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Als sie endlich Atem holte, hatte mein Vater Gelegenheit, taktvoll anzudeuten, daß es das beste sei, wenn Tante Laelia vorerst nichts unternähme, um mir zu helfen. Er wolle die Sache selbst in die Hand nehmen und zu Ende bringen, ohne daß sich eine Frau einmischte. Von weiblicher Einmischung habe er schon in seiner Jugend genug und übergenug zu spüren bekommen, schloß er bitter.

Tante Laelia wollte etwas sagen, warf dann jedoch einen Blick auf mich und zog es vor, zu schweigen. Wir konnten uns endlich den Oliven, dem Käse und der Gemüsesuppe widmen. Mein Vater sah darauf, daß wir nicht alles aufaßen, sondern sogar von dem faustgroßen Stück Käse etwas übrigließen, denn sonst hätten die beiden alten Sklaven des Hauses gewiß hungern müssen. Ich für meinen Teil verstand es nicht, da ich daheim in Antiochia die besten Bissen bekommen hatte und immer noch genug für die Hausgenossen und die Armen, die sich in meines Vaters Nähe hielten, übriggeblieben war.

Tags darauf stellte mein Vater einen Baumeister an, der den alten Familiensitz gründlich instand setzen sollte, und zugleich erhielten einige Gärtner den Auftrag, sich des ungepflegten, verwilderten Gartens anzunehmen. Es wuchs darin eine mehr als hundertjährige Sykomore. Sie war von einem Manilius gepflanzt worden, der später von Marius’ Leuten auf offener Straße ermordet wurde. Einige andere uralte Bäume standen nahe beim Haus, und mein Vater war sehr darauf bedacht, daß sie keinen Schaden litten. Auch das kleine, ein wenig in den Boden eingesunkene Haus ließ er äußerlich so wenig verändern wie nur möglich, und er erklärte mir auch den Grund dafür: »Du wirst in Rom viel Marmor und anderen Luxus sehen, aber wenn du einmal erwachsen bist, wirst du verstehen, daß das, was ich hier tue, der allergrößte Luxus ist. Solche uralten Bäume kann sich selbst der reichste Emporkömmling nicht ums Haus stellen, und das altertümliche Aussehen unseres Hauses ist mehr wert als aller Säulenschmuck.«

Seine Gedanken gingen in die Vergangenheit zurück, und seine Miene verdüsterte sich, als er fortfuhr: »Einst in Damaskus hatte ich selbst die Absicht, mir ein einfaches Haus bauen zu lassen und darum herum Bäume zu pflanzen, um dort mit deiner Mutter Myrina in der Stille zu leben. Nach ihrem Tod bemächtigte sich meiner jedoch eine so tiefe Verzweiflung, daß mir viele Jahre hindurch nichts mehr etwas bedeuten konnte. Vielleicht würde ich mir das Leben genommen haben, wenn meine Pflichten dir gegenüber mich nicht gezwungen hätten, weiterzuleben. Und einmal hat mir sogar ein Fischer am Ufer des Galiläischen Meeres etwas verheißen, was mich immer wieder mit Neugier erfüllt, obwohl ich mich daran nur noch wie an einen Traum erinnere.«

Von dieser Verheißung wollte mein Vater nicht weiter sprechen. Statt dessen sagte er, daß er sich nun mit diesen alten Bäumen begnügen müsse, da ihm die Freude nicht vergönnt gewesen sei, selbst welche zu pflanzen und wachsen zu sehen.

