Ich weiß bald nicht mehr, was ich dazu sagen soll. Wer macht das alles? Danny hat die Theorie geäußert, dass im Moment in der Londoner City kein Mensch mehr arbeitet und sich alle langweilen, sodass sie sich über jede kleine Abwechslung freuen.
»Nummer vierzehn ist gerade reingekommen«, ruft Martin von seinem Notebook herüber, als ich den Hörer auflege. »Irgendwelche Mädchen von Prestwick PR, die Happy Birthday (wie Marilyn Monroe singen) Nackt «, fügt er hinzu.
»Nackt?«Ich renne hinüber, mit Suze auf den Fersen.
Okay, also ... sie sind nicht völlig nackt. Die entscheidenden Stellen werden von Büropflanzen und Aktenordnern und einem Fotokopierer verdeckt. Aber ehrlich. Wissen die eigentlich nicht, dass Luke verheiratet ist? Besonders die eine mit den dunklen Locken und dem ausgeprägten Hüftschwung. Ich hoffe, die kommt nicht zur Party.
»Was hast du denn mit Luke als Nächstes vor?«, sagt Suze, die mein Gespräch mit Davina gehört hat. »Ich meine, er kann ja nicht den ganzen Tag untersucht werden, oder? Der tobt inzwischen doch bestimmt.«
»Ich weiß.« Ich beiße mir auf die Lippe. »Ich dachte, ich bitte Bonnie, ihm unendlich viele Mails zu schicken. Und stapelweise Akten, die er alle sofort lesen muss.«
»Und morgen?«, meint Suze.
»Weiß nicht. Vielleicht noch mehr Akten.«
Suze schüttelt den Kopf. »Du brauchst was Größeres. Womit könntest du garantiert seine Aufmerksamkeit erregen? Bei Tarkie wüsste ich sofort, was ich sagen würde. Ich würde sagen, die Historische Gesellschaft hat angerufen, weil sie Beweise haben, dass Ur-ur-ur-Onkel Albert die Kanone doch nicht selbst abgefeuert hat. Er würde auf der Stelle alles stehen und liegen lassen.«
»Wow« Voller Bewunderung starre ich Suze an. »Das ist echt speziell. Wer war Ur-ur-ur-Onkel Albert?« Suze verzieht das Gesicht. »Es ist eher langweilig. Willst du es wirklich wissen?«
Hm. Vielleicht lieber nicht.
»Entscheidend ist, dass ich weiß, womit ich Tarkie ablenken kann«, sagt Suze. »Du kennst Luke doch. Also, was wäre das bei ihm?«
»Ein Problem bei der Arbeit«, sage ich nach kurzer Überlegung. »Was anderes fällt mir nicht ein. Er ist immer gleich zur Stelle, wenn ein großer Kunde Schwierigkeiten hat.«
»Und könntest du so ein Problem erfinden?« »Vielleicht.« Spontan greife ich nach meinem Handy und rufe Bonnie an.
»Hey, Bonnie. Ich brauche Hilfe, um Luke noch weiter abzulenken. Man kann seinem Geburtstag ja gar nicht mehr entgehen. Haben Sie noch mal bei YouTube reingesehen.«
»Ach, Becky«, sagt Bonnie betrübt. ,)Ich fühle mich so schuldig. Hätte ich doch diese E-Mail nur nie abgeschickt.. .«
»Machen Sie sich darum jetzt keine Gedanken«, sage ich eilig. »Vielleicht können wir den Umstand sogar nutzen, dass alle Bescheid wissen. Könnten Sie seinen Klienten in einer Rundmail sagen, dass wir ihn bis morgen Abend ablenken müssen, und sie bitten, sich irgendein Problem auszudenken, mit dem er beschäftigt wäre?“
»Was für ein Problem denn?«, sagt Bonnie zweifelnd.
»Ich weiß nicht! Sie könnten so tun, als würden sie pleitegehen, oder einen Sexskandal erfinden ... irgendwas! Nur um ihn ein paar Stunden auf Trab zu halten. Sagen Sie denen, jeder, der irgendeine Idee hat, soll Sie anrufen, und Sie können die Ideen dann koordinieren.“
Einer seiner Klienten wird sich schon was Schlaues überlegen. Ich meine, wenn sie Videos drehen können, dann können sie sich ja wohl auch eine kleine Krise einfallen lassen, oder?
Schon wieder klingelt mein Telefon, und diesmal sehe ich mir die Nummer vorher an, kenne sie aber nicht.
»Hallo?“
»Rebecca?“, tönt eine fröhliche Stimme.
