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Yorks Wangen glühten. Ich würde am liebsten abhauen. Genau. Und sich auch gleich von der Mission verabschieden.

Gershon feixte. Ihm machte das alles großen Spaß.

Stone schürzte die Lippen. »Ich weise auf die offizielle NASA-Dienstvorschrift hin. Das steht in den Handbüchern. Enge Beziehungen zwischen Besatzungsmitgliedern sind zu vermeiden.« Er lächelte verschmitzt. »Das soll zumindest eine Hilfe sein.« Dies verschaffte ihm einen erneuten Lacherfolg. »Aber ich würde schon sagen, daß dieser Rat prinzipiell richtig ist. Richtig, wir sind    alle Erwachsene. Aber    eine sexuelle

Beziehung    zwischen    Besatzungsmitgliedern    -    ganz zu

schweigen    von einer    emotionalen Beziehung    -    würde die

Besatzung    destabilisieren. Außerdem würde    es unsere

Fähigkeit beeinträchtigen, die Besatzung für die gesamte Dauer der Mission zu unterstützen. Und wenn man sich dann noch das negative Potential vor Augen führt - Eifersucht, Vorzugsbehandlung, Mißachtung des Dienstwegs, Vorwürfe und Schuldgefühle nach einem Abbruch der Beziehung und so weiter -, wette ich, daß diese Zurückhaltung bei künftigen gemischten Flügen ohnehin zur Norm wird.«

Gershon legte den Kopf schräg. »Wozu wird sie?«

»Sie sollten bei der Psychologieausbildung besser aufpassen, Gershon.«

Ein weiterer Lacherfolg. Wieder ein entschärfter Moment.

York hoffte, daß die Röte aus ihren Wangen verschwand. Es war bemerkenswert, welche Show Stone hier abzog. Er gab den gleichen Mist von sich, die gleichen Halbwahrheiten, mit denen die NASA die Öffentlichkeit seit den Tagen von Mercury abgespeist hatte.

Und ich bin nun ein Rädchen im Getriebe, sagte sie sich. Eine Komplizin bei der traditionellen Lüge. Ich bin nun eine Astronautin, und meine menschlichen Bedürfnisse existieren offiziell nicht mehr.

Die Frage des Reporters war zwar frech, aber sie traf den Kern. Die NASA war in technischer Hinsicht Spitze, sagte sie sich, doch verstand sie es überhaupt nicht, den Bedürfnissen der weichen rosigen Körper gerecht zu werden, die sie in die glänzenden von Braun-Traummaschinen steckte - sie wußten nicht einmal, daß diese Bedürfnisse überhaupt existierten. Oder taten so, als wüßten sie es nicht, weil sie es nicht wissen wollten.

Wie fühlt man sich im Weltraum? Auf dem Mond? Auf dem Mars?

Zunächst kam diese Frage ihr blöd vor: naiv, zu offen - es gab darauf keine Antwort. Und es nervte sie, daß diese Frage, wenn auch mit Variationen, auf jeder Pressekonferenz gestellt wurde.

Heute versuchte Joe Muldoon, sie zu beantworten.

»Ich bin ein ganz normaler Mensch. Aber man könnte dennoch sagen, daß ich etwas Außergewöhnliches getan habe.

Ich möchte Ihnen erzählen, wie es war. Wenn man aus dem Orbit auf die Erde herabschaut, vergißt man alle Probleme: die Rechnungen, die bezahlt werden müssen, den Ärger, den man mit dem Auto hat. Statt dessen denkt man über die Menschen in dieser blauen Schüssel aus Luft nach: die Menschen, die man kennt und die einem etwas bedeuten. Und dann erkennt man, wieviel sie einem wirklich bedeuten.«

Außer Muldoon sprach niemand im Raum.

Sie beobachtete die Fragesteller; die harten, zynischen Presseleute hingen nun an den Lippen des Astronauten. Sogar die Frau, die unterstellt hatte, die Mars-Mission sei eine Verlade, hörte gebannt zu.

»Wenn man sieht, wie die Erde hinter dem Raumschiff zurückfällt.«, sagte Muldoon. ».Wenn man auf dem Mond steht und diese kleine Welt einem zu Füßen liegt: dann wird einem bewußt, daß man einer von zwei Menschen auf dem Mond ist und daß man in der Lage ist, die Hand auf die Erde zu legen.«

Es gab eine Handvoll Männer, die Außergewöhnliches geleistet hatten: sie waren durchs Weltall geflogen und sogar auf dem Mond spazierengegangen - eine unvorstellbare Leistung, eine Leistung, auf die das evolutionäre Erbe der Menschheit sie nicht vorbereitet hatte. Und nun erkannte York, daß die Presseleute - hinter der bräsigen Fassade - darauf reagierten. Es war eine archaische Reaktion.

