Das war für mich eine Überraschung, von der ich nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Ich hatte im günstigsten Falle gehofft, durch meine eigene Kühnheit und meine eigenen Verdienste meinem Vater einst die Ehre zurückgeben zu können, die er dank einer Laune des Kaisers verloren hatte. Für die Freigelassenen dagegen war dies offenbar nichts Neues, und ich entnahm ihren Gesten und Mienen, daß sie schon seit langem in diesem Sinne auf meinen Vater eingewirkt haben mußten, da sie selbst nur Ehre und Gewinn hatten, wenn er seine Ritterwürde zurückbekam. Sie nickten also nur und erklärten, daß sie sich bereits mit den Freigelassenen des Kaisers Claudius in Verbindung gesetzt hätten, die wichtige Ämter in der Verwaltung des Reiches bekleideten. Mein Vater besaß sogar ein Mietshaus auf dem Aventin und Landgüter bei Caere. Er erfüllte daher die Forderungen, die hinsichtlich Vermögen und Grundbesitz an einen Ritter gestellt wurden, mehr als zur Genüge.
Mein Vater bat sie zu schweigen und sagte: »Dies alles ist von geringerer Bedeutung. Das wichtigste ist, daß ich mir endlich Urkunden verschaffen konnte, aus denen Minutus’ Abstammung klar ersichtlich ist, und dazu hat es großer juristischer Sachkenntnis bedurft. Zuerst hatte ich die Absicht, Minutus ganz einfach an Sohnes Statt anzunehmen, sobald er volljährig wäre, aber mein Anwalt überzeugte mich, daß wir damit nichts gewonnen hätten. Seine römische Abstammung wäre in aller Zukunft angezweifelt worden.«
Mein Vater packte einen ganzen Stoß Urkunden aus, las ein wenig daraus vor und erklärte: »Das wertvollste Dokument ist der von den römischen Behörden in Damaskus bestätigte Ehevertrag zwischen Myrina und mir. Er ist ein unwiderlegbares, echtes und rechtskräftiges Zeugnis, denn als meine Gemahlin in Damaskus von mir schwanger wurde, war ich sehr glücklich und darauf bedacht, die Stellung meines zukünftigen Erben im voraus zu festigen.«
Er blickte eine Weile zur Decke empor und fuhr dann fort: »Viel schwieriger war es, über die Herkunft von Minutus’ Mutter Genaues zu erfahren. Ich hielt es damals nicht für wichtig, und wir sprachen nie darüber. Nach langwierigen Nachforschungen gelang es uns endlich, überzeugend nachzuweisen, daß ihr Geschlecht aus der Stadt Myrina herstammt, die nahe bei Kyme in der Provinz Asia liegt.
Mein Anwalt riet mir wegen der Namensgleichheit, bei meinen Nachforschungen von dieser Stadt auszugehen. Es stellte sich heraus, daß ihre Familie ihr Vermögen verlor und sich auf den Inseln im Meer ansiedelte, aber ihre Abstammung ist ohne Zweifel vornehm, und zur Bekräftigung dessen ließ ich meiner Gemahlin Myrina vor dem Rathaus in Myrina eine Statue errichten. Ich machte der Stadt noch andere Schenkungen, damit sie ihr Andenken bewahrte. Mein Bevollmächtigter ließ außerdem das ganze Rathaus, das allerdings nicht groß war, neu erbauen, und die Stadtväter machten sich erbötig, Myrinas Geschlecht bis in die Urzeit zurück zu belegen und von einem der Flußgötter abzuleiten, aber das schien mir denn doch nicht erforderlich. Auf der Insel Kos fand mein Bevollmächtigter einen alten, ehrwürdigen Priester im Äskulaptempel, der sich noch genau an Myrinas Eltern erinnerte und unter Eid versicherte, er sei Myrinas leiblicher Onkel. Als Myrinas und ihrer Brüder unbescholtene, wenngleich mittellose Eltern starben, weihten sich die Geschwister Apoll und verließen die Insel.«
»Wie gern würde ich diesen Onkel meiner Mutter kennenlernen, der doch mein einziger noch lebender Verwandter mütterlicherseits ist!« rief ich eifrig.
