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Am nächsten Morgen erschien eine Abordnung aus der Stadt mit allem ägyptischen Prunk, Juden und Griechen in bestem Einvernehmen, und alle beklagten mit vielen Worten den Aufruhr, den einige unbedachte Heißsporne angezettelt hatten. Nun seien aber Ruhe und Ordnung wiederhergestellt, versicherten sie. In der Schar befanden sich Philosophen und Gelehrte sowie der Oberbibliothekar der Stadt mit seinen nächsten Untergebenen. Darauf legte Vespasian, der selbst ungebildet war, großen Wert.

Als er hörte, daß sich Apollonius von Tyana in der Stadt aufhielt, um die ägyptische Weisheit zu studieren und die Ägypter in der Nabelbeschau der indischen Gymnosophisten zu unterweisen, beklagte er, daß es der größte Philosoph unserer Zeit nicht der Mühe wert gefunden hatte, die anderen zu begleiten und seinen Kaiser willkommen zu heißen.

Das Verhalten des Apollonius war jedoch reine Berechnung. Er war, wie bekannt, sehr eitel und ebenso stolz auf seine Weisheit wie auf seinen bis zum Gürtel reichenden weißen Bart. Er bemühte sich nachher nach besten Kräften um die Gunst des Kaisers, hielt es jedoch für klug, Vespasian zunächst einmal zu beunruhigen und ihn vermuten zu lassen, er mißbillige vielleicht seinen Staatsstreich. In Rom hatte Apollonius sich Neros Gunst versichern wollen, aber Nero hatte ihn nicht einmal empfangen, weil er der Philosophie die Künste vorzog. Immerhin war es ihm aber gelungen, Tigellinus mit seinen übernatürlichen Kräften einzuschüchtern, so daß er die Erlaubnis erhielt, in Rom zu bleiben, obwohl Nero alle kritischen Philosophen aus der Stadt verwies.

Am nächsten Morgen, noch vor Sonnenaufgang, erschien Apollonius von Tyana unerwartet vor dem Tor des kaiserlichen Palastes in Alexandria und begehrte Einlaß. Die Wachen hielten ihn zurück und erklärten ihm, daß Vespasian längst aufgestanden war, um wichtige Briefe zu diktieren. Da sagte Apollonius fromm: »Dieser Mann wird ein wahrer Herrscher sein.« Er hoffte, daß man seine Prophezeiung Vespasian hinterbrachte, was selbstverständlich auch geschah.

Als es heller Tag war, zeigte er sich erneut vor dem Tor. Diesmal wurde er unverzüglich unter allen Ehrenbezeigungen, die man für den gelehrtesten Mann der Welt fand, vor Vespasian geführt. Viele betrachten ja Apollonius noch immer als den Göttern ebenbürtig.

Ich hatte den Eindruck, daß Apollonius sich über das graue Legionärsbrot und den sauren Wein wunderte, die Vespasian ihm anbot, da er sonst bessere Bewirtung gewohnt war und die Kochkunst nicht verachtete, obwohl er bisweilen fastete, um seinen Körper zu reinigen. Er spielte jedoch die Rolle weiter, die er einmal gewählt hatte, und pries Vespasian um seiner einfachen Gewohnheit willen, die, wie er versicherte, für sich allein schon bewiesen, daß er zu Recht und zum Vorteil des Staates über Nero gesiegt habe.

Vespasian antwortete kurz: »Ich hätte mich nie gegen den rechtmäßigen Herrscher erhoben.«

Apollonius, der geglaubt hatte, er könne Eindruck machen, indem er mit seinem Anteil an dem Aufstand des Vindex in Gallien prahlte, schwieg enttäuscht und bat dann, einige seiner berühmten Begleiter hereinrufen zu dürfen, die noch vor dem Tor warteten. Auch Vespasians Gefolge nahm ja an dem Morgenmahl teil. Vespasian war ein wenig ungeduldig, denn wir hatten die halbe Nacht gewacht und die dringendsten Erlässe und Verordnungen diktiert. Er beherrschte sich jedoch und sagte: »Weisen Männern steht meine Tür allzeit offen. Dir aber, unvergleichlicher Apollonius, öffne ich sogar mein Herz.«

