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»Das ist doch nicht Ihr Ernst!«, ruft er. »Wie kann das so dringend sein, verdammt? Na, dann sagen Sie denen eben, ich kann nicht.« Ich sehe ihm an, wie er immer frustrierter wird. »Na, dann sagen Sie der Versicherung, die können mich mal. Na, dann ... « 

Die gute Bonnie. Offenbar spielt sie ihre Rolle am anderen Ende absolut glaubwürdig.

»Das darf doch wohl nicht wahr sein!« Endlich knallt er den Hörer auf. »Offensichtlich muss ich heute Nachmittag eine ausführliche medizinische Untersuchung über mich ergehen lassen. Irgendein Versicherungsscheiß.« 

»Das ist ja blöd!«, sage ich mitfühlend.

Davina hat versprochen, Luke die denkbar ausführlichste Untersuchung angedeihen zu lassen. Sie wird mindestens sechs Stunden dauern, er wird in einem Krankenhauskittel stecken und weder sein Notebook noch sein Handy benutzen können, und niemand kann Kontakt zu ihm aufnehmen.

»Dieser Tag ist absolut haarsträubend ... « Er fährt sich mit den Händen durch die Haare und sieht aus, als stünde er total unter Druck.

Luke ist es nicht gewohnt, dass sich etwas seiner Kontrolle entzieht. Fast täte er mir leid, wenn mir nicht derart zum Lachen zumute wäre.

»Ist doch nicht so schlimm.« Liebevoll drücke ich seine Hand. »Spiel einfach mit.« Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. »Müsste der Wagen nicht jeden Moment da sein? Solltest du dich nicht bereit machen?« 

Als Luke seine Jacke anzieht, summt eine SMS in meinem BlackBerry, und ich klicke sie heimlich an. Sie ist von Bonnie kurz und knapp.

Becky. Haben Sie YouTube gesehen?

Okay. Gerade wenn ich denke, dass absolut alles passiert ist, was passieren kann, kommt schon wieder was. Die Marketing-Abteilung von Foreland Investments hat ein Video gedreht, in dem alle Happy Birthday, Luke!, in die Kamera sagen, und sie haben es bei YouTube reingestellt, unter dem Titel »Happy Birthday, Luke Brandon!« 

Ich bin hin und her gerissen, ob ich total gerührt sein oder total die Wände hochgehen soll. Ich meine: YouTube. Meine Güte, hätten sie nicht was weniger Diskretes machen können? Hätten sie es nicht erst morgen Abend reinstelIen können? Jedes Mal, wenn ich es anklicke, brauche ich ein paar Bachblüten-Notfalltropfen.

Bis zehn Uhr hat das Video schon 145 Klicks, wobei nicht mehr als zehn von mir sind. Bis elf Uhr -als Janice und Suze kommen -sind es schon 1.678, und ungläubig muss ich mitansehen, dass zwei weitere Videos gepostet wurden. Eins stammt von der Sacrum-Vermögensberatung, auf dem jemand auf einem Schreibtisch »Happy Birthday, Luke Brandon«,  mit Büroklammern geschrieben hat. Das andere kommt von Wetherby's, und darauf singt die versammelte Marketing-Abteilung >Happy Birthday< in die Kamera.

»Das ist so cool!« Fassungslos starrt Suze mein Notebook an.

»Ich weiß.« Ich bin auch richtig stolz. Ich meine, alle diese Leute müssen Luke doch wirklich mögen, wenn sie sich die Mühe machen, ein Video für ihn zu drehen. Aber ich bin doch auch etwas nervös. »Was ist, wenn er es sieht?«

»Er wird es schon nicht sehen«, sagt Suze zuversichtlich. »Was soll er denn bei YouTube? Ich wette, er geht nie zu YouTube. Er hat viel zu viel zu tun. Nur Trauerklöße wie du und ich sind dauernd online.«

Gerade will ich einwenden, dass ich kein Trauerkloß bin, als es an der Tür klingelt und wir alle zusammenzucken. »Das wird er doch wohl nicht sein, oder?«, flüstert Janice stöhnend und schlägt eine Hand auf ihr Herz. Ehrlich. Janice übertreibt völlig. Ich habe meinen Kaffee fast gar nicht verschüttet.

»Natürlich nicht. Das sind bestimmt die Zeltleute.«

Aber sie sind es nicht. Es ist Danny. Er steht vor der Tür, in einem ramponierten Ledermantel, zerfetzten Jeans und silbernen Converse-Tretern, mit einem Haufen Kleiderbeuteln in Händen.

