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Sie nickte und lächelte. Dann hob sie den Arm; am Ärmel war eine Reflektorplatte angenäht, mit deren Hilfe sie die Schaltfläche an der Brust sah. Sie zeigte die Quantität und den Druck des Sauerstoffs und Kohlendioxids an und war darüber hinaus mit diversen Warnlampen bestückt. York sah, daß der Sauerstoffdruck sich stabilisierte.

Stone überprüfte die Funkverbindung. »Hallo, Natalie. Anton Berta Cäsar.« Seine Stimme war leise und blechern und wurde von gedämpften Echos begleitet, die durchs dicke Glas des Helmvisiers drangen.

Sie kontrollierte die Kunststoffröhrchen, die in den Helm hineinragten und saugte Wasser und Orangensaft an. Der O-Saft war in Ordnung, aber das Wasser war zu warm. Doch das war eine Lappalie. Sie regelte den Innendruck des Anzugs kurz aufs Maximum hoch, um ihn auf etwaige Undichtigkeiten zu überprüfen. Dann befestigte sie den Spiralhefter mit der EVA-Checkliste am Ärmelbund.

Nachdem sie die Anzüge durchgeprüft hatten, unterzogen sie sich einer gegenseitigen Musterung. Stones Anzug war schneeweiß mit hellblauen Überschuhen. Das Sternenbanner prangte an den Ärmeln.

»Sind wir soweit?« fragte Stone.

Sie war nun von Challenger isoliert: ein autarkes System, ein Miniaturraumschiff sozusagen. Sie sog kühlen Sauerstoff ein. »Ja. Gehen wir an die Arbeit.«

»Roger.« Er wandte den Blick von ihr ab und rief Gershon, der sich oben in der Aufstiegsstufe befand. »Ralph, wir warten auf grünes Licht für Druckausgleich.«

»Rager, Phil; ihr habt grünes Licht für Druckausgleich.« Gershon würde den Premieren-Ausflug von der Kabine in der Aufstiegsstufe verfolgen.

Stone betätigte einen Schalter an der Wand. York hörte das Geräusch ausströmender Luft, und um das auszugleichen, schien das Geräusch der Atmung anzuschwellen.

»Roger«, sagte Stone. »Alles klar. Wir warten nur noch, bis der Kabinendruck so weit abgesunken ist, daß wir die Luke öffnen können.«

Das Manometer zeigte York, daß der Druck bereits auf hundert Millibar abgefallen war.

»Ich stelle einen sehr niedrigen statischen Druck in eurer Schleuse fest«, sagte Gershon. »Meint ihr nicht, ihr könntet die Luke nun öffnen?«

»Ich versuch’s mal«, sagte Stone.

Der Ausstieg aus der Schleuse erfolgte durch eine dicht über dem Boden eingelassene Luke. Der Öffnungsmechanismus bestand aus einem schlichten Hebel. Stone bückte sich, legte den Hebel um und zog. York sah, daß die dünnwandige Luke sich nach innen wölbte. Aber sie blieb geschlossen.

»Verdammt noch mal.«

»Laß mich mal ran.« Sie ging in die Hocke und packte die Luke an der Ecke, wo sie etwas von der Wand abstand. Durch die mit einem Drahtgeflecht verstärkten Gummihandschuhe hatte sie kaum Gefühl in den Händen. Dennoch gelang es ihr, die Luke ein Stück weit aufzubiegen.

Durch den Spalt zwischen Luke und Rahmen drang ockerfarbenes Licht.

»Ich glaube, ich habe die Dichtung aufgebrochen.«

Stone zog wieder am Hebel, und diesmal ließ die Luke sich mühelos öffnen.

York sah ein leichtes Schneegestöber, als der letzte Rest der Luft in die Marsatmosphäre entwich.

Sie traten zurück, damit die Luke aufschwingen konnte.

Nun erkannte York die >Veranda<, die Plattform, die am oberen Ende des Landebeins der Challenger angebracht war. Diese Plattform würde Stone nun gleich betreten. Sie war mit braunem Pulver überzogen, das durch die Landung aufgewirbelt worden war. Und hinter der Plattform sah sie die Oberfläche des Mars: sie sah aus wie Sand und war von radialen Linien durchzogen, die von Challenger wegführten. Dieses Muster hatte das Abstiegstriebwerk beim letzten Feuern in den Boden gebrannt.

Die Landschaft war so öde, daß sie einem vergleichbaren Terrain auf der Erde gar keine Beachtung geschenkt hätte. Doch dies hier war Mangala Vallis: nun war sie nur noch durch ein paar Meter dünner Marsluft von der Oberfläche getrennt, die sie im Verlauf des bisherigen Berufslebens studiert hatte.

