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Sie schabte am Lukenrahmen entlang. Kühlschlangen gruben sich ihr ins Bein.

Das Blut hämmerte in den Ohren.

»In Ordnung, Ralph. Ich bin auf der Plattform.« Sie packte die Reling zu beiden Seiten der Plattform.

Sie schaute auf. Die weiße Außenhaut war von der Landung mit Staub überzogen und erhielt nun durch die über dem Mars aufgehende Sonne eine gelbe Tönung. Sie war schon so weit draußen, daß sie die Schleuse in vollem Umfang überblickte. Sie klaffte als Rechteck aus hellem, fluoreszierendem Licht in der Hülle der Challenger. Innerhalb des Rechtecks war Phil Stone in die Hocke gegangen und schaute zu ihr heraus. Er nickte im Helm.

Sie kroch weiter rückwärts über die Plattform, wobei sie das rechte Bein als >Fühler< benutzte. Schließlich stieß sie mit dem Zeh gegen die oberste Sprosse der Leiter.

Sie hielt sich an der Reling fest und richtete sich auf.

Dann tauchte sie in den Schatten der Challenger ein; die aufsteigende Sonne war hinter der Masse des Raumschiffs verborgen, und der Himmel über ihr war noch immer schwarz, obwohl die Sterne bereits verblaßten. Steif drehte sie sich um. Der flache, klare Horizont bildete einen markanten Kontrast zur staubigen und steinigen Ebene. Die einzige Farbe war ein gesprenkeltes Rostbraun, wie eingetrocknetes Blut. Die Schatten waren lang und scharf konturiert.

Die Veränderung des Maßstabs war überwältigend. Sie hatte viele Monate in der Enge des Missionsmoduls zugebracht, wo es nur zwei Maßstäbe für die Entfernung gegeben hatte: ein Meter und - mit Blick auf das Universum - unendlich. Bei der räumlichen Wahrnehmung und der Fläche, die sich um sie ausbreitete, drohte sie die Orientierung zu verlieren; diesen Effekt hatte die Ausbildung nicht berücksichtigt. Für einen

Moment glaubte sie, nach hinten zu kippen, und sie umklammerte die Reling der Plattform.

»Natalie?«

»Ich bin in Ordnung, Phil. Es ist nur.«

»Ich weiß«, sagte Stone. »Ein großer Moment, nicht?«

»Genau.«

»Natalie, hast du schon die MESA rausgeholt?« fragte Gershon.

Die MESA, die Modulare Ausrüstungs-Speicher-Baugruppe, befand sich links neben der Leiter hinter einem Deckel in der Landestufe. York streckte die Hand aus und löste eine Verriegelung, worauf der Deckel wie eine Zugbrücke nach unten schwang. Auf ihm war eine Kamera montiert.

»Ralph, die MESA ist ausgeklappt.«

»Bestätigt, Natalie. Ich schalte die Kamera nun an.«

Die dunkle Linse der Kamera erfaßte sie und folgte jeder ihrer Bewegungen, nachdem Ralph die Servomotoren aktiviert hatte. Sie war verlegen, ohne daß sie einen Grund dafür gehabt hätte.

»Ich warte auf die Aufnahmen. Mann, ich kriege ein Bild. Der Kontrast ist sehr stark - ich sehe nur bunte Schlieren -, und obendrein steht das verdammte Bild auf dem Kopf. Doch ich erkenne ziemlich viele Details, und - jetzt hat sie sich selbst korrigiert. Natalie, ich sehe dich auf der Leiter stehen.«

York nickte in die Kamera. Aber sie sehen mein Gesicht nicht hinter dem Visier.

Sprosse um Sprosse stieg sie die Leiter hinab. Die Abstände zwischen den Sprossen waren ziemlich groß, und im steifen Anzug bestand die beste Art der Fortbewegung darin, sich von einer Sprosse zur nächsten fallen zu lassen.

Die letzte Sprosse befand sich einen Meter über dem Boden. Sie stieß sich von der Leiter ab und ließ sich fallen. Der Fall ging wie in Zeitlupe vonstatten; sie schätzte die Zeit, die sie für die Bewältigung des letzten Meters brauchte, auf fast eine Sekunde. Auf der Erde wäre das doppelt so schnell gegangen.

Die blauen Stiefel landeten auf dem weißen Metall des einen Meter durchmessenden Landetellers der Landestufe. Hier, im Schatten von Challenger, war es noch so dunkel, daß sie kaum die Hand vor Augen sah.

Sie hielt sich mit den behandschuhten Händen an der Leiter fest und versuchte, wieder die unterste Stufe zu erklimmen. Sie mußte sich vergewissern, daß eine Rückkehr möglich war. Doch der Anzug war zu steif, als daß es ihr gelungen wäre, das Bein so hoch zu heben.

