»Keine Sorge. Jetzt dauert es nicht mehr lange.« Suze gibt mir einen Kuss, hat Mantel und Schal schon an. »Ich muss los. Wir sehen uns morgen, wenn der große Tag gekommen ist!«
»Suze!«, Ich nehme sie bei den Händen. »Ich danke dir. Ich weiß überhaupt nicht, was ich ohne dich gemacht hätte, und ohne Tarkie und ... alles.«
»Sei nicht albern. Es war lustig! Außerdem hat Elinor die meiste Arbeit gemacht. Und, Bex ...« Plötzlich wird sie ernster. »Es wird Luke von den Socken hauen. Ganz bestimmt.«
»Glaubst du wirklich?«, »Ich weiß es. Es wird sensationell.« Sie drückt meine Hände. »Ich muss los, sonst sieht er mich noch.«
Als die Haustür ins Schloss fällt, klingelt mein Handy schon wieder, und ich werfe einen müden Blick darauf. Ich war heute so lange am Telefon, dass meine Stimmbänder gelitten haben. Endlich bringe ich die Energie auf ranzugehen. Ich kenne die Nummer nicht, was mich nicht überrascht .
»Hallo? Hier ist Becky.«
»Becky?«, höre ich eine sanfte, weibliche Stimme. »Sie kennen mich nicht. Mein Name ist Sage Seymour.«
Bitte?
Ein gewaltiger Adrenalinstoß schwappt durch mich hindurch, wie drei Dosen Red Bull und ein Olympiasieg auf einmal. Ich spreche mit Sage Seymour? Sie weiß, wie ich heiße?
Sage Seymour sitzt irgendwo mit einem Handy in der Hand und spricht mit mir. Ich frage mich, was sie wohl anhat. Ich meine, nicht dass ich jetzt pervers wäre. Ich meine eher ...
Komm schon, Becky. Sag was .
»Oh. Oh, hi.« Verzweifelt versuche ich, cool zu klingen, aber meine blöde Stimme ist drei Oktaven hochgerutscht. »Äh, hi! Hi!« Anscheinend komme ich nicht über das Wort »hi« hinaus . Ich habe Ihren Mann engagiert, damit er die PR für mich macht«, sagt sie, und ihr singender Tonfall klingt total vertraut. »Aber das wissen Sie wahrscheinlich.«
Meine Gedanken überschlagen sich. Weiß ich es? Ich meine natürlich: »offiziell« Wenn ich sage, dass Luke mir nichts davon erzählt hat, klingt das komisch? Als wäre es ihm nicht wichtig oder er spräche nicht mit seiner Frau?
»Wie aufregend!« Ich schlucke. »Ich bin ein Riesenfan.« Ich könnte mich erschießen. Ich klinge so was von lahm.
»Es war etwas >ungewöhnlich<. Aber wissen Sie, ich hatte genug von diesen Hollywood-Schwätzern. Ihr Mann hatte in zehn Minuten mehr vernünftige Ideen als jeder Einzelne von diesen Quatschköpfen.«
Mir wird ganz warm vor Stolz. Ich wusste, dass Luke gute Arbeit leistet.
»Also, ich habe von Ihrer Party gehört«, sagt Sage. »Klingt nach 'ner ziemlich großen Geschichte.«
Ja, aber ... woher weiß sie ...
»J-ja«, stottere ich. »Ich meine ... ziemlich groß ...«
»Ich war bei YouTube. Eindrucksvolle Glückwünsche. Dann hat mein Assistent die E-Mail von Bonnie bekommen. Sie müssen Luke ablenken, stimmt's?« »Ja! Übers Internet ist alles rausgekommen, und dabei sollte es doch eine Überraschung werden und ...«
»Wie wäre es, wenn ich ihn für Sie mit Beschlag belege?«, sagt Sage ganz ruhig. »Ich könnte ihn auffordern, ans Set zu kommen. Die Diva raushängen lassen. Ich kann eine ziemlich gute Show hinlegen. Wenn er erst mal am Set ist, kümmern wir uns um ihn. Führen ihn herum, beschäftigen ihn, bis Sie ihn brauchen. Dann setzen wir ihn in einen Wagen.«
»Wow.« Ich schlucke. »Das wäre allerdings der Hammer.«
Ich bin so was von neidisch. Ich möchte zum Filmset. Ich möchte herumgeführt werden. Verzweifelt suche ich nach einem überzeugenden Grund, wieso ich mitkommen sollte, als sie hinzufügt: »Sie waren früher mal im Fernsehen, oder? Morning Coffee?«
»Ja!«, sage ich erstaunt.
