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Im wissenschaftlichen Lager regte man sich darüber auf, daß alle drei Astronauten, die als Erstbesatzung für den Mars-Flug

vorgesehen waren, aus den Reihen des Militärs stammten. Adam Bleeker, der in den von York geleiteten Geologiekursen gute Leistungen erbrachte und dem von allen Seiten Intelligenz, Kompetenz und Erfahrung als Astronaut bescheinigt wurde, war in den Augen der Eierköpfe dennoch eine Fehlbesetzung als Missions-Spezialist. Die Akademie der Wissenschaften und das Geologische Institut der USA betonten immer wieder, daß die NASA mit Natalie York über eine exzellent qualifizierte Mars-Expertin verfügte, aber einfach nicht bereit sei, sie bei der Mission zu berücksichtigen. Und die anderen Wissenschaftler im Astronauten-Korps, die Geochemiker, Geophysiker und Biowissenschaftler, waren auch übergangen worden.

Es war genau das gleiche wie bei Apollo, sagten sie.

York hatte gezeigt, daß sie auch unter Druck gute Arbeit leistete - zum Beispiel als Capcom bei Apollo-N -, und sie hatte eine eindrucksvolle Bilanz im Simulator vorzuweisen. Sie wäre für den Flug wohl geeignet.

Muldoon wußte, daß er der wissenschaftlichen Lobby den Wind aus den Segeln nehmen würde, wenn er York zur Missions-Spezialistin ernannte. Zumal, so sagte er sich, eine Ernennung von York auch den günstigen Nebeneffekt hätte, ein paar andere Interessengruppen ruhigzustellen - die Minderheitenvertreter -, die sich schon die ganze Zeit darüber beschwerten, daß die NASA angeblich nur Männer weißer Hautfarbe ins All schickte.

Also aktualisierte er die Namensliste unter diesen Gesichtspunkten:

CDR: Stone. MSP: York. MMP: Curval.

Doch York war eine Anfängerin.

Er erinnerte sich, was York beim Vorstellungsgespräch gesagt hatte. Wir müssen einen Wissenschaftler zum Mars schicken. Aber ein toter Wissenschaftler auf dem Mars würde uns nicht viel nützen. Es handelte sich hier nicht um eine lustige Landpartie, sondern um eine langfristige WeltraumMission mit dem Einsatz ebenso komplexer wie störanfälliger Technik.

Wenn er sich vor Augen führte, was sie hier überhaupt taten, kam die Sache ihm manchmal richtig irreal vor. Sie wollten drei Menschen in einem labberigen Ensemble aus Blechbüchsen auf eine fünfundsechzig Millionen Kilometer weite Reise schicken. Und dann hegten sie auch noch die Hoffnung, daß die Erzeugnisse des Maschinenbaus, die in Lees Klitsche in der Provinz zusammengeschraubt wurden und die Erfahrung, die man binnen einer Generation mit Flügen in der Erdatmosphäre gesammelt hatte, hinreichend seien, um der Besatzung eine sichere Landung auf der Oberfläche eines fremden Planeten zu ermöglichen.

Die Größe - die Kühnheit - des Projekts war schier überwältigend. Dabei war er immerhin schon auf dem Mond spazierengegangen.

Vielleicht gingen sie wirklich zu weit - und zu schnell, wie viele Leute sagten.

Er tat das mit einem Achselzucken ab. Wie dem auch sei, sie würden zum Mars fliegen.

Was Muldoon betraf, so war es besser, einen Menschen auf den Mars zu schicken, als wissenschaftliche Forschungen mit ungewissen Resultaten zu betreiben. Von seinem Standpunkt aus wurden die Erfolgsaussichten dadurch maximiert, indem er seine drei besten Flieger hochschickte: Leute, die den extremsten körperlichen Belastungen, die der Heimatplanet zu bieten hatte, gewachsen waren. War nur zu hoffen, daß das auch für den Mars reichte.

Obwohl er durchaus von York beeindruckt war, hatte er dennoch Bedenken. Diese Intensität. Beim Eintritt in die NASA hatte sie einen Groll gegen die ganze Welt gehegt, und soweit er es zu beurteilen vermochte, war dieser Groll in der Zwischenzeit nur noch stärker geworden. Dieses gottverdammte Zusammenziehen der Augenbrauen. Sie würde ihre Kameraden binnen eines Monats in den Wahnsinn treiben.

York war einfach noch nicht soweit. Es war eine Schande.

Er strich die Liste durch.

