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Ihre Einwände reizten mich nur dazu auf, sie noch einmal fest in die Arme zu schließen, um ihren widerstrebenden Mund und ihren warmen Hals zu küssen. Aber Claudia riß sich los, gab mir eine schallende Ohrfeige und brach in Tränen aus, die sie sich mit der Hand fortwischte.

»Ich glaubte, du dächtest anders von mir«, sagte sie schluchzend. »Das ist nun also der Dank dafür, daß ich mir Zwang antat und nur Gutes von dir dachte. Du willst nichts anderes, als mich dort drüben bei der Mauer auf den Rücken werfen und mir die Knie auseinanderzwängen, um deine neugierigen Gelüste an mir zu stillen. Nein, so ein Mädchen bin ich nicht!«

Ihre Tränen ernüchterten mich, und ich sagte verdrossen: »Du bist stark genug, um dich zu wehren, und ich weiß nicht einmal, ob ich das, was du meinst, mit dir tun könnte. Ich habe nie mit Sklavinnen gespielt, und meine Amme hat mich auch nicht verführt. Du brauchst also nicht zu flennen, denn du bist in diesen Dingen bestimmt erfahrener als ich.«

Claudia starrte mich verblüfft an und vergaß zu weinen. »Ist das wirklich wahr? Ich habe immer geglaubt, Knaben seien die reinsten Affen. Je vornehmer sie sind, desto äffischer sind die Sitten, die sie sich angewöhnen. Aber wenn du die Wahrheit sprichst, habe ich um so mehr Grund, meinen zitternden Körper zu beherrschen. Du würdest mich verachten, wenn ich dir und mir selbst zu Willen wäre. Eine kurze Freude und ein langes Vergessen, mehr hätten wir nicht davon.«

Meine brennende Wange und die Enttäuschung, die ich in meinem ganzen Körper fühlte, ließen mich höhnisch antworten: »Das weißt du offenbar selbst am besten.« Dann drehte ich mich um und begann, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, heimwärts zu gehen. Sie zögerte einen Augenblick und kam dann langsam hinter mir her. Lange sprachen wir nicht ein Wort miteinander. Zuletzt aber mußte ich herzlich lachen, denn ich fand es zu spaßig, wie sie da demütig und bescheiden hinter mir herging.

Sie machte sich meinen Stimmungsumschwung rasch zunutze, legte mir die Hand auf die Schulter und bat: »Versprich mir noch etwas, lieber Minutus. Lauf nicht geradewegs ins nächste Freudenhaus oder um der Venus zu opfern, wie es die meisten tun, sobald sie die Toga bekommen haben. Wenn du einmal unwiderstehliche Lust auf so etwas verspürst, und ich weiß ja, wie zügellos die Männer sind, dann sprich auch darüber zuerst mit mir, und ich sage das, obwohl du mir damit großen Kummer bereiten wirst.«

Ich versprach ihr auch das, da sie mich so eindringlich bat. Ich selbst dachte in Wirklichkeit nur daran, was für ein Pferd ich wohl bekommen würde, und in diesem Augenblick hätte mir nicht einmal Kleopatra mehr Interesse abzugewinnen vermocht als ein Pferd. Ich lachte, als ich Claudia mein Versprechen gab, und sagte, sie sei ein sonderbares und ein wenig verrücktes Mädchen. Wir nahmen lächelnd und als gute Freunde voneinander Abschied, und mir war danach sehr froh zumute. Als ich nach Hause kam, stieg mein Vater gerade in Tullias Sänfte, um sie höflich heimzubegleiten. Sie wohnte auf dem Virinal, am anderen Ende der Stadt, auf der Grenze zwischen den Vierteln Altasemita und Esquilina. Mein Vater starrte mich aus großen, leblosen Augen an und fragte mich nicht, wo ich gewesen sei. Er bat mich nur, mich zeitig schlafen zu legen. Ich argwöhnte, daß er sehr viel Wein getrunken hatte, aber seinem Gang merkte man nichts an.

Ich schlief tief und lange und war sehr enttäuscht, als ich am Morgen feststellen mußte, daß mein Vater nicht zu Hause war. Ich hatte gehofft, wir würden uns unverzüglich zu den Ställen auf dem Marsfeld begeben, um ein Pferd für mich auszusuchen. Das Haus wurde nach dem Fest aufgeräumt, und Tante Laelia klagte über Kopfweh. Ich fragte sie, wohin mein Vater schon in aller Frühe gegangen sei, aber sie antwortete mir nur zornig: »Dein Vater ist alt genug, um selbst zu wissen, was er tut. Er hatte mit seiner Jugendfreundin viel zu besprechen. Wahrscheinlich ist er bei Tullia geblieben. Sie hat Schlafgelegenheiten für mehr Männer als nur ihn.«

Barbus und ich vertrieben uns die Zeit, indem wir unter den Büschen im Garten würfelten, während sich im Haus die Putzfrauen mit ihren Bürsten und Eimern zu schaffen machten. Es roch schon ganz nach Frühling. Gegen Mittag kam endlich mein Vater zurück, stoppelbärtig und mit rotgeäderten Augen. Er verbarg sein Gesicht in einem Zipfel seiner fleckigen Toga und war von einem Advokaten mit Schreibzeug und Papierrollen begleitet. Barbus stieß mich in die Seite und bedeutete mir, daß es das beste – für mich sei, mich ganz still zu verhalten.

