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Nun teilte der Klumpen aus Erbrochenem sich. Eine Hälfte driftete zur Wand, und die andere nahm geradewegs Kurs auf Gershon.

»Scheiße«, sagte Gershon angewidert und versuchte auszuweichen.

Der Klumpen traf ihn an der Brust; er löste sich sofort auf und verteilte sich wie ein Spiegelei über den ganzen Anzug. Wieder Oberflächenspannung, sagte York sich geistesabwesend.

»Mein Gott«, sagte Gershon. »Scheiße.«

Stone reichte Gershon ein paar Reinigungstücher. »Komm schon, Mann. Das hätte jedem von uns passieren können. Wir müssen hier saubermachen.«

Also turnten sie in der Kabine umher und versuchten, mit Papiertüchern und Plastikbeuteln Brocken von Erbrochenem einzufangen.

Wo ihr Magen sich nun beruhigt hatte, sagte York sich, daß es im Grunde gar nicht so unangenehm war. Es war fast so, als ob sie Schmetterlinge jagte.

»Numerische Steuerung Eins - Brennphase«, sagte Stone. Er betätigte den Schalter für die Schubkontrolle und blickte auf die Instrumente.

York empfand die Brennphase als heftig und unregelmäßig. Sie wurde wieder auf die Liege gedrückt; die Beschleunigung war zwar gering, aber nachhaltig.

Durchs Fenster sah sie, wie die Schubdüsen der Triebwerke für die Lage- und Bahnregelung Wasserdampf ausstießen; sie hatte den Eindruck, sich über einen Boden aus dunklem, mit Frost überzogenem Glas zu erheben. Die Kontinente waren von Ketten aus hellen Lichtpunkten gesäumt, die sich wie Straßenlampen aus der Vogelperspektive ausnahmen. Nur daß es sich bei diesen Punkten nicht um Straßenlampen handelte, sondern um Städte.

Sie rutschte auf der Liege herum und schaute nach vorn, auf die Masse des Planeten.

Sie sah die Schicht aus glühender Luft, die helle Schicht aus ionisiertem Gas am Rand der Atmosphäre. Die klar definierte Linie täuschte einen Sonnenaufgang vor. Und dann sah sie, wie erst ein Ausschnitt des Himmels eine blaue Färbung annahm und wie dieses Blau sich dann entlang des Horizonts ausbreitete. Die Farbpalette wurde vielfältiger und verschmolz zu einem hellen Fleck, bei dem es sich um die aufgehende Sonne handelte. Die Krümmung der Erde wurde in alle Farben des Spektrums getaucht. Das Licht der Dämmerung erreichte sie durch die Schicht der Atmosphäre; für einen kurzen Moment sah sie die Schatten der Wolken, die über die orangefarbene Meeresoberfläche zogen.

Dann stieg die Sonne so hoch, daß sie die Wolken von oben anstrahlte. Das Meer nahm eine rote Färbung an, und der Horizont schickte einen Schwall blauweißen Lichts zu ihr herüber.

Spontan griff sie in die Tasche des Druckanzugs und holte eine Handvoll von dem Gras heraus, das Wladimir Wiktorenko ihr gegeben hatte. Sie legte es auf den Handteller und zerrieb es vorsichtig; es verströmte ein süßliches Aroma, wie ein Kraut. Es war polin, eine Art von Wermut, der in der Steppe von Kasachstan gedeiht.

Stone beendete die Brennphase. Der Knopf sprang wieder heraus. »Zweihundertsieben Fuß pro Sekunde«, sagte er.

»Alles klar«, murmelte Gershon. »Hundertfünfundneunzig zu zweihunderteins.«

»Bestätigt die Brennphase, Ares«, rief Young. »Ihr seid vierhundert Kilometer vom Landeplatz entfernt, Distanz abnehmend.«

»Bestätigt, John. Vorbereitung auf Numerische Steuerung Zwei.«

Die Besatzung hatte mit der Hälfte der Ares den Orbit erreicht: die Apollo-Kommandokapsel, die Betriebs- und Versorgungseinheiten, das Mars-Exkursions-Modul - das MEM - sowie das Missionsmodul, das ihnen während der Reise als Unterkunft dienen würde. Der Rest - das Raketentriebwerk mit den Brennstofftanks - war bereits im Orbit stationiert und montiert worden. Nach ihrer Rückkehr würden sie dort andocken.

Das Missionsmodul war ein kompakter Zylinder, an dessen Vorderseite die Apollo wie ein filigraner silberner Kegel angeflanscht war. Das MEM - ein gedrungener Kegelstumpf -befand sich an der Rückseite. An der Grundfläche der Verkleidung des MEM war ein Orbitales Manöver-Modul angeflanscht, das mit einem modifizierten Antriebssystem der Apollo-Betriebs- und Versorgungseinheit bestückt war. Das OMM würde abgestoßen werden, bevor sie an der Mehrstufenrakete andockten. Doch zunächst mußte Stone das OMM viermal feuern lassen, um die Mehrstufenrakete ins All zu jagen.

