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Sittsam nippe ich an meinem Kaffee, betrachte Luke und versuche, nicht zu lächeln. Endlich legt er auf. Er sieht erschüttert aus.

»Ach, du Schande!« Er sinkt in die Kissen. »Das war Gary. Ich glaube, er hat einen Nervenzusammenbruch.«

»Gibt's ja nicht!«, rufe ich theatralisch.

Der gute, alte Gary. Ich wusste doch, dass er mich nicht im Stich lässt.

»Er sagt, wir müssen uns dringend treffen, über die Firma reden, über sein Leben, wie er den Druck loswerden kann. Er klang absolut verzweifelt. Ausgerechnet Gary!« Luke sieht aus, als fehlten ihm die Worte. »Ich meine, er ist der letzte Mensch auf der Welt, von dem ich erwarten würde, dass er zusammenbricht. Er war immer so ausgeglichen. Er sagt, er kann London nicht mehr ertragen. Er will sich mit mir an irgendeinem abgelegenen Ort im New Forest treffen. Du meine Güte!«

Es ist das Ferienhaus, zu dem Gary immer mit seiner Familie fahrt. Da gibt es kein Handynetz, kein Internet und auch kein Fernsehen. Gary und ich hatten heute Morgen ein kleines Pläuschchen. Er meinte, er könnte die Sache mit dem Nervenzusammenbruch den Vormittag über durchhalten, und danach würde uns schon noch was einfallen.

»Du musst dich um Gary kümmern«, sage ich ernst. »Schließlich ist er deine rechte Hand. Ich finde, du solltest hinfahren und ihn anhören. Sonst macht er noch Dummheiten«, füge ich eilig hinzu, als Luke zu zögern scheint. »Das Risiko willst du doch nicht eingehen, oder? Ruf Bonnie an, und bitte sie, deine Termine zu verlegen.« Schon will Luke nach dem BlackBerry in seiner Tasche greifen, als ihm etwas einfällt. »Das kann ja wohl nicht wahr sein ...« Leise fluchend langt er nach dem Festnetztelefon. »Ich weiß nicht mal ihre Nummer.«

»Die ist.. .« Gerade noch rechtzeitig beiße ich mir auf die Zunge. Verdammt. Ich werde unvorsichtig. »Am besten lässt du dich von der Zentrale durchstellen«, sage ich eilig. »Hier!« Ich reiche ihm einen alten Notizblock von Brandon Communications, und mühsam tippt Luke die Nummer ein, mit finsterer Miene im Gesicht.

Ich muss mir direkt auf die Lippe beißen, um nicht zu grinsen. Er ist total gereizt.

»Hi, Maureen. Hier ist Luke. Könnten Sie mich zu Bonnie durchstellen?« Er nimmt einen Schluck Kaffee. »Bonnie. Gott sei Dank. Sie glauben nicht, was hier gerade los ist. Ich habe weder meinen BlackBerry noch mein Notebook, und eben kriege ich so einen merkwürdigen Anruf von Gary, und ich habe keine Ahnung, wie ich das alles unter einen Hut ... « Er stutzt, und ich sehe, wie sich sein Gesicht allmählich entspannt.

»Oh, ich danke Ihnen, Bonnie«, sagt er schließlich. »Das wäre großartig. Dann reden wir später. Haben Sie unsere Privatnummer? Okay. Und ... danke.« Er legt den Hörer auf und sieht mich an. »Bonnie lässt mir per Kurier ein neues Notebook bringen, während ich bei Gary bin. Wenn du es entgegennehmen würdest, könnte ich es auf dem Rückweg zum Büro hier abholen.«

»Was für eine großartige Idee!«, rufe ich, als wäre es mir neu und ich hätte nicht schon mindestens fünfzig E-Mails zu dem Thema hin und her geschickt. »Gut, dass Bonnie so tüchtig ist, nicht?«, kann ich mir nicht verkneifen.

Bonnie schickt uns ein präpariertes Notebook, das sich aufgrund eines, »Serverfehlers« nicht ins Internet einloggen kann. Die technische Abteilung hat außerdem Lukes E-Mail-Konto lahmgelegt und eine Attrappe eingerichtet. Diese will Bonnie mit so vielen E-Mails bestücken, dass er beschäftigt ist und keinen Verdacht schöpft -sonst aber nichts. Wir schneiden ihn mehr oder weniger von der virtuellen Zivilisation ab.