Ganz gegen seine Gewohnheit trat mein sanftmütiger Vater gegen die Scheuereimer und brüllte die Sklaven an, sie sollten ihm schneller als der Blitz aus den Augen verschwinden. Nach kurzer Beratung mit dem Advokaten rief er mich zu sich. Tante Laelia weinte wie ein Springbrunnen, und ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und fragte meinen Vater stotternd, ob er nun Zeit hätte, mit mir zu den Ställen zu gehen, um ein Pferd auszuwählen.

»Du und dein Pferd, ihr habt mich ins Verderben gestürzt!« schrie er. Sein Gesicht war vor Wut so entstellt, daß ich plötzlich sehr gut verstehen konnte, daß er in seiner Jugend jahrelang mit verwirrten Sinnen umhergewandert war. Er bereute jedoch sogleich seinen Zorn und rief: »Nein, nein, ich selbst bin an allem schuld. Meine eigene Schwachheit richtet mich zugrunde. Ein schweres Unglück hat alle meine Pläne vereitelt, und ich muß unverzüglich nach Antiochia zurückreisen. Ich habe daher bestimmt, daß die Erträge einiger meiner Güter bei Caere und die Mietshäuser hier in der Stadt auf dich überschrieben werden. Auf diese Weise hast du mehr als die zwanzigtausend Sesterze jährliche Einkünfte, die ein Ritter nachweisen muß. Tante Laelia kümmert sich um das Haus, das nun dein Heim bleiben wird. Ich habe ihr übrigens eine Leibrente angewiesen. Du brauchst nicht zu weinen, Minutus. Mein Advokat wird dein Vormund sein. Er stammt aus altem Rittergeschlecht. Ihr könnt gehen und euch das Pferd aussuchen, wenn ihr wollt, aber ich muß nach Antiochia reisen, ohne einen Augenblick zu verlieren.«

Er war so verstört, daß er so, wie er war, auf die Straße hinausstürzen wollte, um seine Reise zu beginnen, aber der Advokat und Tante Laelia hielten ihn zurück, obwohl er zuerst ungeduldig versicherte, man brauche ihm weder seine Kleider einzupacken noch einen Mundvorrat zu richten, denn er könne beim Stadttor einen Wagen nach Puteoli mieten und sich unterwegs alles Nötige besorgen. Ein trauriges Durcheinander herrschte nun nach dem fröhlichen Fest des Vortages plötzlich in unserem Haus, und da wir ihn nicht wie einen Flüchtigen scheiden lassen konnten, der sich mit verhülltem Antlitz davonschleicht, begleiteten wir ihn alle – Tante Laelia, der Advokat, Barbus und ich. Zuletzt kamen die Sklaven, die seine hastig zusammengepackten Habseligkeiten trugen.

Als mein Vater vor dem Capuanischen Tor unterhalb des Caelius angekommen war, atmete er erleichtert auf und begann sich von uns zu verabschieden, indem er sagte, daß er jenseits des Tores schon die goldene Freiheit winken sehe und daß er Antiochia nie hätte verlassen dürfen. Am Tor trat uns jedoch ein Ädil mit seinem Amtsstab in der Hand und zwei Ordnungswächtern im Gefolge entgegen.

»Bist du der römische Ritter Marcus Mecentius Manilianus?« fragte er meinen Vater. »Wenn du es bist, so hat eine hochgestellte Dame in einer wichtigen Angelegenheit mit dir zu reden.«

Mein Vater wurde zuerst feuerrot und dann kreideweiß im Gesicht. Er blickte zu Boden, behauptete, er habe mit niemandem etwas zu regeln, und versuchte, durch das Tor zu entkommen. Der Ädil warnte ihn: »Solltest du die Mauern Roms verlassen wollen, habe ich Befehl, dich vor den Stadtpräfekten zu bringen, und es wäre meine Pflicht, dich festzunehmen, um dich an der Flucht zu hindern.«

Der Advokat eilte an die Seite meines Vaters, verlangte, daß der Ädil die Gaffer, die sich bereits um uns versammelten, zerstreue, und fragte, wessen mein Vater angeklagt sei. »Eine einfache, abgeschmackte Geschichte«, antwortete der Ädil. »Die Senatorenwitwe Tullia Valeria behauptet, Manilianus habe ihr in der vergangenen Nacht in Gegenwart von Zeugen ein gesetzlich bindendes Eheversprechen gegeben und ihr darauf de facto beigewohnt. Da sie aus dem einen oder anderen Grunde an seinen ehrlichen Absichten zweifelte, ließ sie ihn durch einen ihrer Sklaven überwachen, denn er hatte ihr Haus ohne Abschied verlassen. Als Tullia Valeria die Gewißheit hatte, daß er zu fliehen beabsichtigte, wandte sie sich an den Stadtpräfekten. Wenn Manilianus sich aus der Stadt entfernt, wird er wegen betrügerischen Eheversprechens, Notzucht und Diebstahls einer kostbaren Halskette aus Tullia Valerias Besitz verurteilt, und letzteres ist für einen Ritter gewiß schimpflicher als der Bruch eines Ehegelöbnisses.«