»Bereit für NCC«, meldete Stone.

»Bestätigt«, sagte Young. »Hundertvierzig Kilometer, Tendenz abnehmend.«

Der Korrekturstoß machte sich als kurzes Zischen bemerkbar.

»Natalie, du müßtest nun die Triebwerke sehen«, murmelte Stone. »Direkt in Flugrichtung.«

York drückte sich die Nase am Fenster platt. Die kurzen Zündungen positionierten die Ares bruchstückweise in immer höhere Orbits, bis die Ares die Mehrstufenrakete schließlich überholen würde.

Das Schiff flog nun deutlich höher als beim Eintritt in den Orbit. Die Erdkrümmung war viel ausgeprägter, und sie sah ganze Landmassen mit Wolkentupfern.

Plötzlich sah sie es: einen silbrig glänzenden Stift, der über dem Horizont hing.

»Ich sehe ihn.«

»Da bin ich aber erleichtert«, sagte Stone trocken. »Houston, ich leite die koelliptische Kombinationszündung mit achtundzwanzig Fuß pro Sekunde ein.«

»Bestätigt, Phil.«

Ein Ruck fuhr durchs Schiff.

»Schub diesmal etwas zu gering, Ares. Eins komma sechs Fuß pro Sekunde.«

»Bestätige das«, sagte Gershon und gackerte Stone in gespielter Empörung an.

»Euer Orbit liegt nun sechzehn Kilometer unter dem des Triebwerks. Entfernung beträgt hundert Kilometer und nimmt weiter ab.«

»Rog«, sagte Stone. »Einleitung der letzten Phase.« York hörte    Elektromagneten    klacken,    während    Stone per

Knopfdruck die Bremsdüsen feuern ließ.

»Wünsche maximalen Wirkungsgrad, Ares«, sagte Young. »Ihr kommt mit vierundvierzig Metern pro Sekunde rein.«

Stone führte noch zwei weitere Kurskorrekturen und fünf Bremsmanöver durch. Dann, vielleicht einen Kilometer von den Triebwerken entfernt, peilte er die Mehrstufenrakete im rechten    Winkel an und    führte die    Apollo-Kapsel in einem

kurzen    Inspektionsflug    an den Triebwerken    vorbei. Die

Bremsdüsen feuerten, und York wurde in die Gurte gepreßt.

York    sah die Mehrstufenrakete    gravitätisch    am Fenster

vorbeirollen.

Die kompakte Mehrstufenrakete war randvoll mit Treibstoff. Das Herzstück war ein wuchtiges MS-II-Triebwerk, eine zweite Saturn-Stufe, die zu einem Triebwerk für den Einschuß in eine Transferbahn modifiziert worden war. An der Vorderseite der MS-II war eine zylinderförmige MS-IVB angeflanscht, eine modifizierte dritte Saturn-Stufe. An beiden Seiten der MS-II waren die beiden Außentanks angebracht, deren silbrige Zylinder so groß waren wie die MS-II-Stufe selbst. Diese Zusatztanks enthielten über tausend Tonnen flüssigen Sauerstoff und Wasserstoff, den die Ares benötigen würde, um den Erdorbit zu verlassen.

Die MS-II und die Tanks wirkten wie drei dicke Würstchen, aus deren Mitte der Stift der MS-IVB herausragte. Der Rest des Ares-Ensembles - das Missionsmodul, das MEM und Apollo -würde an der Vorderseite des MS-IVB andocken und in der Gesamtheit das erste Mars-Raumschiff ergeben, eine knapp hundert Meter lange Nadel.

Die Mehrstufenrakete war so konfiguriert, daß sie auf die Sonne wies. Somit wurde die Verdunstung des TieftemperaturBrennstoffs in den Tanks auf ein Minimum reduziert. Die Verstrebungen und Steuerdüsen warfen Schatten auf die in der Sonne leuchtenden silbernen Hüllen der Brennstofftanks. Die Unterseite der Triebwerke wurde vom Licht der Erde mit seinen blauen und grünen Pastelltönen angestrahlt. Sie sah die Klappen der Sonnensegel, die an der Seite der MS-IVB-Stufe wie Flügel zusammengefaltet waren. Die Sonnensegel würden sich entfalten, wenn Ares sich auf dem Flug zum Mars befand. UNITED STATES stand in dicken roten Lettern auf der Hülle der MS-II, wobei dieser Schriftzug noch einmal in kleineren Buchstaben auf den Schutzklappen der Sonnensegel erschien. Dort war auch das NASA-Logo abgebildet. Sie sah die Streben und Stifte, mit denen die Außentanks an den Flanken der MS-II befestigt waren und die golden glänzenden Schlünde der vier J-2S-Triebwerke der MS-II, bei denen es sich um verbesserte Versionen der Triebwerke handelte, die Apollo zum Mond befördert hatten.