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York zuckte die Achseln. »Aber die NASA hat den Mars doch jahrelang wie sauer Bier angepriesen. Man hat ihn als eine Art Freizeitpark im Weltraum bezeichnet, auf dem es von Leben nur so wimmelte und der die vielen Milliarden sehr wohl rechtfertigte, die man in Triebwerke und Raumschiffe investieren wollte.«

»Ein Freizeitpark«, sagte Priest lachend. »Wirklich gut.«

Für York war der Mars aber viel mehr. Mariner hatte ihr Interesse für den Mars geweckt, und sie vertiefte sich in die Geschichte der Phantasien, die sich um diesen Planeten rankten. Sie besorgte sich in der Bibliothek einschlägige Werke. Der Mars als Ursprung des Lebens von Percival Lowell, New York, 1909; Der Mars und seine Kanäle von Lowell, New York, 1906. Sie hatte phantastische Bilder von großen Bewässerungskanälen gesehen, die das Antlitz eines sterbenden, verdorrenden Mars durchfurchten und ausführliche Schilderungen der wogenden Vegetation und der Tierherden gelesen, mit denen die roten Ebenen des Mars angeblich bedeckt waren. Das Mars-Projekt Wernher von Braun, University of Illinois, 1953. Auf dem Einband prangte eine große Rakete, wie bei einem Kinderbuch. Von Braun wollte zehn Raumschiffe im Erdorbit bauen, jeweils mit einer Masse von dreieinhalbtausend Tonnen und einer Besatzung von sieben Mann. Es hätte neunhundert Flüge in den Orbit bedurft, um die Flotte fertigzustellen. Zudem hatte er Zweihunderttonnen-Landungsboote projektiert, die jeweils fünfzig Mann und Vorräte für ein Jahr auf die Oberfläche bringen sollten. Diese Visionen, sagte sie sich, waren infantile Machtphantasien im Gewand seriöser Konstruktionspläne.

York hatte sich nicht weiter damit befaßt. Schon mit sechzehn hatte York ein Faible für die Stringenz und Logik der Wissenschaft gehabt; sie wurde zunehmend intoleranter gegenüber Unlogik, Wunschdenken und der emotionalen Färbung rationaler Prozesse aller Art.

(Folglich war sie den meisten Jungen, mit denen ihre Mutter sie verkuppeln wollte, weit überlegen. Obwohl man hätte annehmen sollen, daß jemand, der eine so schmutzige Scheidung hinter sich hatte wie Maisie York, gelernt hätte, sich nicht in die Beziehungen anderer Leute einzumischen.)

Für sie war der wirkliche Mars jedenfalls weitaus interessanter als Lowells anthropozentrische Träume.

Mariner hatte den Mars in einen lohnenswerten Ort für geologische - oder besser: areologische - Studien verwandelt.

Wie würde die Areologie, die Geologie des Mars, sich von der irdischen unterscheiden? Was würde man dort über die Erde erfahren, das man zuhause nie erfahren hätte? Wahrscheinlich eine ganze Menge.

Mariners dreizehntes Bild hatte sie elektrisiert.

Das dreizehnte Bild zeigte frostüberzogene Kraterwände.

Mein Gott. Nicht wie der Mond, und auch nicht wie die Erde. Der Mars ist anders. Einzigartig.

Ben musterte York interessiert und mit fragendem Blick. »Dann bist du also ein richtiger Mars-Fan. Ich sollte dich mal zum JPL mitnehmen. Dort werden die planetarischen Sonden von. He, Natalie. Vielleicht solltest du dich dort bewerben.«

»Wofür?«

»Fürs Astronauten-Corps.«

»Ich? Machst du Witze?«

»Wieso nicht? Du bist doch qualifiziert. Und wir brauchen Leute wie dich. Sogar Spiro sagt das; er glaubt, es hätten sich so wenig Leute für Apollo beworben, weil die Projekte so technikorientiert waren.«

»Stimmt doch auch.«

Priest starrte sie an. »Ich meine es ernst, Natalie. Das wäre die Gelegenheit für dich. Du könntest für Jorge Romeros Geologentrupp in Flagstaff arbeiten und die >Mond-Spaziergänger< ausbilden. Auf diese Art ist auch Jack Schmitt ins Programm gekommen, und es heißt, daß er demnächst zum Mond fliegen wird.«

»Im Moment mache ich mir eher Sorgen um dich, Ben. Wie bekommt ein Verrückter wie du überhaupt die Erlaubnis, nachts Auto zu fahren?«

»Hier.« Er nahm eine Hand vom Lenkrad, schlug den Kragen hoch und löste einen silbernen Anstecker in Gestalt eines Kometenschweifs von der Jacke.

