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»Für ein zweijähriges Kind, ja.«  Nanny Sue scheint sich zu amüsieren. »Völlig normal. Sie testet nur die Grenzen aus. Wann hat sie denn übrigens das letzte Mal jemanden mit Ketchup bespritzt?« 

»Nun ... « Etwas unsicher sieht Luke mich an. »Also ... das weiß ich gerade nicht. Es ist schon eine Weile her.«

»Sie ist stur. Und gelegentlich scheint sie die Oberhand zu gewinnen. Ich schlage vor, dass ich einen Tag mit Ihnen verbringe und Ihnen ein paar Ratschläge gebe, wie Sie Minnies wilderes Gebaren lenken können. Aber ich möchte wirklich nicht, dass Sie glauben, Sie hätten ein Problemkind. Minnie ist ein ganz normales Kind. Und ein wirklich süßes Kind dazu.« 

Ich bin so verdutzt, dass ich gar nicht weiß, was ich dazu sagen soll.

»Sie ist sehr intelligent«, fügt Nanny Sue hinzu, »was eine Herausforderung wird, wenn sie etwas älter ist. Intelligente Kinder testen ihre Eltern oft am meisten aus ... « 

Dann fangt sie wieder von den Grenzen an, aber ich freue mich viel zu sehr, als dass ich ihr weiter zuhöre. Minnie ist intelligent! Nanny Sue hat gesagt, mein Kind ist intelligent! Eine echte Expertin aus dem Fernsehen!

»Sie wollen uns also kein Boot Camp vorschlagen?“, breche ich beschwingt in ihren Vortrag ein.

»Oh, das habe ich nicht gesagt.“ Nanny Sues Miene verdüstert sich. »Wie bereits erwähnt, ist mir bei meinen Beobachtungen sehr wohl etwas aufgefallen. Und es hat mich doch beunruhigt. Sehen Sie hier ... „

Sie drückt eine Taste, und der Film fangt an -doch zu meiner Überraschung ist auf dem Bildschirm nicht Minnie zu sehen. Da bin ich. Ich sitze im Taxi auf dem Weg zum Einkaufszentrum, und die Kamera zoomt auf meine Hände.

»Wo seid ihr da?“ Luke versucht, auf dem Bildschirm etwas zu erkennen. »In einem Taxi?“

»Wir sind ... unterwegs. Müssen wir uns das wirklich ansehen?“ Ich will den Bildschirm schon zuklappen, doch Nanny Sue nimmt ihn sanft aus meiner Reichweite.

»Vielleicht könnten wir mal einen Blick in dieses neue Shopping Center werfen, statt zum Turnen zu fahren«, höre ich mich auf dem Bildschirm sagen.

»Becky, ich möchte, dass Sie sich Ihre Hände ansehen.«  Nanny Sue zeigt mit einem Bleistift. »Sie zittern. Sehen Sie, wie Ihre Finger zucken? Es fing an, als Sie das Schild des Shopping Centers zum ersten Mal sahen, und ich glaube, es hörte erst auf, nachdem Sie etwas gekauft hatten.« »Manchmal zucken meine Finger eben.« Ich stoße ein kleines Lachen aus. Aber Nanny Sue schüttelt den Kopf. »Ich möchte Sie nicht beunruhigen, Becky ... aber ist Ihnen schon mal in den Sinn gekommen, dass Sie vielleicht shoppingsüchtig sein könnten?«

Luke gibt ein unvermitteltes Schnauben von sich, das ich ignoriere. »Shopping?«, wiederhole ich schließlich, als wäre ich mir nicht mal ganz sicher, was das Wort bedeutet. »Äh ... ich glaube nicht ..

»Sehen Sie sich Ihren Unterkiefer an. Wie verkrampft er ist!« Sie deutet auf den Bildschirm. »Sehen Sie sich an, wie Sie mit den Fingern auf dem Sitz herumtrommeln.«

Ehrlich. Darf man jetzt schon nicht mehr auf dem Sitz trommeln?

»Sie strahlen eine gewisse Verzweiflung aus«, beharrt Nanny Sue. »In meinen Augen ist das eine Reaktion, die über das normale Maß hinausgeht.«

»Nein, ist es nicht!« Ich merke, dass ich zu bockig klinge, und rudere sofort zurück. »Hören Sie. Ich war eine Weile nicht shoppen, und das ist ein nagelneues Shopping Center, ich bin auch nur ein Mensch! Es gab etwas umsonst! Es gab Jimmy Choo für die Hälfte! Und Burberry! Da würden doch jedem die Finger zucken!«

Nanny Sue sieht mich einen Moment an, als hätte ich irgendwelches Kauderwelsch geredet, dann wendet sie sich Luke zu.

