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Ich bin am Boden zerstört. Ich will es nicht dabei belassen. Ich will zwei Kinder mit Bommelhüten.

»Luke, ich habe es mir wirklich gut überlegt. Ich möchte nicht, dass Minnie als Einzelkind aufwächst. Und ich möchte, dass unsere Kinder alters mäßig nah beieinander sind, nicht Jahre auseinander. Und ich habe Gutscheine im Wert von mehreren hundert Pfund für Baby World, die ich nie ausgegeben habe!« füge ich hinzu, weil es mir plötzlich einfällt. »Die laufen bald ab.« 

»Becky.« Luke rollt mit den Augen. »Wir werden nicht noch ein Kind bekommen, weil wir ein paar Gutscheine für Baby World haben.« 

»Das ist ja nicht der einzige Grund!«, sage ich beleidigt. »Das wäre nur ein weiterer Grund.« War klar, dass er sich darauf stürzt. Er will nur dem eigentlichen Thema ausweichen. »Also, was willst du mir damit sagen? Dass du überhaupt kein Baby mehr möchtest?« 

Trotz blitzt in Lukes Miene auf. Er antwortet nicht, sondern packt das Geschenk zu Ende ein, knickt alle Ecken um und streicht das Tesa glatt. Er sieht aus wie jemand, der einem Gespräch ausweichen möchte, das ihn an seinem wunden Punkt erwischt hat.

Mit wachsender Bestürzung sehe ich ihn mir an. Seit wann ist denn ein zweites Baby bei Luke ein wunder Punkt? »Vielleicht hätte ich gern noch ein Kind«, sagt er schließlich. »Theoretisch. Eines Tages.« 

Tja, er könnte nicht weniger begeistert klingen.

»Gut.« Ich schlucke. »Verstehe.« 

»Becky, versteh mich nicht falsch. Minnie zu bekommen war ... unbeschreiblich. Ich liebe sie von ganzem Herzen, das weißt du.« Er sieht mir offen in die Augen, und ich bin zu ehrlich, als dass ich irgendetwas anderes tun könnte, als zu nicken.

»Aber wir sind nicht bereit für noch ein Kind. Sieh den Tatsachen ins Gesicht, Becky. Es war ein mörderisches Jahr, wir haben noch nicht mal ein eigenes Zuhause, Minnie ist ein echter Wildfang, wir haben auch so schon genug um die Ohren ... Lass es uns fürs Erste vergessen. Freuen wir uns über Weihnachten, über uns drei. Lass uns später noch mal drüber reden, in einem Jahr vielleicht.« 

In einem Jahr?

»Aber das ist ja eine Ewigkeit.« Zu meinem Entsetzen bebt meine Stimme leicht. »Ich hatte gehofft, wir könnten nächstes Weihnachten schon ein neues Baby haben! Ich habe sogar schon die perfekten Namen gefunden, falls es heute klappt. Nikolaus oder Schneeflöckchen.«

»Ach, Becky.« Luke nimmt meine Hände und seufzt. »Wenn wir doch nur einen Tag ohne größeren Zwischenfall hinter uns bringen könnten, wäre mir vielleicht anders zumute.« 

»SO schlimm ist sie auch wieder nicht!« Er richtet sich auf. »Gab es denn einen einzigen Tag, an dem Minnie nicht irgendwie Chaos angerichtet hat?« 

»Okay« , sage ich etwas widerborstig. »Wart's ab. Ich werde ein kleines Buch anlegen, in dem ich etwaige Zwischenfälle notiere, und ich wette, es wird keinen einzigen Eintrag geben. Ich wette, Minnie ist ab jetzt ein Engel.« 

Schweigend mache ich mich wieder daran, Geschenke einzupacken, und reiße das Klebeband mit Gewalt ab, um zu zeigen, wie verletzt ich bin. Wahrscheinlich wollte er von vornherein gar keine Kinder. Wahrscheinlich verachtet er mich und Minnie. Wahrscheinlich wünscht er sich, er wäre nach wie vor Junggeselle und könnte den ganzen Tag mit seinem Sportwagen durch die Gegend geigen. Ich wusste es.

»Sind das jetzt alle Geschenke?«, sage ich schließlich und klebe dabei eine große, gepunktete Schleife auf das letzte Päckchen.

»Ehrlich gesagt ... eins habe ich noch.« Luke sieht etwas verlegen aus. »Ich konnte nicht widerstehen.« 

Er geht zum Wandschrank und wühlt darin herum, hinter seinen Schuhen. Als er sich umdreht, hält er einen vergammelten Pappkarton in der Hand. Er stellt ihn auf den Teppich und holt vorsichtig ein altes Puppentheater hervor. Es ist aus Holz, die Farbe leicht verblasst, mit echten kleinen Samtvorhängen und sogar winzigen Bühnenscheinwerfern.