»Das ist ganz und gar unnötig«, sagte mein Vater rasch. »Er ist ein sehr alter Mann mit einem schlechten Gedächtnis, und ich habe dafür gesorgt, daß er bis an sein Lebensende ein Dach über dem Kopf, Speise und Trank und einen Pfleger hat. Du brauchst dir nur zu merken, daß du von der Mutter her aus vornehmem griechischem Geschlecht stammst. Später, wenn du einmal erwachsen bist, magst du dich der armen Stadt Myrina erinnern und mit einem passenden Geschenk dafür Sorge tragen, daß man dort nichts vergißt. Ich, dein Vater«, fuhr er eilig fort, »gehöre durch Adoption dem Geschlecht der Manilier an und nenne mich daher Manilianus. Mein Stiefvater, der dem Gesetz nach dein Großvater ist, war der berühmte Astronom Manilius. Er verfaßte ein astronomisches Werk, das noch heute in allen Bibliotheken der Welt studiert wird. Über deinen zweiten Namen, Mecentius, hast du dich gewiß schon gewundert. Dieser Name erinnert an meine eigentliche Herkunft. Der berühmte Maecenas, der Freund des Gottes Augustus, war ein weitschichtiger Verwandter von mir, der seine schützende Hand über meine Eltern hielt, wenngleich er sie dann in seinem Testament vergaß. Er stammte seinerseits von den Herrschern über Caere ab, die schon, lange bevor Aeneas aus Troja floh, Könige waren. Daher geht dein römisches Blut zurück auf die Etrusker. Rechtlich gesehen müssen wir uns jedoch zu den Maniliern zählen, und von den Tuskern schweigt man in Rom besser, da die Römer nicht gern daran erinnert werden, daß sie einst von ihnen beherrscht wurden.«
Mein Vater sprach so hochgestimmt, daß wir alle still und regungslos lauschten. Nur Barbus dachte ab und zu daran, sich mit Wein zu stärken.
»Mein Adoptivvater Manilius war ein armer Mann«, fuhr mein Vater fort. »Er gab sein ganzes Vermögen für Bücher und für seine Wissenschaft aus, anstatt durch seine Weissagekunst Geld zu verdienen, und es war eigentlich nur der Zerstreutheit des Tiberius zuzuschreiben, daß er seine Ritterwürde behalten durfte. Es würde zu weit führen, wollte ich von den Hungerjahren berichten, die ich in meiner Jugend hier in Antiochia als Buchhalter zubrachte. Der hauptsächliche Grund für meine bescheidene Stellung war der, daß ich mir wegen der Armut der Manilier kein Pferd leisten konnte. Als ich nach Rom zurückkehrte, hatte ich jedoch das Glück, die Gunst einer hochgestellten Frau zu gewinnen. Ihren Namen will ich verschweigen. Diese kluge, erfahrene Frau machte mich mit einer betagten, kränklichen, aber edelgesinnten Witwe bekannt, und diese vermachte mir in ihrem Testament ihr gesamtes Vermögen, so daß ich endlich mein Recht, den Goldring zu tragen, bekräftigen konnte, aber da war ich schon dreißig Jahre alt und mochte nicht mehr die Beamtenlaufbahn einschlagen. Außerdem fochten die Verwandten der Witwe das Testament an, ja sie brachten sogar die abscheuliche Beschuldigung vor, die alte Frau sei, nachdem sie das Testament abgefaßt hatte, vergiftet worden. Das Recht war auf meiner Seite, aber wegen des leidigen Prozesses und auch aus anderen Gründen verließ ich Rom und fuhr nach Alexandria, um mich dort mit gewissen Studien zu beschäftigen. In Rom wird zwar viel geklatscht, aber ich glaube nicht, daß sich noch jemand an diesen alten Streit erinnert, der von neidischen, boshaften Menschen vom Zaun gebrochen wurde. Ich spreche überhaupt nur davon, um Minutus zu beweisen, daß es nichts gibt, wessen ich mich zu schämen hätte, und daß nichts mich daran hindert, nach Rom zurückzukehren. Und ich glaube, daß wir nach allem, was geschehen ist, gut daran tun, so bald wie möglich zu reisen und solange das Wetter für die Überfahrt noch günstig ist. So bleibt mir der ganze Winter, um bis zur Jahrhundertfeier meine Angelegenheiten zu ordnen.«
Wir hatten gegessen und getrunken. Die Fackeln vor unserem Haus begannen zu schwelen und zu verlöschen, und in den Lampen versiegte das Öl. Ich selbst hatte mich so still verhalten, wie ich nur konnte, und versucht, die Finger von den Schrammen auf meinen Armen zu lassen, die schon zu jucken begannen. Vor dem Haus hatten sich einige Bettler aus Antiochia versammelt, und nach gutem syrischen Brauch ließ mein Vater die Reste des Mahls an sie verteilen. Als die Freigelassenen eben aufbrechen wollten, drängten sich zwei Juden herein, die sie erst für Bettler hielten und aus dem Haus weisen wollten. Mein Vater eilte ihnen jedoch entgegen, begrüßte sie achtungsvoll und sagte: »Nein, nein, ich kenne diese Männer. Sie sind Boten des höchsten Gottes. Gehen wir alle noch einmal hinein, und hören wir, was sie uns zu sagen haben.«