»Ich habe Sie oft gesehen, wenn ich frei hatte. Sie waren lustig.«
« Oh ... danke!«, Ich schlucke.
»Wir sollten uns bei Gelegenheit mal auf einen Drink verabreden.«
Es ist völlig verrückt. Ich halte mein Handy fest und frage mich, ob ich das eben geträumt habe. Sage Seymour hat vorgeschlagen, dass wir was zusammen trinken gehen? Ein weltberühmter, Oscar-gekrönter Filmstar hat vorgeschlagen, dass wir uns auf einen Drink verabreden? Mein Leben lang habe ich mir diesen Moment vorgestellt. Ich hatte immer das Gefühl, es würde so kommen. Habe ich es nicht gesagt? Habe ich nicht immer schon gewusst, dass ich dafür gemacht bin, mich unter die Filmstars zu mischen?
Vielleicht werden wir noch richtig gute Freundinnen!
Vielleicht werde ich ihre Brautjungfer. Also, falls sie heiratet oder so. Ich müsste ja nicht die eine sein, die gleich neben ihr steht. Ich könnte auch die dritte von links sein.
»Das wäre ... toll«, bringe ich irgendwie hervor. »Okay. Also, keine Sorge wegen Luke. Wird schon werden. Und viel Glück morgen! Bye, Becky.«
Und schon ist sie wieder weg. Fieberhaft speichere ich ihre Nummer in meinem Handy. Sage Seymour. In meinem Adressbuch. Als wären wir befreundet.
Oh, mein Gott, das ist so cool!
Eilig schicke ich Gary und Bonnie eine Nachricht -Gute Neuigkeiten! Sage Seymour sagt, sie will sich morgen bis zur Party um Luke kümmern -, als ich Lukes Schlüssel in der Haustür klappern höre. Ich werfe mein Handy weg und schnappe mir eine Zeitschrift.
Okay. Benimm dich unauffällig. Ich habe nicht eben gerade mit meiner neuen besten Freundin Sage Seymour geplaudert.
»Hi!« sage ich und blicke auf. »Alles klar? Wie geht's Gary?«
»Was weiß ich ... « Luke schüttelt den Kopf. »Er redet wirres Zeug. Ich habe ihm gesagt, er braucht Urlaub.« Er verzieht das Gesicht, als er seinen Mantel ablegt. »Verdammt noch mal. Mein Arm. Ich habe fünftausend Spritzen gekriegt.«
»Ach du Armer!«, sage ich mitfühlend. »Die waren bestimmt nötig. Schließlich geht es um deine Gesundheit ...«
»So eine Untersuchung habe ich noch nie erlebt. Diese Ärztin hat mich eine Stunde rennen lassen.« Er sieht aus, als könnte er es nicht fassen. »Und ich musste sechs Fragebögen ausfüllen, die sich alle wiederholten. Ich weiß nicht, wer sich so was ausdenkt. Das sind komplette Vollidioten.«
Davina hat mir vorhin erzählt, Luke sei der pampigste Patient, den sie je hatte, und er habe ihr einen Vortrag darüber gehalten, was für eine Zeitverschwendung ihre Untersuchung sei. Was man ihm wohl nicht verdenken kann angesichts der Tatsache, dass sie sich vier Stunden länger hinzog als normal.
»Du Ärmster.« Ich verkneife mir mein Lachen. »Tja, leider ist ein ganzer Stapel Akten für dich gekommen, den du dringend durcharbeiten musst ... «
Für den Fall, dass du dachtest, du könntest mir kurz entkommen.
Ich schleppe die Kiste heran, die Bonnie heute Nachmittag per Kurier geschickt hat, randvoll mit Verträgen und Korrespondenz. Damit müsste er vorerst beschäftigt sein.
»Lass mich erst mal ins Netz.« Luke richtet sich auf. »Ist das mein neues Notebook? Ausgezeichnet.«
Leise Panik prickelt auf meiner Haut, als er es aus dem Karton holt. Obwohl ich weiß, dass nichts passieren kann. Sie haben es mir versprochen. Und tatsächlich -bald darauf flucht Luke schon wieder.