Выбрать главу

Dana räusperte sich und rückte die Brille zurecht. Die Bewegungen waren sparsam und präzise; fast schien er um Entschuldigung zu heischen. »Die Analysen haben ergeben, daß die primäre Ursache für den Defekt zu diesem Zeitpunkt bei den Speiseventilen lag, die in die Unterseite des Sauerstofftanks der MS-IC eingelassen sind. Durch sie fließt der Sauerstoff in die Haupttriebwerke. Tests haben gezeigt, daß unter bestimmten Bedingungen die Ventil-Konstruktion ins >Flattern< gerät und den Sauerstofffluß absperrt, was einen Totalausfall aller F-IA-Triebwerke zur Folge hat. Wie wir es hier beobachtet haben. Die Frequenz des potentiellen Flatterns liegt im Bereich der Frequenz der Start->Dehnung< und der Schwingungen, die durch Instabilitäten beim Brennen der Feststoff-Booster auftreten.«

Udet massierte sich die Nasenwurzel und versuchte die Gereiztheit zu unterdrücken, die in ihm aufstieg. Das wissen wir schon. Meine Arbeitsgruppe in Marshall und die Auftragnehmer haben diese Primärursache binnen einer Stunde nach dem Defekt unabhängig voneinander ermittelt. Aufgrund der >Dehnung< hatte die Saturn vom Start weg mit drei bis vier Hertz vibriert. Dann waren bei einem der Booster Längsschwingungen mit etwa der gleichen Frequenz aufgetreten. Solche Oszillationen waren zuvor auch schon beobachtet worden. Diesmal hatten die Schwingungen jedoch fast gleichzeitig eingesetzt. Deshalb induzierte diese Frequenz, wie sich später herausstellte, stehende Wellen im Ventilsystem, das den Flüssigsauerstoff zu den Haupttriebwerken beförderte.

Das wissen wir längst, und wir arbeiten bereits an der Lösung des Problems. Ist das alles, was Sie uns zu sagen haben, Doktor Dana?

Doch nun legte Dana erst richtig los und sagte, daß schon ein paar Tests, die während der Konstruktionsphase der MS-IC erfolgt waren, die Möglichkeit einer Resonanzkatastrophe aufgezeigt hätten. Dennoch sei das bei der Konstruktion der Stufe nicht berücksichtigt worden. Er wies sogar auf die Probleme hin, die beim Flug der Apollo-N aufgetreten waren, als die Rakete wegen ähnlicher Resonanzeffekte ins Taumeln geraten war.

Die Bezugnahme auf die Apollo-N-Havarie machte Udet klar, in welche Richtung der Bericht zielte.

Das war lächerlich; jeder, der sich der Komplexität eines Raumschiffs wie der Saturn - mit Millionen beweglicher Teile - bewußt war, wußte auch, daß es unmöglich war, bei der Konstruktion jedes vorstellbare Problem auszuschließen. Dazu hatte man weder die Zeit noch die Ressourcen; der realistische Ansatz bestand darin, die Risiken abzuwägen und einen Kompromiß zu finden zwischen dem, was vertretbar war und was geändert werden mußte. Wenn man auf die perfekte Rakete warten wollte, konnte man ewig warten!

Udet war zum Umfallen müde. Er war bereits achtundsechzig Jahre alt. Und manchmal - vor allem nach von Brauns Tod -fragte er sich, ob der Kampf die Mühe überhaupt noch wert war, ob er noch die Kraft hatte, die Amerikaner von der Notwendigkeit der großen Raketen zu überzeugen, die er für sie baute.

Udet war in Wernher von Brauns Fußtapfen getreten, als dieser vor einem Jahrzehnt in den Ruhestand gegangen war. Er hatte sogar Wernhers Büro im neunten Stock der MarshallZentrale geerbt. Dennoch gab Udet sich nicht der Illusion hin, er sei ein gleichwertiger Ersatz für Wernher. Die Amerikaner hatten von Braun regelrecht vergöttert: er rief bei ihnen denselben Reflex hervor, sagte Udet sich gehässig, wie Fernsehprediger und Autohändler. Zumal es den Anschein hatte, als ob seine Vergangenheit - eine mögliche Verstrickung in Kriegsverbrechen während der Zeit in Peenemünde -Wernher nicht tangierte.

Wie dem auch sei, Wernher war nun tot. Und Udet befand sich in einer ganz anderen Situation. Er wußte, daß er die Aura des typischen preußischen Aristokraten ausstrahlte, auch wenn er sich noch so sehr bemühte, das abzustreifen. Die Amerikaner vertrauten Udet nicht und unterstellten ihm ständig Übles, was sie bei von Braun nie getan hatten.