Danach hielt Apollonius in Gegenwart seiner beiden Schüler einen eindrucksvollen Vortrag über die Demokratie und wies nach, wie notwendig es sei, eine wahre Herrschaft des Volkes anstelle der Alleinherrschaft wiedereinzuführen, die sich als so verderblich erwiesen hatte. Ich wurde unruhig, aber Vespasian kümmerte sich nicht um meine Ellbogenstöße und mein Zwinkern. Er hörte Apollonius geduldig bis zum Ende an und sagte dann: »Ich fürchte sehr, daß die Alleinherrschaft, die der Senat nach bestem Vermögen einzuschränken suchte, das Volk von Rom verdorben hat. Es ist daher vorerst kaum möglich; die Neuerungen einzuführen, die du vorschlägst. Das Volk muß erst reif werden, die Verantwortung zu tragen, die die Freiheit mit sich bringt. Sonst gibt es nur Uneinigkeit und Streit, und wir haben ständig den Bürgerkrieg vor der Tür.«

Apollonius antwortete so rasch, daß ich seine Geschmeidigkeit nur bewundern konnte: »Was kümmert mich letzten Endes der Aufbau des Staates! Ich lebe nur den Göttern. Aber ich möchte nicht, daß die große Mehrheit aller Menschen ins Verderben stürzt, weil es ihr an einem guten Hirten mangelt. Wenn ich es recht bedenke, ist die beste Form der Demokratie eine aufgeklärte Tyrannei, sorgsam überwacht von einem Senat, der sich von Tugend und Rechtschaffenheit leiten läßt und nur das Gemeinwohl im Auge hat.«

Danach begann er weitschweifig zu erklären, daß er sich die alte Weisheit Ägyptens zu eigen machen, die Pyramiden untersuchen und womöglich aus den Quellen des Nils trinken wolle. Leider fehle es ihm aber an dem nötigen Geld, um ein Flußboot samt Ruderern zu mieten. Vespasian ergriff rasch die Gelegenheit, zeigte auf mich und sagte: »Ich besitze nicht mehr, als was dem dringendsten Bedarf des Staates dient, das weißt du in deiner Weisheit gewiß selbst, lieber Apollonius. Aber mein Freund Minutus Manilianus ist als Senator ein ebenso eifriger Freund der Demokratie wie du. Er ist vermögend und schenkt dir sicherlich ein Schiff samt Ruderern, wenn du ihn darum bittest. Auch gibt er dir, was du sonst für deine Reise zu den Quellen des Nils benötigst. Vor Gefahren brauchst du dich nicht zu fürchten. Es befindet sich nämlich eine Expedition von Gelehrten, die Nero vor einigen Jahren ausschickte, auf dem Wege dorthin, und sie wird von Prätorianern begleitet. Schließe dich nur ihr an.«

Erfreut über dieses Versprechen, das Vespasian nicht eine schäbige Kupfermünze kostete, versank Apollonius in Verzückung und rief: »O kapitolinischer Jupiter, du Heiliger aller Staatswirren, erhalte diesen Mann zu deinem eigenen Besten. Er wird deinen Tempel, den gottlose Hände soeben im Flammenschein zerstörten, wiederaufbauen!«

Wir entsetzten uns über dieses Gesicht und diese Prophezeiung. Doch ich hielt seine Worte, offen gesagt, für Verstellung. Erst einige Wochen später erfuhren wir, wie Vitellius abgesetzt worden war und wie Flavius Sabinus und Domitian zuvor gezwungen worden waren, sich im Kapitol zu verschanzen.

Domitian floh feige während der Belagerung, nachdem er sich das Haar geschoren und sich als Isispriester verkleidet hatte. Er schloß sich einer Schar fremder Opferpriester an, als die Soldaten des Vitellius, nachdem sie den Tempel angezündet und seine Mauern mit Belagerungsmaschinen niedergebrochen hatten, die eingeschlossenen Priester hinausschleppten, um sie niederzumetzeln. Mein ehemaliger Schwiegervater Flavius Sabinus starb, so alt er war, tapfer mit dem Schwert in der Hand.

Domitian floh auf die andere Seite des Tibers hinüber und versteckte sich bei der jüdischen Mutter eines seiner früheren Schulkameraden. In die Palatiumschule gehen auch immer Angehörige der jüdischen Fürstengeschlechter. Einer von ihnen war sogar der Sohn des Königs von Chalkis, dessen Schicksal seinerzeit meinen Sohn Jucundus dazu trieb, sich der kindischen Verschwörung anzuschließen, die Rom zerstören und die Hauptstadt des Reiches in den Osten verlegen wollte. Ja, ich will nun auch davon sprechen, obwohl ich es eigentlich für mich zu behalten gedachte.