»Natalie«, sagte Stone.

Sie drehte sich um; im Licht der Luftschleuse, das einen Kontrast zur bräunlichen Tönung des Mars bildete, schien sein Anzug weiß zu glühen.

»Wir haben auf der Checkliste etwas vergessen«, sagte Stone. »Wir müssen das hier noch anlegen.« Dann holte er die roten EVA-Eins-Bänder aus einer Anzugstasche. Stone würde in seiner Eigenschaft als Missions-Kommandant auch die erste Exkursion auf dem Mars anführen. York war seine offizielle Stellvertreterin, und Stone würde die roten Bänder an Armen und Beinen tragen, damit man ihn auf den Kameraaufnahmen identifizierte.

Doch nun hielt er ihr die Bänder hin.

»Ich verstehe nicht.«

Er lächelte. »Du verstehst sehr wohl. Streif die Bänder über.«

Sie streckte die Hand aus, und er legte ihr die Bänder auf den Handteller. Durch die dicken Handschuhe spürte sie das Gewicht der Bänder gar nicht.

»Das soll wohl ein Scherz sein.«

»Schau«, sagte er unwirsch. »Ich habe auch nicht von dir verlangt, das gottverdammte MEM zu landen, obwohl du wegen des Notfall-Trainings in den Simulationen durchaus dazu in der Lage gewesen wärst. Deine Aufgabe bei der ersten EVA-Exkursion besteht nur darin, in der Gegend umherzulaufen, ein paar Steine aufzuklauben und den Leuten zuhause darüber zu berichten.«

Bei dem unerwarteten Angebot verspürte sie weder Freude noch Stolz, sondern nur Irritation. Ich drehe schon wieder am Rad. »Das ergibt doch keinen Sinn, Phil. Du läßt die Chance sausen, als erster Mensch auf dem Mars in die Geschichte einzugehen, um Gottes willen. Welches Arschloch tut denn so was?«

»Ich«, sagte er pikiert. »Das ist wichtig, Natalie. Ich hatte es noch vor dem Start mit Joe Muldoon besprochen. Um zukünftiger Missionen willen muß diese Mission - vor allem diese erste Exkursion - ein Erfolg werden. Das rangiert noch vor der Wissenschaft, obwohl du mir da kaum zustimmen wirst. Natalie, es wird lange dauern, bis Menschen wieder zum Mars fliegen. Deshalb schreiben wir hier Geschichte; selbst wenn wir scheitern, werden die Menschen zum Mars hinaufschauen und sich sagen, ja, es ist möglich; wir sind imstande, dorthin zu fliegen und zu überleben. Wir wissen es, weil jemand es uns gezeigt hat.

Schau, ich bin kein Neil Armstrong. Du bist - eloquenter. Und dies ist dein Ort; dein Tal. Dein Planet, verdammt. Du weißt hier besser Bescheid als sonst ein Mensch. Deshalb glaube ich, daß du das besser rüberbringen wirst. Zumal.« »Was?«

Er lächelte - ».ich das Gefühl habe, daß die Menschen mich als >Den Mann, der die Chance sausen ließ, Erster zu sein<, noch länger in Erinnerung behalten werden.«

»Ich hoffe, sie leistet den Anweisungen Folge«, rief Gershon. »So zuverlässig wie immer.«

Sie haben das ausgeheckt, sagte sie sich. Sie haben mir eine Falle gestellt.

»Und nimm das Ding da«, sagte Stone.

Sie streckte die Hand aus, und Stone gab ihr eine kleine, vielleicht münzgroße Scheibe. Es war die Diamantmarkierung. »Ich glaube, du solltest sie deponieren. Für Ben. Und die anderen.«

Dann umfaßte er ihre Hand mit beiden Händen und schloß sie um die Markierung. Er schaute ihr in die Augen.

Er weiß Bescheid, erkannte sie plötzlich. Über Ben und mich. Alle wußten sie Bescheid, die ganze Zeit über.

Sie steckte die Markierung in eine Probentasche am Anzug. Dann streifte sie sich wie in Trance die roten Bänder über Arme und Beine und klappte das goldene Helmvisier herunter.

Stone hielt ihr die Luke auf. Unbeholfen ging York auf die Knie und wandte der Luke das Hinterteil zu. Dann kroch sie rückwärts auf die Plattform.

»Los geht’s! Die Richtung stimmt, Natalie. Komm etwas auf mich zu. Gut, jetzt runter. Roll dich nach links. Zieh den linken Fuß nach rechts - nein, andersrum. Das machst du gut.«