Und er hatte mitansehen müssen, wie Gregory Dana in der Hierarchie der NASA aufgestiegen war. Der Umstand, daß er der Vater des verlorenen Helden James war und daß sein anfangs geschmähter Missions-Modus nun als Grundlage für das neue Mars-Programm diente, hatte Dana fast in den Rang eines Volkshelden erhoben.

Und nun verriß Dana mit leidenschaftsloser Stimme Udets Lebenswerk, wie ein gnadenloser Staatsanwalt.

Udets dunkler, gnomenhafter Zwilling.

»Etwa achtundsiebzig Sekunden nach dem Start entwickelte sich eine Dynamik, die dann in kürzester Zeit zum Abbruch des Flugs führte. Die telemetrischen Daten, welche durch die visuellen Beweise der Fotos gestützt werden, zeigen mannigfaltige Aktionen der Flugsysteme, während die Saturn gegen die Kräfte der Zerstörung ankämpfte.

Nach achtundsiebzig komma neun Sekunden brach die untere Strebe zwischen Booster Vier und der MS-IC. Vielleicht wurde sie auch abgeschert. Dieser Vorgang wurde offenbar durch die enorme Scherbelastung verursacht, der die Rakete nach dem Ausfall der Haupttriebwerke unterlag. Daraufhin schaukelte Booster Vier um die obere Befestigungsstrebe. Aus diesen Bewegungen resultierten die abweichenden Gier- und Nick-Werte der übrigen drei Zusatztriebwerke.

Nach neunundsiebzig komma eins vier Sekunden wurde ein um den gesamten Umfang der MS-IC verlaufendes Muster aus weißem Dampf beobachtet. Dies markierte das strukturelle Versagen des Treibstofftanks der MS-IC, das in der Abtrennung der unteren Kuppel des Tanks kulminierte. Das Ausströmen großer Mengen RP-1 aus dem Tank erzeugte einen plötzlichen Vorwärtsschub von etwa fünfzehnhundert Tonnen, wodurch der Treibstofftank durch den Triebwerksmantel in

Richtung der S-II geschoben wurde. Ungefähr zur selben Zeit drang der schlenkernde Booster Vier in den unteren Teil des Flüssigsauerstofftanks der MS-IC ein. Diese Struktur versagte nach achtundsiebzig komma eins drei sieben Sekunden, was durch den in diesem Abschnitt ausströmenden weißen Dampf ersichtlich wird.«

Jedes einzelne der auf der Leinwand erscheinenden Bilder wurde von Dana trocken und analytisch kommentiert. Die Aufnahmen waren durch die Entfernung und den ausströmenden Dampf unscharf; dennoch war deutlich zu sehen, wie der halb losgerissene Booster sich in die Flanke der ersten Stufe bohrte.

Dann füllte gleißende Helligkeit das Bild aus.

»Innerhalb weniger Millisekunden entzündete der aus der Unterseite des geborstenen Tanks strömende Treibstoff sich mit explosiver Wucht. In diesem Punkt der Trajektorie war die mit Mach eins komma neun zwei und in einer Höhe von sechsundvierzigtausend Fuß fliegende Saturn bereits in einen Feuerball gehüllt. Das Reaktionssteuerungs-System des Apollo-Raumschiffs fiel ebenfalls aus, und es kam zu einer hypergolischen Verbrennung des Treibstoffs. Die rötlichbraune Farbe dieser Verbrennung ist am Rand des Feuerballs sichtbar. In diesem Punkt explodierte auch die zweite Stufe und fachte den Feuerball mit weiteren fünfhundert Tonnen Brennstoff und Sauerstoff an. Die einer starken dynamischen Belastung ausgesetzte Rakete war mittlerweile in mehrere große Sektionen zerbrochen, die aus dem Feuerball hervorstießen. Aus dem Film geht hervor, daß es sich bei diesen Sektionen um die Instrumentenkapsel mit einer Vielzahl durchtrennter Kabel handelt sowie um das Haupttriebwerk der ersten Stufe, aus dem noch immer Dampf austritt.«

Die oberen Sektionen der Saturn explodierten nicht. Sie hatten sich bereits von der zerbrechenden Rakete gelöst und wirbelten durch die Luft, die bei dieser Geschwindigkeit so hart wie Stein war. Die Luft schlug die Saturn gleichsam kurz und klein.

Nun erschien auf der Leinwand das Bild, das schon seit Tagen über die Mattscheiben flimmerte: ein orangefarbener Feuerball hing über Florida, und die vier Feststoff-Booster jagten auf erratischen Bahnen durch den Himmel, wobei sie weiße Rauchwolken wie erstarrte Blitze hinter sich herzogen.