Выбрать главу

Sie hielt meinen Kopf zwischen den Händen, betrachtete mich genau und sagte: »Du siehst eher wie ein Grieche denn wie ein Römer aus, aber ich muß gestehen, daß deine grünen Augen und dein helles Haar sehr ungewöhnlich sind. Wärst du ein Mädchen, würde ich dich schön nennen, aber auch so wirst du gewiß eine gute Partie machen. Deine Mutter war, wenn ich mich recht erinnere, Griechin, nicht wahr?«

Erst als sie zu stottern begann und fort und fort redete, ohne selbst recht zu wissen, was sie sagte, begriff ich, daß sie zutiefst erschrocken war. An der Haustür wurden wir von einem kahlköpfigen, zahnlosen Sklaven begrüßt, neben dem eine lahme, einäugige Frau stand. Die beiden fielen vor meinem Vater auf die Knie und sagten einen Spruch auf, den offenbar Tante Laelia sie gelehrt hatte. Mein Vater sah verlegen drein, legte Tante Laelia die Hand auf die Schulter und bat sie, vor uns einzutreten, da sie in diesem Hause die Herrin sei. Das kleine Atrium war voll Rauch, so daß wir alle zu husten begannen, denn Tante Laelia hatte uns zu Ehren ein Feuer auf dem Hausaltar anzünden lassen. Durch den Rauch hindurch erkannte ich die Ahnenbilder unserer Familie, Figuren aus gebranntem Ton, deren vergoldete Wachsmasken sich in den wirbelnden Schwaden zu bewegen schienen.

Hustend und mit fahrigen Handbewegungen begann Tante Laelia wortreich zu erklären, daß wir eigentlich nach altem manilischen Familiengebrauch ein Schwein opfern müßten; da sie jedoch den Tag unserer Ankunft nicht genau gewußt habe, sei es ihr unmöglich gewesen, eines zu beschaffen, und wir müßten daher mit Oliven, Käse und Gemüsesuppe vorliebnehmen. Selbst äße sie schon seit langem kein Fleisch mehr.

Wir besichtigten die Räume des Hauses und sahen Spinnweben in den Winkeln, wir sahen die schäbigen Betten und die anderen, ebenso schlechten Möbel, und bald wurden wir gewahr, daß unsere vornehme, hochgeachtete Tante Laelia in bitterster Armut lebte. Von der Bibliothek des Astronomen Manilius waren nur noch einige von Ratten zernagte Buchrollen übrig, und Tante Laelia mußte gestehen, daß sie sogar eine Porträtbüste an die öffentliche Bibliothek am Fuße des Palatin verkauft hatte. Zuletzt begann sie kläglich zu weinen und rief: »Tadle mich nur, Marcus. Ich bin eine schlechte Wirtschafterin, und das kommt daher, daß ich in meiner Jugend bessere Tage gesehen habe. Ich hätte nicht einmal das Haus behalten können, wenn du mir nicht aus Antiochia Geld geschickt hättest. Unser Geld ist verschwunden. Wie das zuging, kann ich mir selbst nicht erklären, aber für ausgefallene Speisen, Wein und wohlriechende Salben ist es nicht verwendet worden, das mußt du mir glauben. Ich habe immer noch die Hoffnung, daß sich mein Geschick eines Tages wenden wird, denn dies ist mir geweissagt worden. Du darfst mir nicht zürnen, und du darfst nicht von mir verlangen, daß ich dir über die Gelder, die du mir schicktest, genau Rechenschaft ablege.«

Mein Vater machte sich heftige Vorwürfe und versicherte ihr, daß er nicht nach Rom gekommen sei, um von ihr Rechenschaft zu fordern, und daß er nun bereue, ihr nicht mehr Geld für den Lebensunterhalt und die Pflege des Hauses geschickt zu haben. Doch nun solle alles anders werden, ganz wie man es ihr prophezeit hatte. Er bat Barbus, auszupacken, breitete kostbare orientalische Stoffe auf den Boden aus, schenkte Tante Laelia eine Seidentunika und ein Seidentuch, hängte ihr eine Kette aus edlen Steinen um den Hals und bat sie, in ein Paar weiche rote Lederschuhe zu schlüpfen. Als er ihr noch eine prächtige Perücke gab, weinte sie noch lauter und rief: »Ach Marcus, bist du wirklich so reich! Du bist doch nicht etwa auf unehrliche Weise zu diesen kostbaren Dingen gekommen! Ich glaubte, du seist auf die schiefe Bahn geraten und den Lastern des Ostens verfallen, denen die Römer nur zu leicht erliegen, wenn sie zu lang da draußen bleiben. Daher wurde mir so bang zumute, als ich dein aufgedunsenes Gesicht sah, aber gewiß haben mir nur die Tränen den Blick getrübt. Nun da ich dich mit größerem Gleichmut betrachte, gewöhne ich mich an dein Gesicht und finde, daß es vielleicht nicht so übel aussieht, wie ich zuerst meinte.«

Tante Laelia glaubte und fürchtete in Wirklichkeit, meine Vater sei gekommen, um das Haus zu übernehmen und sie irgendwohin aufs Land zu schicken, wo sie ihre Tage in Armut verbringen müßte. Diese Überzeugung war schon so fest eingewurzelt, daß sie uns mehrmals zu verstehen gab, eine Frau wie sie könne unmöglich anderswo leben und atmen als in Rom. Allmählich faßte sie jedoch ein wenig Mut und erinnerte uns daran, daß sie immerhin die Witwe eines Senators und in vielen der alten Häuser Roms ein gern gesehener Gast sei, obwohl ihr Gemahl Gnaeus Laelius schon zu des Kaisers Tiberius Zeiten Leben und Gut verloren habe.