Zumal es auch gar nicht die Besetzung des MSP war, die ihm im Moment die größten Sorgen bereitete, sondern der MMP.

Er hörte von den Missions-Controllern und anderen viel Schlechtes über Ted Curvals Leistungen.

Curval war einer der besten Testpiloten, mit denen Muldoon bisher zusammengearbeitet hatte. Und Phil Stone, sein Kommandant, verhielt sich ihm gegenüber äußerst loyal. Doch es haperte an Curvals Einstellung.

Curval war unglaublich arrogant. Er betrachtete seine Ernennung als selbstverständlich und schien die Ansicht zu vertreten, es genüge, die Leute mit seiner Anwesenheit zu beglücken, während des Trainings Faxen zu machen und dann ins MEM zu steigen, wenn es soweit war. Null Problemo. So entsprachen zum Beispiel die Leistungen im Simulator nicht den Erwartungen der Simulationsleiter.

Muldoon hatte Stone schon darauf angesprochen; er war der Ansicht, daß es Stone als Kommandanten der Besatzung oblag, Curval zur Raison zu bringen.

Jeder wußte, wie schwierig es war, die Beherrschung eines Systems zu erlernen, das um Größenordnungen komplexer war als alle Raumschiffe, die bisher geflogen waren. Das enthob Curval aber nicht der Verpflichtung, sich zusammenzunehmen. Nur daß Curval keinerlei Anzeichen der Besserung zeigte, ganz zu schweigen von der Einsicht in die Notwendigkeit einer solchen Besserung.

Insgeheim verglich Muldoon Curval mit einem anderen guten Piloten: Ralph Gershon.

Muldoon beobachtete Gershon schon seit einer Weile. Der Mann übernahm bereitwillig jeden Auftrag, der ihm erteilt wurde. Muldoon hatte Gershons Leistungen im Simulator verfolgt und vernommen - ironischerweise von Ted Curval selbst -, mit welcher Entschlossenheit Gershon versucht hatte, ans Marslandungs-Trainingsgerät heranzukommen und daß er das Gerät nun virtuos beherrschte. Darüber hinaus hatte er viel Zeit in Newport Beach verbracht und sich an der langwierigen Entwicklung des MEM beteiligt.

Gershon brachte sich allmählich selbst in eine Position, wo er sich automatisch als MEM-Pilot qualifizierte.

Dessen war er sich wohl bewußt - wahrscheinlich arbeitete er sogar darauf hin -, doch ein Fehler war das nicht. Damit bewies Gershon nämlich, daß er das System durchschaut hatte und sich an die Spielregeln hielt.

Der Kontrast zum selbstgefälligen Curval war augenfällig. Muldoon schätzte Gershons Potential als Pilot zwar nicht ganz so hoch ein wie das von Curval, doch Curval zeigte keinerlei Anzeichen, daß er sich des Potentials überhaupt bewußt war, das er besaß.

Zumal die Ernennung von Gershon auch eine andere Fraktion der Minderheiten-Lobby ruhigstellen würde. Amerikas erster Schwarzer im Weltall. Andererseits war Muldoon nicht bereit, sich bei seiner Entscheidung von solchen Erwägungen leiten zu lassen. Wenn der Eindruck aufkam, daß Gershon unverdient bevorzugt wurde - wenn er bei dieser Mission Leuten vorgezogen wurde, die besser qualifiziert waren -, dann würden Muldoon sofort hundert Kündigungen auf den Schreibtisch flattern. Und Muldoon würde sie bündeln, seine eigene Kündigung obendrauf legen und Josephson zusenden. In dieser Hinsicht würde er keine Kompromisse eingehen.

Was ihm viel mehr Sorgen bereitete, war der Umstand, daß Gershon als Astronaut ein Anfänger war. Und dann stellte sich natürlich auch die Frage nach Gershons Belastbarkeit - was auch ein Grund dafür war, weshalb er trotz der langen Zugehörigkeit zur NASA noch immer nur dem >Bodenpersonal< angehörte.

Gershon war in Vietnam gewesen.

Das war ein anderer Krieg gewesen als die Waffengänge, von denen die Alten sangen. Gershon war ein Einzelgänger, ein Junggeselle, der vielen Kollegen zu wild und exzentrisch war -vor allem den älteren Semestern, die auf ihre Weise erzkonservativ waren.

Das stempelte Gershon zum Risikofaktor. Letztlich kam es jedoch darauf an, daß Gershon das MEM wahrscheinlich noch in Situationen landete, wo viele Piloten entweder abbrechen oder sogar eine Bruchlandung verursachen würden.