»Was ist das?«

»Meine Astronautenspange. Bald mache ich einen Raumflug. Du brauchst das eher als ich. Nimm es. Und wenn du dann 1982 mit der Spiro Agnew als erster Mensch auf dem Mars landest, wirf sie in den tiefsten Krater und denk dabei an mich.«

»Du bist verrückt«, wiederholte sie. »Du solltest sie Petey geben.«

Er sagte nichts.

Ihre Gedanken schweiften zu Jackass Flats ab.

Sie fangen den abgeblasenen Wasserstoff nicht einmal auf. Und Mike dachte gar nicht daran, mir davon zu erzählen. Wieso nicht? Weil er mir das nicht zumuten wollte? Oder weil er die Fehler selbst nicht erkennt?

Welches Zeugnis stellen wir uns damit aus? Und - müssen wir diesen Scheiß wirklich machen und zum Mars fliegen?

Sie schloß die Finger um die Spange, die Ben ihr gegeben hatte.

Die Autobahn zog sich als vom Sternenlicht beschienenes Band durch die Landschaft. Am Horizont sahen sie schon das Glühen von Vegas.

Montag, 27. Oktober 1969 Luftwaffenstützpunkt Edwards, Kalifornien

Major Philip Stone trat 1953 mit zwanzig Jahren in die US-Luftwaffe ein.

Er wurde sofort nach Korea versetzt und flog eine Reihe riskanter Einsätze. Insgesamt glichen die Einsätze in Korea jedoch einem Tontaubenschießen. Allerdings vermochte Stone sich nicht so recht für den Luftkampf zu begeistern. Zudem bezeichneten seine Kameraden ihn als steif. Für Stone kam es indes nur darauf an, in jedem Kampf etwas dazuzulernen -entweder über seine Maschine oder über sich selbst.

Nach dem Krieg konzentrierte er seine Neugier auf etwas anderes.

Anfang der sechziger Jahre führte der Weg ins All -zumindest für die Angehörigen der Luftwaffe - über das im Experimental stadium befindliche Raketenflugzeug-Programm. Die X-15 vermittelte dem Piloten schon bei Flügen bis zur offiziell festgelegten Untergrenze des >Weltraums< in einer Höhe von achtzig Kilometern das Gefühl eines Raumflugs. Die X-15 war das Vorläufermodell der X-20, die den Piloten erst wie eine Rakete in den Orbit befördert hätte und mit der er dann wie in einem Flugzeug zurückgeflogen wäre.

Doch in einer Periode, wo die Menschen in ballistischen Kapseln wie Mercury und Gemini ins All geschleudert wurden, war die X-20 ihrer Zeit zu weit voraus, und die Kosten waren bald so hoch wie für das gesamte Mercury-Programm - ohne daß auch nur eine einzige Maschine gestartet wäre. Also wurde das Projekt eingestellt.

Nun führte der Weg in den Weltraum einzig und allein über die NASA. Neil Armstrong war als ehemaliger X-15-Pilot auch diesen Weg gegangen. Und Stone war entschlossen, in seine Fußstapfen zu treten.

Doch zuvor wollte er noch etwas erledigen.

Im Jahr 1969 war Stone siebenunddreißig Jahre alt.

»Trennung minus eine Minute.«

»Eine Minute«, sagte Stone. »Rog. Daten ein. NotstromBatterie an. Ich bin bereit, wenn du bereit bist, Kumpel.

Hauptschalter ist umgelegt, Beleuchtung des Systemschalters ist aktiviert.«

Die B-52 erreichte die Startposition über Delamar Dry Lake in Nevada. Das Raketenflugzeug löste sich wie eine schlanke schwarze Rakete mit Stummelflügeln von der Tragfläche des Bombers. Das mit flüssigem Sauerstoff und Ammoniakanhydrid gefüllte Projektil war startbereit.

Stone war in der X-15 hermetisch eingeschlossen. Das Triebwerk der B-52 befand sich vielleicht einen Meter über seinem Kopf, doch Stone, der in der Druckkanzel wie in einem Kokon eingesponnen war, hörte den Lärm kaum. Aus dem Augenwinkel sah er die Rotte der Abfangjäger, welche die B-52 eskortierten. Nach diesem Flug ist >verdammt noch mal< Schluß.

Nach fünfzehn Jahren neigte das X-15-Programm sich dem Ende zu. Es gab nur noch eine flugfähige X-15: diese hier, die X-15-1. Die Maschine flog ihren ersten Einsatz im Jahre 1960. Sie war ein Veteran mit neunundsiebzig Einsätzen auf dem Buckel. Die Besatzung von Edwards wollte das Programm mit diesem, dem zweihundertsten Flug abschließen. Man hatte Phil gebeten, sich dafür zur Verfügung zu stellen. Doch dann war es über einer Reihe von Verzögerungen und technischen Pannen Winter geworden, und nun fand der Flug ein Jahr später statt als ursprünglich geplant.