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Die auf der simulierten Marsoberfläche stehende York machte einen Schritt auf das MEM zu.

Bei der Bewegung zerrten die Brustgurte brutal an ihr, und sie wurde einen Meter in die Höhe gerissen. Sie kippte nach vorn. Der Anzug, in dem ein Druck von fast dreihundert Gramm pro

Quadratzentimeter herrschte, blähte sich auf wie ein Ballon. Sie war zur Bewegungsunfähigkeit verurteilt.

Sie kippte wie ein gefällter Baum.

Sie landete auf den Knien und stützte sich mit den behandschuhten Händen im Schmutz ab. Der Erdboden bestand aus eingetrocknetem Houston-Matsch, der mit pinkfarbenen Steinchen übersät war: sie befand sich auf etwas, das die Astronauten fälschlich als einen Gesteinshaufen, eine simulierte Marsoberfläche, bezeichneten. Diese Oberfläche war mehr oder weniger eben, denn ebene Flächen waren der Ort, an dem nach den Vorstellungen der konservativen MissionsPlaner das MEM landen sollte.

»Gottverdammtes Geschirr.«

»Du sagst es, Natalie. Darf ich dir helfen?«

»Nein. Nein, ich komme schon klar, verdammt.«

York war an einem Marsgravitations-Simulator vertäut. Das Brustgeschirr war mit Seilen an einer Stange befestigt, wobei die Seile über Flaschenzüge geführt wurden, die ihr Gewicht um zwei Drittel reduzierten. Wie auf dem Mars. Nur daß sie auf dem Mars nicht bei jedem Schritt von einem lächerlichen Strick zurückgerissen werden würde.

Um aufzustehen, mußte sie sich vom Boden abstoßen und warten, bis das Geschirr sie wieder auf die Füße gestellt hatte. Dann konnte sie nur hoffen, daß sie nicht wieder vornüber kippte.

Sie stand schwankend da und breitete die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten. Durch den Helm sah sie, wie die Techniker ihr ironisch applaudierten.

»Beachte die Arschlöcher gar nicht«, riet Gershon ihr.

»Rog.« Sie atmete durch. »Ich versuch’s noch mal, Ralph.«

»Nur die Ruhe, Natalie. Tapferes Mädchen.«

Langsam und bedächtig machte sie einen Schritt vorwärts. Es war viel einfacher, den Fuß zu heben, als ihn wieder aufzusetzen. Bei jedem Schritt beschrieb sie eine flache Parabel durch die Luft und landete dann knirschend im eingetrockneten Matsch. Die Bewegungen waren so träge, als ob sie in einer viskosen Flüssigkeit geschwommen wäre. Es erschien ihr wie ein Traum.

Endlich bekam sie etwas mehr >Drehmoment<. Allerdings machte sich nun die Masse des Rückentornisters bemerkbar, und sein Trägheitsmoment lenkte sie von der Ideallinie ab. Jede Richtungsänderung mußte sie vier oder fünf Schritte im voraus einleiten.

Das von Flutlichtern angestrahlte MEM trieb vor ihr; so nah und doch so fern. Die offene Luke der Attrappe klaffte vor ihr, und das fluoreszierende Licht im Innern enthüllte die hölzerne Konstruktion.

Nicht weit vom MEM stand das Modell eines Mars-Rovers. An der Vorderseite war eine Kamera montiert, die nun zu ihr herumschwenkte und sie mit der dunklen Linse anglotzte. Die Kamera war auf Aufnahme geschaltet. York kam sich unter ihrem Blick wie ein Gorilla vor, der im Käfig umhertappte.

Ralph indes beherrschte den Mars-Spaziergang, als ob er auf dem Planeten geboren wäre.

Dies war die Simulation des zweiten Mars-Spaziergangs, bei dem sie zum erstenmal ernsthafte Arbeit verrichten sollten. Beim ersten Spaziergang würde es sich um ein einstündiges Solo handeln, das Phil Stone in seiner Eigenschaft als Kommandant durchführte. Der Zweck des ersten Ausflugs bestand laut Missionsplan darin, die Systeme des Anzugs und die Beweglichkeit im allgemeinen zu testen, den Status des MEM nach der Landung zu überprüfen und eventuelle Defekte am Kommunikationssystem zu beheben. Stones wissenschaftliche Tätigkeit würde sich bei der ersten Exkursion auf die Entnahme einer Bodenprobe beschränken.

Natürlich existierte auch eine versteckte Agenda.