»Saublöde Konstruktion.«

»Heißes Mikro, EVA-Eins«, sagte Gershon milde.

Sie ging leicht in die Hocke und sprang. Weil die Beine im Anzug eingezwängt waren, mußte die Kraft für den Sprung von den Zehen und Knöcheln übertragen werden. Obwohl die Mars-Gravitation an ihr zog, schoß sie über die unterste Sprosse hinaus. Sie prallte gegen die Leiter, doch gelang es ihr, die Füße auf die Sprosse zu stellen.

Außer Atem hüpfte sie wieder auf den Landeteller.

Sie überflog die Marsoberfläche.

»In Ordnung. Ich stehe am Fuß der Leiter. Die Landeteller des MEM sind etwa zehn Zentimeter tief in die Oberfläche eingesunken; die Eindrücke sind konturiert. Weil es hier natürlich kein Wasser gibt, beruht die Kohäsion des Bodens wohl auf Elektrostatik.« Keine Analysen, York; sag ihnen nur, wie es aussieht. »Die Oberfläche sieht aus wie ein feinkörniger Sandstrand. Bei näherer Betrachtung indes ist er noch viel feinkörniger als Sand, was auch die gute Haftung erklärt. An manchen Stellen ist er sogar fein wie Puder.« Sie trat sachte gegen den Regolith, wobei sie Furchen im Boden hinterließ. »Ich habe mit dem Zeh Rinnen in den Boden gezogen. Die Oberfläche zerbröselt, wenn ich dagegen trete.

Ich habe den Eindruck, daß es sich beim Oberflächenmaterial um eine Durikruste handelt. Sie besteht aus Staubpartikeln, die durch aufsteigendes Grundwasser zusammengebacken wurden und aus Salzen, die bei der Verdunstung des Wassers ausgefällt wurden.«

Sie sah, daß etwas Marsstaub sich auf dem Landeteller abgelagert hatte, und als sie nun das Bein hob, sah sie, daß auch etwas Staub am Stiefel haftete. »Der Staub klebt in dünnen Schichten an der Sohle und an den Seiten der Stiefel. Er ist also kohäsiv und adhäsiv. Es sieht so aus, als ob er bis zu einer Steigung von ungefähr siebzig Grad haftet...«

»Natalie«, sagte Ralph Gershon, »dreh dich bitte um und schau für eine Minute in die Kamera.«

»Wiederhole das, Ralph.«

»Rager. Ich möchte, daß du in den Erfassungsbereich der Kamera trittst. Natalie, Phil; der Präsident der Vereinigten Staaten befindet sich in seinem Büro und möchte ein paar Worte an euch richten.«

»Es wäre uns eine Ehre, Ralph«, sagte Stone.

Sie überprüfte die Checkliste am Ärmel. Reagan war auf die Minute pünktlich. Schließlich war er auch ein erfahrener Schauspieler.

Sie wandte sich der MESA zu.

Sie stellte sich vor, wie die Bilder von ihr zur Erde gesendet wurden: sie würde als steife, eckige Gestalt auf dem Landeteller erscheinen, wobei ihre Konturen durch die Falschfarbendarstellung mit dem karmesinroten Mars verschmolzen.

Sie nahm eine Hasselblad-Kamera von der MESA-Plattform. Es war eine Fummelei, die Kamera über der Brustplatte zu befestigen.

Sie drehte sich langsam, während die Kamera ein PanoramaMosaik aufnahm. Dann nahm sie eine kleine Filmkamera und befestigte sie an der Brustplatte neben der Hasselblad.

Die Funkverbindung wurde schlechter, als die Stimme eines Houston-Capcoms ertönte. »Sprechen Sie, Herr Präsident. Die anderen halten den Mund!«

Natalie und Phil, ich spreche zu Ihnen über eine Funk-, Verbindung vom Oval Room im Weißen Haus.

Reagans sonore Stimme klang lebhaft und interessiert. Er spielt die Rolle gut, sagte sie sich. Sie straffte sich, als ob sie Haltung annehmen wollte.

Die NASA-Techniker haben mir gesagt, es würde vier Minuten dauern, bis meine Worte Sie erreichen, und noch einmal vier Minuten, bevor ich Ihre Antwort höre. Wir werden wohl kaum ein richtiges Gespräch führen können. Ich möchte nur soviel sagen, während Sie vom Mangala-Tal zu uns sprechen. Unsere Fortschritte im Weltall - wo wir große Schritte für die Menschheit machen - sind ein Tribut an den Teamgeist und die Leistungsfähigkeit der Amerikaner. Und wir dürfen mit Stolz behaupten: wir sind die Ersten, wir sind die Besten; und wir verkörpern diese Tugenden, weil wir frei sind.