»WOW«, hauche ich. »Das ist ja entzückend! Wo hast du das denn her?« »Hab ich bei eBay gefunden. So eins hatte ich auch als kleiner Junge, genau so eins. Dieselben Bühnenbilder, Figuren, alles.« 

Gespannt sehe ich zu, wie er an den winzigen Schnüren zieht und sich die Vorhänge quietschend öffnen. Die Bühne ist mit Bühnenbildern für Shakespeares Sommernachtstraum ausgestattet, erstaunlich detailliert gemalt. Eines zeigt eine Innenszene mit Säulen, ein anderes ein Wäldchen mit einem kleinen Bach mit moosigem Ufer, wieder ein anderes einen großen Wald mit den fernen Türmen einer Burg im Hintergrund. Es gibt kleine Holzfiguren in Kostümen und sogar eine mit einem Eselskopf. Das muss ... Puck sein.

Nein, nicht Puck. Der andere. Oberon. Okay, sobald Luke unten ist, werde ich schnell mal Ein Sommernachtstraum googeln.

»Das habe ich immer mit Annabel gespielt.« Wie in Trance starrt Luke das kleine Theater an. »Wie alt mag ich da gewesen sein? Sechs? Es war, als wäre ich in einer anderen Welt. Guck mal, die Bühnenbilder laufen auf kleinen Rädern. Das ist feinste Handwerkskunst.«

Als ich sehe, wie er die Figuren hin und her schiebt, sticht mich das schlechte Gewissen. Ich wusste gar nicht, dass Luke eine nostalgische Ader hat. Überhaupt nicht.

»Pass gut auf, dass Minnie es nicht kaputt macht«, sage ich sanft. »Keine Sorge.« Er lächelt. »Weihnachten gibt es sogar eine kleine Vater-Tochter-Aufführung.«

Jetzt schäme ich mich ein bisschen. Ich nehme alles zurück. Vielleicht verachtet Luke mich und Minnie doch nicht. Er hatte ein schweres Jahr. Das ist alles.

Ich muss mal ein kleines Mama-Minnie-Pläuschchen halten. Ihr die Lage erklären. Dann wird sie sich schon bessern, und Luke überlegt es sich noch mal, und alles wird gut.

3

Okay, Weihnachten zählt nicht. Das weiß jeder.

Man kann von einem Kleinkind nicht erwarten, dass es sich perfekt benimmt, wenn alles so aufregend und festlich geschmückt ist und es überall Süßigkeiten gibt. Und es ist auch kein Wunder, dass Minnie um drei Uhr nachts aufwacht und mit ihrem Geschrei alle aus den Betten holt. Sie wollte nur, dass wir uns ihren Weihnachtsstrumpf ansehen. Das wäre jedem so ergangen.

Jedenfalls habe ich schon die erste Seite aus dem kleinen Buch mit den Zwischenfällen herausgerissen und in den Reißwolf gesteckt. Jeder darf mal mit dem falschen Fuß zuerst aufstehen.

Ich nehme einen Schluck Kaffee und greife fröhlich nach einem Quality-Street-Bonbon. Gott, ich liebe Weihnachten. Das ganze Haus duftet nach Truthahnbraten, Weihnachtslieder säuseln aus der Stereoanlage, und Dad knackt Nüsse am Kamin. Unwillkürlich spüre ich so ein warmes Leuchten in mir, als ich mich im Wohnzimmer umsehe: der Baum, an dem die Lichter funkeln, die kleinen Krippenfiguren, die wir schon hatten, als ich ganz klein war (das Jesuskind ging vor Jahren verloren, aber an seiner Stelle nehmen wir immer eine Wäscheklammer).

Als Minnie heute Morgen ihren Strumpf sah, wurden ihre Augen groß wie Untertassen. Sie konnte es einfach nicht glauben. Immer wieder sagte sie: »Strumpf? Strumpj?«, absolut fassungslos.

»Becky, Schätzchen«, ruft Mum. Ich gehe auf den Flur hinaus und sehe sie mit einer Weihnachtsmannschürze in der Küchentür stehen. »Welche Knallbonbons wollen wir zum Mittagessen? >Lustige Spielchen< oder >Luxusgaben<?«

»Was ist mit denen, die du vom Deutschen Weihnachtsmarkt hast?«, schlage ich vor. »Die mit dem kleinen Holzspielzeug?«