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Das würde wahrscheinlich kein Ende mehr nehmen. Und sie haßte es jetzt schon.

Sie beneidete Phil Stone, mit dem guten Aussehen und dem leichten Kansas-Dialekt - die Ikone des heldenhaften Astronauten -, um die Gelassenheit, mit der er selbst die dümmsten Fragen beantwortete und auch solche, auf die er schon x-mal eine Antwort gegeben hatte. Und Ralph Gershon -der glorreiche, wagemutige Junggesellen-Astronaut - war zum Liebling der Presse avanciert: des ansteckenden Grinsens wegen, der flotten Sprüche sowie der gefährlichen und geheimnisvollen Aura, die er verbreitete. Auch wenn Rick Llewellyn jedesmal, wenn er den Mund aufmachte, sichtlich nervös wurde. York hatte dennoch den Eindruck, daß unterschwelliger Rassismus in der gönnerhaften Art und Weise mitschwang, in der Gershon behandelt wurde.

Apropos York: obwohl sie nach eigener Einschätzung am wenigsten in der Lage war, dem Mediendruck standzuhalten, war sie doch diejenige, der das größte Interesse zuteil wurde. Und zwar aus den falschen Gründen.

Es begann am Tag nach der Bekanntgabe der Besatzung. In allen Zeitungen erschien das alte NASA-Foto, auf dem sie mit dem Modell des längst nicht mehr aktuellen Doppelkegel-MEM zu sehen war. >Diese stille, fleißige und engagierte Wissenschaftlerin.< >Der Rotschopf Natalie York ist mit 37 noch unverheiratet und kinderlos. < Wir fragten die Kosmetikerin Marcia Forbes, wie sie die erste Amerikanerin im Weltraum aufpeppen würde. >Nun, da müßten wir zunächst mal was wegen dieser Augenbrauen tun.< >Diese 35-jährige Einwohnerin von LA mit einer Frisur wie ein Wischmop. < >. Die mittelgroße, brünette Natalie York mit einer Kurzhaarfrisur scheut angeblich die Öffentlichkeit. < >Das dunkle kurze Haar und das aparte südländische Aussehen machen Natalie nicht nur zu einer ebenso glamourösen wie geheimnisvollen Frau, sondern auch zur natürlichen Besetzung als Amerikas erste Frau auf dem Mars.<

Haar, Augenbrauen und Zähne. Sie wurde noch verrückt.

Inzwischen hatte man auch schon ihre Mutter aufgespürt, die sich über die Publizität freute, sowie Mike Conlig und seine neue Familie, die sich nicht darüber freuten.

Es hätte ihr schon geholfen, wenn die NASA sie auf den Umgang mit den Medien vorbereitet hätte; und wenn es sich nur um ein grundlegendes Kommunikations-Training gehandelt hätte. Doch statt dessen lautete die Prämisse: Blamieren Sie die NASA nicht.

Manche Fragen waren pointierter als andere.

»Ist der Fall von Adam Bleeker denn nicht als Beleg dafür zu werten, daß wir noch nicht soweit sind, Menschen auf so lange Missionen zu schicken? Daß wir noch nicht genug über die Auswirkungen der Mikrogravitation auf den Körper wissen? Daß die Ares-Mission an sich eine unverantwortliche Aktion ist?«

»Sie haben sicher recht damit, daß wir noch nicht genug wissen«, sagte Muldoon ruhig. »Doch wir werden dieses Wissen nur erlangen, indem wir ins All fliegen, in der Mikrogravitation arbeiten und die Auswirkungen studieren. Natürlich gibt es auch Gefahren, doch wir akzeptieren sie als Teil des Auftrags. Sie sollten wissen, daß Adam trotz der medizinischen Risiken unbedingt am Flug teilnehmen wollte; und ich weiß auch, daß jeder im Astronauten-Büro gern für ihn einspringen würde.«

»Ralph, möchten Sie etwas zu den Einsätzen in Kambodscha sagen?«

»Das ist alles in den öffentlichen Archiven enthalten, und ich habe dem auch nichts hinzuzufügen. Das ist lange her.«

»Aber wie haben Sie sich gefühlt, als Sie Berichte fälschen und eine langjährige Tarnung aufrechterhalten mußten, bevor.«

»Das können Sie in meinen Memoiren nachlesen, Will.«

Gelächter.

