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»Nein. Nicht abbrechen«, sagte Natalie York unvermittelt.

Stone schaute sie an. »Hä?«

»Nicht abbrechen. Vielleicht überfliegen wir gerade eine tote Zone.«

»Und was«, fragte Stone trocken, »ist eine tote Zone?«

»Vulkanasche«, sagte sie. »Bimsstein.« Sie legte sich in die Gurte und versuchte, aus den Pilotenfenstern einen Blick auf die malträtierte Landschaft zu erhaschen. »Das ist Materie mit geringer Dichte. Sie erzeugt fast keine Radarechos. Deshalb bekommt das Landeradar auch keinen Kontakt.«

»Vielleicht«, sagte Stone, »ist das Landeradar auch defekt.«

»Nicht abbrechen.«

Stone und Gershon wechselten Blicke.

»Zweitausendsiebenhundert«, sagte Stone. »Noch immer kein Kontakt.«

Gershon wurde sich bewußt, daß sie bereits gegen die Einsatzbestimmungen verstoßen hatten.

»Ralph.«, sagte Stone.

Und in dem Moment erloschen die Warnlampen. Das Radar hatte Kontakt bekommen.

York schnaufte erleichtert.

»Mein Gott.« Gershon hieb mit der Faust auf die Konsole. »Wir haben grünes Licht.«

»Stimmt«, sagte Stone mit belegter Stimme.

Mit Verrenkungen drehte Gershon sich zu York um. »Ich schätze, wir sind während der ganzen Zeit über Bimsstein hinweggeflogen.«

Sie erwiderte den Blick. »Gut möglich.«

Er wußte nicht, ob York ihnen mit dem Bimsstein nur einen Bären aufgebunden hatte. Er schätzte York zwar nicht so ein, aber möglich war alles. Und er wußte auch nicht, ob Stone wirklich abgebrochen oder ihm erlaubt hätte, auch ohne Radar zu landen.

Ihm wurde bewußt, daß er seine Kameraden doch nicht so gut kannte, wie er immer geglaubt hatte.

»Zweitausendvierhundert«, leierte Stone herunter. »Sinkgeschwindigkeit dreißig Meter pro Sekunde. Landung erfolgt in Kürze.«

»Rager.«

Gershon wandte sich den Kontrollen zu. Rechts von ihm war der Lageregler - ein Hebel mit einem Pistolengriff -, und links war ein als Schubtranslationsregler bezeichneter Kippschalter, der die Bremsdüsen aktivieren würde, um die Sinkgeschwindigkeit zu verringern. Diese Komponenten waren durch die Elektronik mit dem Reaktionssteuerungs-Subsystem verbunden, das ihm den größten Teil der Steuerungsarbeit abnehmen würde.

Er gab Schub auf die Bremsdüsen, was vom beruhigenden Klacken von Elektromagneten quittiert wurde.

Er überließ die Steuerung dem Computer. »Manuelle Lage-und Bahnregelung ist in Ordnung.« Er fühlte neuerliche Zuversicht. Das Radar hatte Kontakt, und die Schubdüsen funktionierten wie ein Uhrwerk. Wenn es soweit war, wenn er das Schiff schließlich für die Landung übernahm, würde er dies in der Gewißheit tun, daß alles in Ordnung war.

»Zweitausendeinhundert«, sagte Stone. »Auf geht’s! Beginn der Einflugschneise. Ab durch die Mitte.«

Unter der Regie des Computers richtete Challenger sich noch etwas auf, wodurch Gershon nach vorn kippte. Er blickte in Flugrichtung. Am gekrümmten Horizont erschien etwas, das wie eine Klippe aussah, ein Höhenrücken, der die Grenze der Kraterregion markierte. Das Land hinter diesem Höhenrücken hatte ein anderes Aussehen:    glatt, ohne Krater, wie

Schwemmland.

Und nun tauchte ein Tal unter dem Schiff auf, das sich vom südlichen Plateau nach Norden schlängelte; die Szenerie erinnerte an einen Holzschnitt. Im Nordosten gab es einen einzelnen großen Krater.

Das Szenario stimmte mit den Karten und Modellen am JSC überein.

»Ich hab’s!« krähte Gershon. »Ich habe Mangala gefunden! Liegt da wie auf dem Präsentierteller.«

Er übernahm die Steuerung der Challenger und bereitete die Landung vor.

Das MEM schwebte über der Landschaft. Das Schiff ritt quasi auf dem Abgasstrahl der Raketen und würde mit der Basis voran landen.

