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Nero wurde von vier Männern begleitet: Sporus, dem Pfau und – wundere Dich nicht – Epaphroditus. Den vierten ließ der Senat hinrichten, weil er auf dem Forum das Maul gar zu weit aufriß. Acte erwartete Nero in der Villa des Pfaus. Das Schauspiel war meiner Meinung nach sorgfältig vorbereitet und wurde gut ausgeführt. Nero war einer der hervorragendsten Schauspieler seiner Zeit und legte auch großen Wert auf eine gute Ausstattung, weshalb er auf der Bühne immer eine Bemerkung machte, wenn etwa eine Säule ungeschickt aufgestellt oder die Beleuchtung falsch war und irgendeine Nebenfigur hervorhob, während er selbst sang.

Während er noch auf dem Weg zur Villa des Pfaus war, bebte plötzlich die Erde, und ein Blitz schlug vor ihm in die Straße. Zugleich scheute sein Pferd vor dem Gestank einer Leiche zurück und bäumte sich. Nero hatte, wie ich schon sagte, sein Haupt verhüllt. Als aber das Pferd sich bäumte, fiel das Tuch herunter und gab sein Gesicht frei. Ein alter verabschiedeter Prätorianer erkannte ihn und grüßte ihn als Kaiser. Das trieb Nero zu noch größerer Eile an, denn er fürchtete, sein Plan könnte vorzeitig entdeckt werden. All dies haben der Pfau und Epaphroditus so berichtet. Sporus verschwand später so spurlos, daß es Otho nicht gelang, ihn zu finden, obwohl er gern seine Begabung im Bett erprobt hätte. Er warb ja sogar um Statilia, weil er sich auf Neros Erfahrung und Geschmack in diesen Dingen verließ.

Ich will nicht alles wiederholen, was diese beiden Männer über Neros Seelenqualen, Schrecken und Leiden berichteten: wie er mit der Hand Wasser aus einer Pfütze schöpfte, um zu trinken, und die Dornen aus seinem Sklavenmantel zog, nachdem er durch das Gestrüpp zur Villa gekrochen war. Sie erzählten, zur Freude des Senats und der Geschichtsschreiber, ohne zu zögern alles. Nero hatte alles so umsichtig vorbereitet, daß er sogar eine fertig geschriebene Rede hinterließ, in der er um Vergebung für die Verbrechen bat, die er aus politischen Gründen begangen hatte, und den Senat anflehte, sein Leben zu schonen und ihn zum Prokurator irgendeiner kleinen Provinz im Osten zu ernennen, da er doch dem Senat und dem Volk von Rom immerhin einige gute Dienste geleistet hätte. Auf diese Weise ließ Nero den Eindruck entstehen, als hätte er in drohender Lebensgefahr und von blindem Entsetzen ergriffen gehandelt. Darum konnten die beiden Augenzeugen aber doch keinen vernünftigen Zuhörer überzeugen. Nur die ließen sich überzeugen, die alles getan hatten, um Nero zum Selbstmord zu treiben, und daher gern glaubten, ihre Hoffnungen hätten sich erfüllt.

Nero dachte auch daran, der Nachwelt einen großartigen Ausspruch zu hinterlassen. »Welch einen Künstler verliert die Welt an mir!« rief er aus. Diese Worte unterschreibe ich gern, denn heute weiß ich, was für einen Lebenskünstler und Sänger, ja, was für einen wahren Menschenfreund Rom an Nero verlor, so schwer er auch manchmal seiner Launen und seiner Künstlereitelkeit wegen zu behandeln war. Man darf eben einem Siebzehnjährigen nicht unbegrenzte Macht in die Hände geben. Denk daran, mein Sohn, wenn Du Dich wieder einmal über das Zaudern Deines Vaters ärgerst.

Als das Grab fertig war und man die Marmorsteine darum herum aufgestapelt hatte, und als genug Holz beisammen war und man in Eimern Wasser herbeischleppte, um es über den zu Kalk gebrannten Marmor zu gießen, kam ein Eilbote aus Rom mit einem Brief an den Pfau. Darin bekam Nero zu lesen, daß Galba zum Kaiser ausgerufen worden war und daß er selbst zu Tode gegeißelt werden sollte. Dennoch sollte das Schauspiel fortgesetzt werden und Sporus Gelegenheit erhalten, an der Leiche Witwentränen zu vergießen. Da aber geschah etwas, was die Komödianten und Ränkeschmiede zur Eile antrieb.

Der treue Veteran, der Nero auf der Straße wiedererkannt hatte, beeilte sich nicht, seine Flucht zu melden, wie es jeder vernünftige Mensch getan haben würde, sondern rannte auf seinen altersschwachen Beinen geradewegs ins Lager der Prätorianer. Dort kannte man seine Narben und seinen guten Namen, und als Mitglied der Mithras-Bruderschaft genoß er sogar das Vertrauen der Zenturionen. Die Gelegenheit war denkbar günstig, denn Tigellinus hielt sich noch im Senat auf, wo geschwätzige Männer noch immer dabei waren, ihrem Zorn und ihrem vaterländischen Eifer Ausdruck zu verleihen, da sie endlich einmal reden durften, ohne unterbrochen zu werden.