»Was ist mit Apollo-N?«

Muldoon biß fast ins Mikrofon. »Äh. was soll damit sein?«

»Ich habe an einer Führung durch das JSC teilgenommen und große, heroische Maschinen gesehen. Lauter Gedenktafeln für Apollo 11. Das Kontrollzentrum als nationaler Wallfahrtsort -na schön. Doch nach dem, was ich am JSC gesehen habe, hätte

Apollo-N nicht verunglücken dürfen, und schon gar nicht hätte ein Feuer in Apollo 1 ausbrechen dürfen. Was ist los mit euch Leuten? Wie könnt ihr nur behaupten, es sei alles in Ordnung und es würde nie etwas passieren?«

»Das behaupten wir doch gar nicht«, sagte Muldoon. »Aber wir denken auch nicht den ganzen Tag an den Absturz.«

»So bezeichnet ihr das also? Als Absturz? Das verdammte Gerät ist nicht abgestürzt, sondern im Orbit explodiert.«

»Wir müssen aus den Fehlern lernen, weitermachen und dafür sorgen, daß die Verluste nicht umsonst waren. Wir können es uns nicht leisten, über Vergangenem zu grübeln und Pläne nicht zu verwirklichen.«

»Sehen Sie, ich bin nicht von hier. Ich habe gesehen, daß das JSC von Apollo-N-Parkplätzen und Einkaufspassagen umgeben ist. Es gibt sogar einen Apollo-N-Gedächtnispark, um Himmels willen. Meint ihr Leute denn nicht, eine derart spontane und deutliche Reaktion der Öffentlichkeit hätte eine substantiellere Antwort verdient als das Versprechen, >aus den Fehlern zu lernen<?«

Ja, zum Teufel, sagte York sich. Manch einer am JSC vertrat die Ansicht, die Passagen und dergleichen seien geschmacklos und irgendwie unwürdig. York teilte diese Meinung nicht; wie der Reporter implizierte, handelte es sich bei solchen Dingen um Symbole, mit denen die Leute im Land auf die menschliche Tragödie reagierten. Natürlich benannten sie Parkplätze und Einkaufspassagen nach Apollo-N: was, zum Teufel, hätten sie denn sonst nehmen sollen?

Aber sie verstand auch die Einstellung der Piloten. Sie nahmen die Toten als gegeben hin, ließen Apollo-N ruhen und machten weiter. Ben hätte es genauso gemacht. Es war für einen Außenstehenden zwar schwer nachzuvollziehen, doch das war eben die NASA-Kultur.

Nur daß York kein Pilot war. Nach Bens Tod hatte sie ihre Rolle in der NASA für lange Zeit kritisch hinterfragt. Als ob nicht schon genug Zweifel an ihr genagt hätten.

Sie entrann diesem Dilemma, indem sie mit sich selbst abmachte, daß sie alles, was sie fortan tat, für Ben tat. So einfach war das.

Eine energische Frau erhob sich. »Natalie, was sagen Sie als Wissenschaftlerin zu dem Vorwurf, die Mars-Expedition sei eine Täuschung? Daß Sie, anstatt zum Mars zu fliegen, für ein Jahr in einem Studio in Nevada weggeschlossen werden und um eine Attrappe des MEM herumhampeln?«

Nun reichte es ihr. York war empört. Sie beugte sich so weit nach vorn, daß sie fast das Mikrofon verschluckt hätte. Ihre Stimme dröhnte aus den Lautsprechern. »Sehen Sie, für einen solchen Mist habe ich wirklich keine Zeit. Wir trainieren für eine Weltraum-Mission, um Himmels willen. Weshalb sollten wir unsere Zeit verschwenden und uns noch mehr unter Druck setzen, nur um auf saudumme Fragen von Arschlöchern wie.?«

Phil Stone legte die Hand auf das Mikrofon.

»Ich weiß, wie Natalie sich fühlt«, sagte er gleichmütig. »Glauben Sie mir. Diese Bemerkung entbehrt einfach jeder Grundlage. Der beste Beweis, den ich Ihnen für die Echtheit unserer Mission anzubieten vermag, ist folgender: es ist wahrscheinlich technisch einfacher, wirklich zum Mars zu fliegen, als den Flug zu simulieren.«

Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite, und der kritische Moment wurde überspielt.

York zwang sich zur Ruhe. Sie wußte, daß Rick Llewellyn ihr später eine Standpauke halten würde.

»Was ist mit Sex?«

»Wie meinen Sie das?« fragte Stone.

Nun stand ein männlicher Reporter in einem zerknitterten Inspektor Columbo-Regenmantel auf. Er hatte ein Grinsen im Gesicht. »Ganz einfach - was ist mit Sex? Ihr seid alle normale, gesunde Erwachsene - Amerikas erste gemischte Raumschiffsbesatzung -, und ihr werdet für achtzehn Monate in diesem kleinen Missionsmodul eingesperrt sein. Und Ralph und Natalie sind nicht einmal verheiratet. Kommt schon. Zwei Männer und eine Frau. Was für eine Situation.«