Während sich die Bauarbeiter und der Architekt mit dem Haus beschäftigten und mein Vater von morgens bis abends Besuche in der Stadt machte, um seine Angelegenheiten zu regeln, streiften Barbus und ich unermüdlich durch Rom und betrachteten seine Sehenswürdigkeiten und die Menschen auf den Straßen. Kaiser Claudius ließ alle alten Tempel und Denkmäler nach bestem Vermögen für die Jahrhundertfeier herrichten und hielt Priester und Gelehrte dazu an, alle Sagen und Überlieferungen, die sich daran knüpften, sorgfältig zu sammeln und den Bedürfnissen unserer Zeit anzupassen. Die Kaiserpaläste auf dem Palatin, der Tempel auf dem Kapitolinischen Hügel, die Bäder und Theater Roms machten mir, für sich selbst betrachtet, keinen großen Eindruck, denn ich war in Antiochia aufgewachsen, wo man nicht minder kostspielige und sogar noch größere öffentliche Bauten zu sehen bekommt, ja im Grunde war Rom mit seinen krummen Gassen und steilen Hügeln eine viel zu enge Stadt für jemanden, der wie ich die breiten, geraden Straßen Antiochias gewohnt war.

Ein Bauwerk gab es jedoch, das mich durch seine Großartigkeit und durch die Erinnerungen, die es weckte, zu erschüttern vermochte, und das war das ungeheure runde Mausoleum des Gottes Augustus auf dem Marsfeld. Rund war es, weil die heiligsten Tempel Roms rund waren, zum Andenken an die alten Zeiten, da die Römer in runden Hütten wohnten. Die schlichte Größe dieses Mausoleums dünkte mich eines Gottes und des größten Herrschers aller Zeiten würdig, und ich wurde es nie müde, die Gedenkinschriften zu lesen, welche die Taten festhielten, durch die Augustus den Staat gefördert hatte. Barbus war von diesen Inschriften weniger angetan. Er sagte, er habe während seiner Jahre in der Legion gelernt, allen Inschriften zu mißtrauen, da sie gewöhnlich mehr verschwiegen als sagten. Eine Niederlage könne in einen Sieg umgefälscht werden und ein politischer Irrtum in einen Akt der Staatsklugheit. Er versicherte mir, er könne zwischen den Zeilen der Grabinschrift des Gottes Augustus das Verderben ganzer Legionen, den Untergang Hunderter von Kriegsschiffen und die ungezählten Morde des Bürgerkrieges lesen.

Er war zu einer Zeit geboren worden, da Augustus längst Frieden und Ordnung im Reiche wiederhergestellt und die Macht Roms gefestigt hatte, aber sein Vater hatte ihm wenig über den kleinlich berechnenden Augustus und dafür um so mehr über den gefeierten Antonius erzählt, der manchmal so berauscht auf die Rednertribüne auf dem Forum stieg, daß er sich während der Rede, von seinen eigenen Worten erregt, in einen Eimer erbrechen mußte, den er neben sich stehen hatte. Das war zu der Zeit, da man noch öffentlich das Volk aufrief. Augustus hatte zwar während seiner allzu langen Regierungszeit die Achtung des Senates und des Volkes gewonnen, aber das Leben in Rom war, wenn man Barbus’ Vater glauben will, langweilig geworden. Gemocht hatte den vorsichtigen Augustus eigentlich niemand, während man den waghalsigen Antonius gerade wegen seiner Fehler und seines großartigen Leichtsinns geliebt hatte. Doch ich kannte Barbus’ Geschichten, die mein Vater, hätte er sie gehört, als für meine Ohren unpassend betrachtet haben würde, schon zur Genüge. Das Mausoleum des Augustus beeindruckte mich durch seine göttlich einfache Größe, und wir wanderten immer und immer wieder durch ganz Rom, um es zu betrachten. Noch etwas anderes lockte mich allerdings zum Marsfeld, und das war der Reitplatz der römischen Knaben und Jünglinge, auf dem die Söhne der Senatoren und Ritter schon fleißig für die Reiterspiele zur Jahrhundertfeier übten. Neidisch sah ich zu, wie sie sich gruppierten, wieder auseinanderritten und sich auf ein Hornsignal zu neuen Gruppen zusammenschlossen. Ich kannte das alles und wußte, daß ich ein Pferd ebensogut, wenn nicht besser, zu reiten verstand.