»Ja«, antworte ich vorsichtig. »Wer ist da?“
»Eric Foreman von der Daily World. Sie erinnern sich an mich?“
»Eric!«, rufe ich freudig aus. »Wie geht es dir?“
Eric ist Journalist bei der Daily World, und ich kannte ihn schon, als er noch Finanzjournalist war. Manchmal habe ich sogar was für ihn geschrieben, aber irgendwann habe ich es aufgegeben, und wir haben uns aus den Augen verloren. Wieso hat er mich aufgestöbert?
».Mir geht es blendend, meine Hübsche. Ich stelle gerade einen Artikel über den Geburtstag deines Mannes für den Lokalteil zusammen und wollte dich um ein Zitat bitten. Oder besser noch, ihn selbst. Ist er da?“
»Was?« Sprachlos starre ich mein Handy an. »Wieso schreibst du über seinen Geburtstag?“
»Machst du Witze? So ein erstklassiger Klatsch und Tratsch? Hast du YouTube gesehen? Hast du gesehen, wie viele Klicks er hat?“
»Ich weiß«, sage ich verzweifelt. »Aber das war so nicht geplant. Es sollte doch ein Geheimnis bleiben!«
Erics brüllendes Gelächter macht mich fast taub. »Ist das dein Zitat?«, sagt er. »Es sollte doch ein Geheimnis bleiben? »Ich habe heute schon acht E-Mails deshalb bekommen. Ich dachte, du hättest die Kampagne selbst angeschoben, meine Liebe!«
»Nein! Ich will, dass es aufhört!«
Wieder brüllt er vor Lachen. »Da ist jetzt nichts mehr zu wollen. Alle wissen davon. Sogar Leute, die ihn gar nicht kennen, geben es weiter. Wusstest du, dass das Marketing-Team von Atlas Fund Management nach Kent in Klausur gegangen ist? Die haben Happy Birthday, Luke mit ihren Autos auf dem Parkplatz geschrieben. Hab gerade das Foto bekommen. Ich werde es morgen drucken, sofern ich nicht noch was Besseres finde.«
»Nein!« Ich schreie fast vor Entsetzen. »Das darfst du nicht! Es soll doch eine Überraschungsparty für Luke sein! Was bedeutet, dass er überrascht sein soll!« Mit wird ganz heiß vor Frust. Will das denn niemand begreifen?
»Ach, das wird ja immer besser. Er hat also keine Ahnung, ja?«
»Nein!«
»Und die Party ist morgen Abend?«
»Ja«, sage ich wie ferngesteuert, dann verfluche ich mich. Eric mag ein Freund sein, aber vor allem ist er Journalist bei der Regenbogenpresse.
»Dann pass mal auf, dass er keine Daily World in die Finger bekommt.« Eric lacht. »Das wird mein Aufmacher. London kann eine kleine Aufheiterung gebrauchen, nach allem, was in letzter Zeit so los gewesen ist. Du, junges Fräulein, hast der Stadt einen Anlass gegeben, sich ein bisschen zu amüsieren. Das will ich niemandem nehmen. Unser Reportagechef wird sich bestimmt auch noch bei dir melden. «
»Aber ... «
»Und wir werden nicht die Einzigen sein. Du solltest deinen Liebsten also besser von der Presse fernhalten.«
»Nein! Das darfst du nicht!«
Aber er hat aufgelegt. Sprachlos starre ich mein Handy an. Das kann nicht wahr sein. Meine ultrageheime Überraschungsparty, von der kein Mensch was wissen sollte... steht morgen in der Zeitung?
Abends habe ich die Lage gerade noch so im Griff, obwohl es inzwischen 23 YouTube-Glückwünsche gibt und Eric schon einen Artikel über Lukes Party auf der Online-Seite der Daily World veröffentlicht hat. Ich habe eine verzweifelte E-Mail an alle Partygäste und Kunden von Brandon Communications geschickt, ihnen mitgeteilt, dass die Party nach wie vor eine Überraschung werden soll, und sie gebeten, dass sie bitte, bitte keinen Kontakt zu Luke aufnehmen.
Bonnie hat per Kurier einen Riesenstapel Akten vorbeigeschickt, der Luke ablenken soll, und ein paar freundliche Klienten haben eingewilligt, ihn morgen mit diversen erfundenen Problemen einzudecken. Leider klingt nichts davon sonderlich überzeugend. Ehrlich gesagt, stehe ich voll unter Strom. Wir haben noch eine ganze Nacht und einen Tag bis zur Party, und die ganze Welt weiß Bescheid, und nebenan flattert ein Riesenfestzelt im Garten. Ich meine, wie soll ich es nur geheim halten?