Du bist dort oben gewesen. Mir war das nie vergönnt. Erzähl mir nur nicht, du wärst ein normaler Mensch. Was ist das für ein Gefühl? Sag’s mir.

Wenn die Astronauten zur Öffentlichkeit sprachen - wobei sogar ein Routinier wie Muldoon immer in einen gestelzten Jargon zu verfallen schien -, lief unter dem gesprochenen Wort eine Kommunikation ab, die an archaische Instinkte rührte. Die Worte von Muldoon und den anderen genügten nicht - würden nie genügen. York hatte oft den Eindruck, daß die Leute die Astronauten am liebsten berühren würden. Als ob sie Götter wären. Oder als ob Informationen, Wahrnehmungen und Erinnerungen durch die Haut übertragen würden.

Doch sie vermochte dazu nichts beizutragen. Wie auch? Sie war bisher nur in einem Schulflugzeug mitgeflogen.

Im Licht der Fernsehkameras fühlte sie sich deplaziert neben einem Mann, der mit den Fingern durch den Mondstaub gefahren war.

Oktober 1984

. Wie oft müssen wir erleben, daß die Diskussion über die Zukunft der RAUMFAHRT zwischen hysterischen Extremen schwankt! Und all das findet vor dem Hintergrund einer Zeit statt, wo Zynismus und AMORALITÄT ins Kraut schießen.

Während die >Yuppies< mit Rolex-Uhren und sportlichen BMWs protzen und während der illusorische wirtschaftliche >Aufschwung< allein durch die vom Präsidenten verordnete massive Erhöhung der RÜSTUNGSAUSGABEN stattfindet, ist die Kluft zwischen den niedrigsten und höchsten Einkommen so breit wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Diese Erhöhung der Rüstungsausgaben, die wegen der politischen Unterstützung der NASA auch zur Finanzierung der Mars-Mission dient, schürt die Inflationsgefahr und führt zu einem riesigen DEFIZIT, das eine Hypothek für die nachfolgende Generation darstellt.

Und dieses DEFIZIT ist wiederum eine zynische Manipulation der Wirtschaft durch die Regierung, die nun behauptet, wegen der Belastung durch das DEFIZIT bestünde kein Spielraum für eine Erhöhung der Sozialausgaben in den Jahren nach Präsident Reagans Rücktritt in 1988.

Paradoxerweise führt die entmenschlichende Erfahrung der RAUMFAHRT zu einem tieferen Verständnis der MENSCHLICHKEIT, welche die Astronauten ablegen müssen. Sie vermittelt uns eine neue Perspektive:

- VERACHTUNG für unsere Werke

- Steigerung der SELBSTACHTUNG

Diese neue Perspektive ist geeignet, uns näher an GOTT heranzuführen.

Doch allzu oft schwankt die Erfahrung der RAUMFAHRT, wie sie der Allgemeinheit von der Regierung und öffentlichen Körperschaften vermittelt wird, die der Raumfahrt positiv beziehungsweise negativ gegenüberstehen, zwischen zwei spiegelbildlichen Idolen, von denen eins so falsch ist wie das andere:

-    MELLONOLATRIE, das heißt die unkritische Verehrung der Technik als Selbstzweck,

-    MISONEISMUS, eine gleichermaßen unbegründete Angst vor und Haß auf Technik.

Gibt es denn ein besseres Argument als dieses, um uns endlich der Raketen mit den tödlichen NUKLEAR-Herzen zu entledigen?.

Auszug aus >Mellonolatrie und Misoneismus: Die ZwillingsIdole der Raumfahrt<, Rev. B. Seger, Kirche des Heiligen Joseph, Cupertino. Alle Rechte Vorbehalten.

Montag, 3. Dezember 1984

Lyndon B. Johnson-Raumfahrtzentrum, Houston

Ralph Gershon stand in der Schleuse der MEM-Attrappe. Sein Gesicht war hinter dem Helmvisier klar zu erkennen. »In Ordnung, Natalie. Wenn du nun eintreten möchtest.«

»Rog, Ralph.«