Ich bat sie, von dem Senator Gnaeus Laelius zu erzählen, aber Tante Laelia hörte meine Bitte mit leicht zur Seite geneigtem Kopf an und fragte dann: »Sag, Marcus, wie ist es möglich, daß dein Sohn unsere Sprache mit einem so furchtbaren syrischen Akzent spricht? Das muß anders werden, sonst lacht ganz Rom über ihn.«

Mein Vater erwiderte unbekümmert, er habe selbst so viel Griechisch und Aramäisch gesprochen, daß sein eigenes Latein gewiß auch fremd klinge, doch Tante Laelia unterbrach ihn und sagte scharf: »Dir wird man es nachsehen, denn du bist alt, und ein jeder wird verstehen, daß du im Kriegsdienst oder bei der Ausübung deiner Ämter in anderen Ländern die Eigentümlichkeiten fremder Sprachen angenommen hast. Du mußt unbedingt einen guten Redner oder Schauspieler anstellen, der Minutus’ Aussprache verbessert. Er muß ins Theater gehen und öffentliche Lesungen besuchen. Kaiser Claudius nimmt es mit der Reinheit der Sprache sehr genau, wenngleich er zuläßt, daß seine Freigelassenen Staatsangelegenheiten in griechischer Sprache bereden, und seine Gemahlin noch ganz andere Dinge treibt, die zu nennen mir meine Schamhaftigkeit verbietet.«

Dann wandte sie sich an mich und sagte: »Mein armer Mann, der Senator Gnaeus, war weder dümmer noch geringer als Claudius, ja Claudius verlobte seinerzeit sogar seinen unmündigen Sohn Drusus mit der Tochter des Präfekten Sejanus und vermählte sich selbst mit seiner Adoptivschwester Aelia. Der Junge war ebenso wirrköpfig wie sein Vater und erstickte später an einer Birne. Ich denke, daß mein verstorbener Gemahl ebenso nach Sejanus’ Gunst strebte und dem Staat damit zu dienen glaubte. Du, Marcus, warst doch irgendwie in die Intrigen dieses Sejanus verwickelt, denn kurz bevor die Verschwörung aufgedeckt wurde, warst du ganz plötzlich aus Rom verschwunden, und man hörte jahrelang nichts mehr von dir. Deshalb wurdest du auch von unserem lieben Kaiser Gajus aus der Rolle der Ritter gestrichen, ja, aus keinem andern Grunde, als weil niemand mehr etwas von dir wußte. ›Ich weiß auch nicht, wo er steckt‹, sagte er scherzend und zog einen Strich durch deinen Namen. So hat man es mir jedenfalls berichtet, aber vielleicht wollten die, die es mir hinterbrachten, meine Gefühle schonen und nicht alles verraten, was sie wußten.«

Mein Vater antwortete steif, er werde gleich am nächsten Tag ins Reichsarchiv gehen, um nachprüfen zu lassen, warum sein Name aus der Rolle der Ritter getilgt worden sei. Tante Laelia schien davon nicht sehr erbaut zu sein und fragte, ob es nicht das beste wäre, diese alten Dinge ruhen zu lassen. Wenn Kaiser Claudius getrunken habe, sei er reizbar und launisch, obwohl man zugeben müsse, daß er so manchen politischen Mißgriff des Kaisers Gajus wiedergutgemacht habe.

»Ich verstehe allerdings, daß wir um Minutus’ willen alles tun müssen, um die Ehre unserer Familie wiederherzustellen«, räumte sie ein. »Der rascheste Weg dazu wäre, Minutus die Männertoga zu geben und es so einzurichten, daß er Valeria Messalina vor die Augen kommt. Die junge Kaiserin hat großes Wohlgefallen an Jünglingen, die eben erst die Männertoga angelegt haben, und lädt sie gern in ihre Gemächer ein, um sie über ihre Herkunft und ihre Zukunftshoffnungen auszufragen. Wenn ich nicht so stolz wäre, könnte ich die Hündin um eine Audienz für Minutus bitten, aber ich muß befürchten, daß sie mich gar nicht empfängt, denn sie weiß nur zu gut, daß ich die liebste Jugendfreundin der Mutter unseres Kaisers Claudius war. Zugleich gehörte ich zu den wenigen vornehmen Römerinnen, die Agrippina und der jungen Julia halfen, den Leichnam ihres armen Bruders einigermaßen geziemend zu bestatten, nachdem die Mädchen aus der Verbannung heimgekehrt waren. Der arme Gajus wurde auf so grausame Weise ermordet, und dann unterstützten die Juden Claudius mit Geld, damit er Kaiser werden konnte. Agrippina hatte Glück und konnte sich einen reichen Mann angeln, aber Julia wurde zum zweitenmal aus Rom verbannt, weil Messalina der Ansicht war, sie treibe sich ein wenig zuviel in der Nähe ihres Onkels Claudius herum. Wegen dieser beiden munteren Mädchen hat so mancher Rom verlassen müssen. Ich entsinne mich noch eines gewissen Tigellinus, der zwar ungebildet war, aber unter allen Jünglingen Roms die schönste Gestalt hatte. Er machte sich übrigens nicht viel aus der Verbannung, sondern gründete eine Fischerei und soll neuerdings Rennpferde züchten. Dann war da noch ein spanischer Philosoph, Seneca, der viele Bücher schrieb. Er hatte ein Verhältnis mit Julia, obwohl er an der Schwindsucht litt. Nun schmachtet er schon seit mehreren Jahren auf Korsika in der Verbannung. Messalina fand, es zieme sich nicht, daß Claudius’ Nichten, und sei es nur im geheimen, Unzucht trieben. Im übrigen ist jetzt nur noch Agrippina am Leben.«