»Neunhundert Meter. Zwanzig Meter pro Sekunde. Alles im grünen Bereich«, sagte Stone. »Bereit zur Landung. Paßt gut auf. Sechshundert. Windgeschwindigkeit drei Meter pro Sekunde.«

Windgeschwindigkeit. Noch eine Einflußgröße, die sie bei Apollo nicht berücksichtigen mußten.

»Gib mir ein LPD«, sagte er zu Stone.

»Dreiundvierzig.«

Er schaute auf die Strichplatte am Fenster und peilte den Dreiundvierzig-Grad-Strich an, die Landepunktmarkierung. Er stellte sich vor, wie der Computer imaginäre Polynom-Kurven aussandte, die ihn wie auf einer gläsernen Straße durch die Marsluft zur Landezone leiteten. Diese verdammten Schnörkel höherer Ordnung gibt es diesmal nicht. Obwohl die Hard- und Software des MEM mit anderen Systemen auf Apollo-Basis die primitive menschliche Schnittstelle gemeinsam hatten, waren sie doch um eine Größenordnung leistungsfähiger als der antiquierte Scheiß, mit dem er sich an Bord des MLTV hatte behelfen müssen.

Nun sah er auch die Stelle, an die der Computer ihn führte. Sie war noch etwa zwei Kilometer entfernt und kam schnell näher. Er nahm sie mit der Strichplatte ins Visier. Scheiße.

Unter der Führung des PGNS zielte Challenger auf einen Punkt ein paar Kilometer jenseits des Steilhangs, nördlich der

Mündung des Urstromtals. Soweit lief alles nach Plan. Doch aus der Nähe erkannte er nun, daß das Land uneben war, ausgewaschen und von etwas durchzogen wurde, das wie Kiesbänke aussah. Und inmitten der Landezone klaffte ein flacher, erodierter Einschlagkrater, an den sich eine tränenförmige Insel aus Schutt anschloß.

»Scablands«, sagte er. »Natalie, das wird dir gefallen. Es bestätigt deine Vermutungen. Das da unten sieht nämlich wie ein abgefucktes Flußbett aus.«

Nur daß er nicht imstande war, das MEM in dieser Scheiße zu landen.

Elektromagneten klackten, und Challenger erzitterte. Anhand der Radardaten aktualisierte der Computer ständig die Trajektorie. Dennoch wunderte Gershon sich, mit welcher Häufigkeit die Steuertriebwerke feuerten; viel öfter als in den Simulationen.

Stone gab noch immer Höhe und Geschwindigkeit durch. »Zweihundert Meter, sinken mit neun komma drei Meter pro Sekunde. Hundertachtzig. Abwärts mit acht komma sieben. Hundertsechzig. Abwärts mit sieben komma fünf.«

Entscheide dich, Ralph.

Er legte einen Schalter um und deaktivierte PGNS.

Dann drückte er auf den Translationsregler und betätigte den Schubschalter, um den Fall des MEM zu verlangsamen. Challenger quittierte jeden Tastendruck mit klackenden Elektromagneten.

Nun nahm das Schiff die Charakteristik eines Flugzeugs an. Der Übergang war abrupt. Die Schubdüsen sprangen an, und das MEM kippte nach vorn, so daß er in den Gurten hing.

Unter seinem Kommando flog Challenger über die Oberfläche des Mars dahin.

Er spürte, daß Stones Blick auf ihm ruhte.

»Ende der Einflugschneise«, sagte Stone. »Hundertfünfzig Meter. Neigung fünfunddreißig Grad. Gehen runter mit sechs Metern pro Sekunde.«

Das MEM fiel noch immer, bewegte sich inzwischen aber auch vorwärts. Das Schiff glitt über das zerklüftete, ausgetrocknete Schwemmland. Ich muß weiter nach Norden, weg von diesem verschissenen alten Gelände. Ich werde im Norden landen. Auf den glatten Lavaebenen jenseits des Schwemmlands.

Die Testpiloten hatten ein Motto, das da lautete: Im Zweifelsfall die längere Landebahn nehmen. Also flog Ralph Gershon weiter und hielt nach einem geeigneten Landeplatz Ausschau.

»Hundertzwanzig Meter, runter mit zwei komma sieben Meter pro Sekunde. Hundertfünf Meter, runter mit eins komma zwei Meter. Hundert. Achte auf den Treibstoffvorrat, Ralph.«

Achte auf den Treibstoffvorrat. Logo. Die Missionsplaner hatten ihn auf diese Reise geschickt, eine Sonnenumrundung inklusive, auf daß er auf einem fremden Planeten lande - und den Landeanflug mußte er dann mit dem letzten Tropfen Sprit durchführen.