»Und sie besorgt mir einen Wagen, der mich zu Gary bringt. Er müsste in etwa zwanzig Minuten hier sein.« Stirnrunzelnd sieht sich Luke im Zimmer um. »Ich weiß genau, dass ich mein Notebook gestern Abend bei mir hatte. Ich weiß es genau.«

»Mach dir keine Gedanken um das Notebook«, sage ich tröstend wie zu einem psychotischen Patienten. »Was hältst du davon, wenn du Minnie anziehst?«

Mein BlackBerry meldet mir vibrierend einen Anruf, und sobald Luke außer Hörweite ist, greife ich ihn mir und gehe ran, ohne vorher einen Blick darauf geworfen zu haben.

»Hi, Bonnie?«

»Nein, hier ist Davina.«

Ich bin dermaßen mit meinen Gedanken bei den heutigen Ereignissen, dass ich eine Nanosekunde brauche, bis ich begreife, wer dran ist. »Davina?« Ich kann meine Überraschung nicht verbergen. »Hi! Wie geht es Ihnen?«

»Becky! Sie Ärmste! Das ist ja schrecklich!« Einen desorientierten Augenblick lang denke ich, sie meint, dass die Sache mit der Party fast herausgekommen wäre. Dann erst merke ich, wovon sie spricht.

»Ach, das.« Ich verziehe das Gesicht. »Ja, ich weiß.«

»Was ist denn passiert?«

Ich könnte echt darauf verzichten, die ganze Sache noch mal durchzugehen. Irgendwie hatte ich es geschafft, nicht mehr daran zu denken.

»Na ja, mein Chef hat das mit dem »Shop in Private Service rausgefunden.« Ich spreche ganz leise. »Und es hat ihm nicht gefallen. Also hat man meinen Arbeitsvertrag vorläufig ausgesetzt und eine Untersuchung des ganzen Vorfalls angekündigt.« Ehrlich gesagt waren die letzten paar Tage so hektisch, dass ich überhaupt nicht an diese Untersuchung gedacht habe.

»Aber Sie haben uns das Leben gerettet!« Leidenschaft spricht aus Davinas Stimme. »Wir sind uns alle einig, dass wir es uns nicht gefallen lassen. Wir haben uns gestern getroffen ein paar von Ihren Stammkundinnen. Jasmine hat die Nachricht verbreitet, und dann haben wir uns auf einer E-Mail-Liste eingetragen ... «

»Jasmine?« Ich kann nicht glauben, dass Jasmine die Truppen zusammengetrommelt hat.

»Wir werden es nicht zulassen! Wir werden etwas unternehmen. Und dieser Chef, den Sie da haben, wird sich noch wünschen, er hätte sich nie mit Ihnen angelegt.«

Sie ist so wütend, dass ich ganz gerührt bin. Von Jasmine auch. Obwohl, mal ehrlich: Was können die denn schon machen? Höchstens einen gemeinsamen Beschwerdebrief schreiben.

»Also ... danke, Davina. Ich bin Ihnen wirklich dankbar.«

»Ich halte Sie auf dem Laufenden. Aber eigentlich wollte ich fragen, ob ich irgendwas für Sie tun kann? Ich habe den ganzen Tag frei, und wenn Sie vielleicht reden möchten, wenn Sie etwas Aufheiterung brauchen ... «

Eine Woge der Dankbarkeit ergreift mich. Davina ist wirklich ein Schatz. »Danke, eigentlich nicht.« Es sei denn, Sie könnten irgendwie meinen Mann ablenken ...

Oh. Abrupt stehen meine Gedanken still. Davina ist doch Ärztin, oder? Also könnte sie vielleicht ... Nein. Darum kann ich sie nicht bitten. Das wäre doch ein allzu großer Gefallen. Aber es würde mir das Leben retten, und sie hat es mir angeboten ...

»Offen gesagt, gibt es da etwas, das mir wirklich helfen würde«, sage ich vorsichtig. »Aber der Gefallen wäre ziemlich groß ... «

»Alles! Sagen Sie es einfach!«

Davina ist einfach die Größte. Bis Luke wieder mit Minnie zurückkommt, steht der Plan fest. Davina und ich haben Bonnie jeweils eine SMS geschickt. Alles ist vereinbart. Hastig schiebe ich meinen BlackBerry unter die Decke und lächle Luke an, als -wie verabredet -das Telefon klingelt.

»Oh, hi, Bonnie!«, sage ich unschuldig. »Ja, Luke ist hier. Möchten Sie ihn sprechen?« 

Ich reiche ihm den Hörer, und diesmal muss ich mir noch fester auf die Lippe beißen, als Lukes Gesicht lang und immer länger wird.

»Eine dringende medizinische Untersuchung?« wettert er schließlich.

Oh, Gott, ich darf nicht lachen. Ich darf nicht!