»Jemand ein Kostüm?«, sagt er mit unbewegter Miene. »Danny, du bist ein Schatz!« Ich greife mir die Tüten. »Ich kann gar nicht glauben, dass du es wirklich getan hast!«

Ich spähe in eine der Tüten und sehe Goldbrokat aufblitzen, mit glitzernder Spitze besetzt. Oh, mein Gott. Die sind perfekt!

»Ich musste es einfach tun. Meine Güte! Deine Schwiegermutter ist aber auch ein echter Stalin. Der schlimmste Chef, den ich je hatte.« Ängstlich sieht er sich um. »Sie ist doch nicht hier, oder?«

»Noch nicht«, sage ich beruhigend. »Aber Suze ist da. Sei vorsichtig. Sie ist immer noch sauer auf dich wegen dieser Sache mit den Fotos.«

»Oh.« Danny wird es unbehaglich, und er tritt einen Schritt zurück. »Suze hat einfach kein Gespür für Ästhetik. Du musst bedenken, dass sie im Grunde ihres Herzens kein kreativer Mensch ist ... «

»Ist sie wohl! Sie ist eine echte Künstlerin! Sieh dir ihre Bilderrahmen an!« »Stimmt auch wieder.« Danny versucht eine andere Strategie. »Na gut, okay, sie ist ein kreativer Mensch, aber sie hat überhaupt nicht begriffen, auf welchen Look ich aus war ...«

»Habe ich wohl!«, Suzes grimmige Stimme wird hinter mir laut. »Ich habe den Look«  genau durchschaut! Tarkie hat sich von dir einwickeln lassen, Danny! Gib es zu!« 

Schweigend sieht Danny sie einen Moment lang an. Er scheint seinen nächsten Schachzug zu bedenken. »Wenn ich es zugebe«, sagt er schließlich, »würdest du mir dann verzeihen, keine weiteren Fragen stellen und wieder so sein wie vorher?« 

»Ich ...«, Suze zögert. »Also ... wahrscheinlich.« 

»Okay, ich habe ihn bequatscht. Ich hab dich auch lieb.« Danny gibt ihr einen Kuss auf die Wange und marschiert an mir vorbei ins Haus. »Gibt es bei euch Kaffee? Janice!«  Er begrüßt sie überschwänglich. »Meine Stilikone! Meine Muse! Was ist das nur wieder für eine zauberhafte Lippenstiftfarbe!« 

»Er ist ... unmöglich!« 

Suze sieht so böse aus, dass ich lachen möchte. Doch ein Geräusch von draußen lenkt mich ab. Ein großer Lastwagen biegt in Janices Auffahrt ein. Er piept beim Zurücksetzen, und ein Mann in Jeans weist ihn ein. Das muss das Festzelt sein!

Okay. Jetzt geht die Party richtig los.

Um vier Uhr nachmittags ist das Zelt in Janices Garten aufgestellt. Es ist noch nicht dekoriert, sieht aber trotzdem schon toll aus, so groß und bauschig. (Mein kleiner Pavillon steht auch schon auf der anderen Seite. Elinors Zeltleute haben mich endlos damit aufgezogen.) Ich muss dafür sorgen, dass Luke nichts sieht, aber wenn er heute Abend nach Hause kommt, ist es sowieso schon dunkel. Janice wollte, dass ich unsere Vorhänge zusammennähe, was ich dann doch ein bisschen übertrieben fand.

Gary konnte seinen Nervenzusammenbruch drei Stunden durchhalten, und jetzt ist Luke bei Davina und lässt sich in irgendeinem Kellerraum ihres Krankenhauses untersuchen. Gerade eben hat sie angerufen, um mich auf den neuesten Stand zu bringen.

»Ich habe ihn für eine Stunde aufs Laufband gestellt, um sein Herz zu prüfen. So richtig Spaß hat er nicht daran«, fügt sie fröhlich hinzu. »Wohin soll er denn von hier aus gehen«

»Ich ... weiß noch nicht genau«, muss ich zugeben. »Ich rufe Sie zurück.«

Den nächsten Teil meines Luke-Beschäftigungs-Programms habe ich noch nicht ausgearbeitet, und langsam mache ich mir Sorgen, besonders da es mittlerweile dreizehn »Happy Birthday, Luke Brandon«-Videos bei YouTube gibt. Den ganzen Tag ist Martin schon online und ruft ständig: »Da ist schon wieder ein neues!« Und dann hat jemand eine Website mit dem Namen happybirthdaylukebrandon.com eingerichtet, die alle miteinander verlinkt und die Leute auffordert, ihre lustigen/netten/ pikanten Geschichten über den »König der Meinungsmacher« zu posten, wie man Luke offenbar nennt.