Der Alte hielt eine Ansprache an seine Kameraden und bat sie, sich ihres Soldateneides und ihrer Dankesschuld gegenüber Nero sowie der Striemen von den Stockhieben des Tigellinus auf ihren Buckeln zu erinnern. Die beiden Prätorianerlegionen beschlossen so gut wie einhellig, zu Nero zu stehen. Seiner Freigebigkeit durften sie gewiß sein, während Galba dagegen als Geizhals verschrien war.

Sie beschlossen, es auf einen Kampf ankommen zu lassen, an dessen gutem Ausgang sie nicht zweifelten, denn sie waren überzeugt, daß viele Legionäre von Galba abfallen würden, wenn sie sahen, daß es Ernst wurde und daß ihnen die besten Truppen Roms gegenüberstanden. Sie sandten unverzüglich eine Reiterabteilung unter Führung eines Zenturio aus, die Nero suchen und sicher ins Prätorianerlager begleiten sollte. Die Männer verloren aber viel Zeit, weil sie Neros Versteck nicht gleich fanden und erst nach längerem vergeblichen Suchen an die abseits gelegene Villa des Pfaus dachten.

Doch Nero hatte genug von der Macht. Er schickte den Pfau hinaus, um die Reiter aufzuhalten, sobald er erfahren hatte, weshalb sie gekommen waren. Dann stieß ihm Epaphroditus, der in gewissen Spielen, an denen Nero Gefallen fand, wohlgeübt war, einen Dolch in die Kehle. Nero wählte für seinen Selbstmord einen Stich in die Kehle, um den Senat davon zu überzeugen, daß er sogar seine Stimmbänder opferte. Auf diese Weise konnte an seinem Tode kein Zweifel aufkommen. Wenn später irgendwo im Osten ein neuer großer Sänger von sich reden machte, würde niemand an Nero denken, da man wußte, daß er mit durchschnittener Kehle gestorben war.

Während nun das Blut aus der geschickt vorgetäuschten Halswunde quoll, empfing Nero unter Aufbietung seiner letzten Kräfte den Zenturio, dankte ihm mit gebrochener Stimme für seine Treue, verdrehte die Augen und gab den Geist so glaubwürdig röchelnd und zuckend auf, daß der alte erfahrene Soldat mit Tränen in den Augen seinen Zenturionenmantel über ihn deckte, damit er mit verhülltem Antlitz starb, wie es sich für einen Herrscher geziemt. Auch Julius Caesar verhüllte ja sein Haupt, um die Götter zu ehren, als ihn die Dolche der gedungenen Mörder durchbohrt hatten. Der Pfau und Epaphroditus erklärten nun dem Zenturio, daß es für ihn selbst und für alle treuen Prätorianer das klügste war, wenn er rasch ins Lager zurückkehrte und den Tod Neros meldete, damit niemand dumme Streiche machte. Darauf sollte er in die Kurie eilen und berichten, er habe in der Hoffnung auf Belohnung Nero aufgespürt, um ihn lebend zu fangen und dem Senat auszuliefern. Leider sei es aber Nero gelungen, seinem Leben noch rechtzeitig selbst ein Ende zu machen.

Der Mantel, den er über die Leiche geworfen hatte, so daß er nun voll Blut war, sei Beweis genug, sagten sie, aber selbstverständlich dürfe er Nero auch den Kopf abschneiden und in die Kurie mitnehmen, sofern er dies mit seiner Soldatenehre vereinbaren könne. Man werde ihn so oder so belohnen für die gute Nachricht, die er brachte. Nero selbst habe gewünscht, daß sein Leichnam unverstümmelt in aller Stille verbrannt werde.

Der Zenturio ließ seinen Mantel liegen, da zu erwarten war, daß der Senat augenblicklich einen Untersuchungsausschuß in die Villa des Pfaus sandte, um alle Einzelheiten über Neros Tod in Erfahrung zu bringen. Sobald die Reiter aufgebrochen waren, machten sich die treuen Verschworenen rasch ans Werk. Eine Leiche von Neros Größe und Wuchs war in diesen unruhigen Zeiten, da nach den Schlägereien vor Galbas Ankunft so mancher in den Gräben längs der Straßen liegenblieb, nicht schwer zu finden gewesen. Also rasch auf den Scheiterhaufen mit der Leiche, Feuer ans Holz gelegt und das Ganze mit Öl übergossen! Wohin, wie und in welcher Verkleidung Nero floh, weiß ich nicht zu sagen. Ich bin jedoch ziemlich gewiß, daß er in den Osten ging, vermutlich um bei den Parthern Schutz zu suchen. Die Arsakiden haben in über dreihundert Jahren so viele Geheimnisse gesammelt, daß sie es besser als wir Römer verstehen, sie zu hüten. Wir schwatzten sogar im Senat zuviel. Die Parther dagegen beherrschen die Kunst des Schweigens.