Die Aufmerksamkeit der Welt sowie der NASA-Sponsoren im Weißen Haus und im Kapitol würde sich vor allem auf diesen ersten Spaziergang richten, die ersten zaghaften Schritte, die ein Mensch auf dem Mars machte. Deshalb würde die ganze Zeremonie - das Hissen des Sternenbanners, der Kram mit den Fußabdrücken und die Rede von Präsident Reagan (der gerade einen erdrutschartigen Sieg gegen Teddy Kennedy feierte) - in dieser ersten Stunde außen vor sein. Joe Muldoon hatte nämlich nach seinen Erfahrungen mit Apollo den Rat erteilt, alle Punkte des ersten Spaziergangs anhand einer Checkliste und eines Zeitplans abzuarbeiten; einschließlich Reagans Anruf.

Und dann würde das restliche Programm hoffentlich für ernsthafte Arbeit zur Verfügung stehen.

York hielt das für sinnvoll. Sie wußte, wie man solche Dinge handhaben mußte. Allerdings wunderte sie sich noch immer darüber, daß die NASA die Erforschung des Mars von Einschaltquoten abhängig machte.

Endlich erreichte sie das MEM. Sie schlitterte leicht, als sie am Fuß der zur Luke führenden Leiter zum Stehen kam.

Die Stimme des Simulationsleiters ertönte im Kopfhörer. »Natalie, wir möchten, daß Sie einen SNAP aus dem Behälter holen.«

»Rog.« Sie versuchte, die durch die Müdigkeit bedingte Gereiztheit zu unterdrücken. Der Auftrag verlangte von ihr, zum Sperrholz-Modell des Marsrovers hinüberzugehen. Wie eine Marionette drehte sie sich auf dem Absatz um, bis sie direkt auf den Rover blickte. Dann trottete sie über die knirschende Oberfläche.

Das Oberflächen-Erforschungs-Paket war schon aufgebaut; die auf dem Boden verteilten silbernen und goldenen Kästen waren durch ein >Spinnennetz< aus Stromkabeln und Datenleitungen miteinander verbunden. Ein paar Kabel mußten noch angeschlossen werden - darunter das Kabel für die Antenne, die Nachrichten zur Erde abstrahlen sollte. Der Kasten des SNAP-Generators - das nukleare Stromaggregat -stand am Rand. York sollte den Generator aktivieren, indem sie einen Plutoniumbehälter hineinsteckte. Dieser Behälter, bei dem es sich natürlich auch um eine Attrappe handelte, war im Heck des Rovers verstaut. Es handelte sich um einen schlanken Zylinder mit einer Länge von etwa dreißig Zentimetern, der in einem Graphitbehälter lag.

Sie packte die Griffstange und betätigte den Abzugsbügel, wodurch sich Klemmbacken am Ende des Griffs öffneten, mit denen sie den Behälter zu fassen suchte. Die elastischen Druckhandschuhe widersetzten sich jeder Handbewegung; es war, als ob sie die Hand um einen Gummiball schließen wollte.

Nachdem sie die Klemmbacken geöffnet hatte, mußte sie beide Hände einsetzen, um das Ende des Behälters mit der Zange zu packen.

Dann versuchte sie, den Behälter aus dem Staufach zu holen. Doch das verdammte Ding wollte nicht rauskommen.

Die Klemmbacken rutschten vom Behälter ab, und sie taumelte zurück. Sie hörte ihren rasselnden Atem und die über das Geschirr schabenden Seile.

»Hast du eine Idee, Ralph?«

»Bleib, wo du bist. Ich werde mich mal an diesem Ding versuchen.«

Sie hing unauffällig in den Seilen, während Gershon mit dem Rücken voran aus dem MEM kletterte. Er hing nicht an einem Flaschenzug, so daß er gegen das volle Gewicht des Anzugs ankämpfen mußte. Dementsprechend schwerfällig und plump waren seine Bewegungen.

Er stieg die Leiter herunter und packte die Griffstange. Mit Yorks Hilfe gelang es ihm dann, die Klemmbacken um den Brennstoffbehälter zu schließen. Daraufhin zog er an der Stange, wobei er sich zurücklehnte und die Fersen in den eingetrockneten Matsch stemmte. Der Behälter rührte sich nicht.

»Äh. wollt ihr mal ‘ne Pause machen?« fragte der Simulationsleiter. »Das Ding ist sicher verkantet.«

»Nee«, sagte Gershon. »Natalie, laß uns mal den direkten Ansatz probieren. Du hältst die Stange hier.«

»Gut.« Mit langsamen Bewegungen nahm sie ihm die Stange ab, wobei sie darauf achtete, den Abzugsbügel festzuhalten.

»Jetzt.« Er zog den Geologenhammer aus ihrem Hüftgürtel. »Und nun zieh, Mädchen.«

Sie umklammerte die Griffstange mit beiden Händen, lehnte sich zurück und zog.

Gershon bearbeitete den Kasten mit schnellen, harten Schlägen, wobei er das ganze Körpergewicht in die Schläge legte.