»Ich bin dabei, neue Behandlungsprogramme für Erwachsene einzuführen. Dabei wird es um alle möglichen Störungen gehen, von Suchtverhalten über Aggressionen ... «

»Moment mal eben!« Ungläubig falle ich ihr ins Wort. »Soll das heißen, Sie wollen mich in ein Boot Camp schicken? Luke, kannst du das glauben?«

Ich sehe ihn an, warte, dass er lacht und sagt: »Was für eine lächerliche Idee.« Aber er runzelt nur sorgenvoll die Stirn.

»Becky, ich dachte, du hättest gesagt, du wolltest eine Weile nicht shoppen gehen. Ich dachte, wir hätten eine Vereinbarung.«

»Ich war nicht für mich shoppen«, sage ich ungeduldig. »Ich habe nur ein paar notwendige Kleinigkeiten für Minnie gekauft. Und die waren alle heruntergesetzt!« 

»Wie Sie leben wollen, ist selbstverständlich Ihre Sache«, sagt Nanny Sue. »Allerdings habe ich die Sorge, dass Minnie vielleicht einige Ihrer Neigungen übernimmt. Schon jetzt verfügt sie über ausgesprochen fortgeschrittene Kenntnisse von Markennamen, sie scheint über unbegrenzte finanzielle Mittel zu verfügen ...« 

Das geht zu weit.

»Das stimmt nicht!«,  schreie ich gekränkt. »Sie gibt nur ihr Taschengeld aus! Es steht alles in dem kleinen Buch, das ich Ihnen gezeigt habe!« Ich greife in meine Tasche und hole Minnies Taschengeldbüchlein hervor. »Sie erinnern sich?« Ich halte es Nanny Sue hin. »Ich meine, ja, hin und wieder kriegt sie einen kleinen Vorschuss, aber ich habe ihr erklärt, dass sie das Geld zurückzahlen muss.« 

Eine Weile blättert Nanny Sue in dem Buch herum, dann sieht sie mich so seltsam an.

»Wie viel Taschengeld bekommt sie wöchentlich?«

»Fünfzig Pence« , sagt Luke. »Vorläufig.«

Nanny Sue hat aus ihrer Mappe einen Taschenrechner hervorgezaubert und tippt darauf herum. »Nach meinen Berechnungen ...« , gelassen blickt sie auf, » ... hat Minnie ihr Taschengeld bis zum Jahr 2103 ausgegeben.« 

»Wie bitte?«, Verunsichert starre ich sie an.

»Wie bitte?«, Luke reißt ihr das Büchlein weg und fängt an, darin herumzublättern. »Was zum Teufel hat sie denn gekauft?« »Gar nicht so viel ... « 

Bis zum Jahr 2103? Kann das stimmen? Panisch versuche ich, es im Kopf durchzurechnen, während Luke die Einträge in Minnies Büchlein untersucht, als wäre er von der Gestapo.

»Sechs Puppen?« Er zeigt auf eine Seite. »An einem Tag?« »Die gehörten zusammen.«  sage ich trotzig. »Und sie haben französische Namen! Das hilft ihr mit der Sprache!«  »Was ist das hier?« Er ist schon auf einer anderen Seite. »Junior-Dolce-Boots?«  »Die hat sie neulich getragen! Diese kleinen Wildleder stiefel. Du hast gesagt, wie hübsch sie aussehen!« 

»Ich wusste ja nicht, dass sie zweihundert Pfund kosten!«, platzt er heraus. »Ich meine, Herrgott noch mal, Becky, sie ist ein kleines Kind! Wozu braucht sie Designerstiefel?« 

Er sieht richtig schockiert aus. Ehrlich gesagt, bin ich selbst etwas schockiert. Vielleicht hätte ich zwischendurch doch mal die Ausgaben zusammenzählen sollen.

»Okay, ich behalte ihr Taschengeld vorerst ein ... «  Luke hört mir gar nicht zu. Er hat sich wieder zu Nanny Sue umgedreht. »Sie meinen, wenn wir Becky nicht kurieren, könnte Minnie ebenfalls zum Shopaholic werden?« 

So besorgt habe ich ihn noch nie gesehen.

»Nun, Suchtverhalten wird in Familien bekanntermaßen weitergereicht.« Die beiden reden, als wäre ich gar nicht da.

»Ich bin nicht süchtig«, sage ich wütend. »Und Minnie auch nicht!« Ich reiße ihm das Büchlein aus der Hand. Bestimmt hat Nanny Sue nur falsch addiert. So viel können wir gar nicht ausgegeben haben.

Minnie hat sich wirkungsvoll durch die Shortbread-Kekse auf dem Kaffeetisch gefuttert, doch jetzt fällt ihr das Taschengeldbüchlein auf.