mir das Herz im Hals. Einen Moment lang kann ich vor lauter Panik gar nichts sagen. »Wirklich?«, bringe ich schließlich hervor. »Wer würde denn so was tun?« »Ich weiß nicht. Schwer zu sagen.« Nachdenklich runzelt er die Stirn, dann wirft er mir ein kleines Lächeln zu. »Aber wer es auch sein mag, ich liebe ihn.«
Den Rest des Nachmittags sitze ich wie auf glühenden Kohlen. Alles läuft nach Plan -sofern die einzelnen Teile des Plans funktionieren. Sofern das Meeting gut läuft. Sofern Luke nicht beschließt, trotzdem nach Paris zu fliegen. Sofern sich niemand im Büro verplappert ...
Ich versuche, einen Sitzplan aufzustellen, aber ehrlich, das ist schlimmer als Sudoku, und ich bin zu abgelenkt, um mich zu konzentrieren. Ständig kommt Janice hereingelaufen und macht einen Aufstand, weil sie sich nicht sicher ist, wo genau der Eingang zum Zelt hin soll, und Minnie rammt auf der Hälfte von Findet Nemo einen Bleistift in den DVD-Player. So wird es mehr oder weniger siebzehn Uhr, und ich bin noch nicht überTisch 3 hinausgekommen, als ich einen Schlüssel in der Haustür höre. Eilig sammle ich meine Tischkarten zusammen und lasse sie hinter Dads Sound ofthe 70's-CD-Sammlung verschwinden. Als Luke hereinkommt, sitze ich auf dem Sofa und lese ein Buch, das ich noch schnell vom Boden aufgehoben habe.
»Hi, wie war's?« Ich blicke auf.
»Gut. Wirklich gut.« Luke strahlt sogar noch triumphierender als am Morgen. »Sir Bernard ist ein klasse Typ. Er war bei der Sache, hat zugehört, war interessiert, wir haben eine Menge interessanter Nebenaspekte angesprochen ...«
»Fantastisch!« Ich lächle, kann mich aber noch nicht recht entspannen. Ich muss sichergehen. »Also ... musst du am Freitag nicht nach Paris?«