1969 stand bereits fest, daß die Technokratie bei der Verwirklichung der großen Ziele versagt hatte. Profitiert hatte allein der Machtkomplex des technokratischen Staats. Nixon schien die antitechnokratische Grundströmung seiner Zeit zu spüren, und er erkannte auch, daß die Technokratie im Widerspruch zu Amerikas älterer, Jefferson’scher Tradition stand, die Politik auf kommunaler Ebene sowie demokratische Mitsprache favorisierte.
Im Verlauf des Jahres 1969 wurden auch die Mittel für NERVA gekürzt, das Forschungsprogramm für nukleare Raketen, an dem man seit 1957 in Nevada arbeitete. Obwohl die Versuchsstation in Nevada erst 1972 geschlossen werden sollte, machten die Einschnitte im Jahr 1969 bereits alle Hoffnungen auf die Flugerprobung einer nuklearen Rakete zunichte. Ohne NERVA, die als Grundvoraussetzung für eine Mars-Expedition betrachtet wurde, war die Schlacht um den Mars verloren. (Im Roman gelingt NASA-Managern es, diese Kürzungen zu verhindern.)
Vor diesem Hintergrund - und ohne einen starken und engagierten Fürsprecher, dessen Rolle Jack Kennedy im Roman übernahm -, war die Weltraumbehörde bald gezwungen, ihre ehrgeizigen Vorschläge zu den Akten zu legen. Im Manuskript des Berichts, den die NASA im April 1969 für die Arbeitsgruppe Weltraums abfaßte, klang das dann so: >Wir empfehlen, daß die USA sich auf eine bemannte MarsExpedition zu einem frühen Termin vorbereiten.< In der veröffentlichten Version war der Satz dann dergestalt
verwässert worden: >Bemannte Expeditionen zum Mars
könnten 1981 beginnen< (Hervorhebung von mir).
Mit Agnew gab es sogar im Weißen Haus einen Befürworter der Mars-Mission - auch wenn er ausgebuht wurde, als er das Projekt der Öffentlichkeit präsentierte. Der Berater des Weißen Hauses, John Ehrlichman, sagte später, daß es ihm nicht gelungen sei, Agnew davon abzubringen, eine Landung im Jahr 1981 auf die Liste der Empfehlungen der Arbeitsgruppe Weltraums zu setzen, obwohl damals schon feststand, daß die Mars-Mission mit den Budget-Prioritäten der Regierung Nixon kollidierte. Agnew bestand dennoch darauf, die Angelegenheit mit Nixon zu diskutieren. Es ist nicht überliefert, was Nixon zu Agnew sagte, doch nach einer Viertelstunde rief Agnew Ehrlichman an und erklärte ihm, daß die Mars-Mission von der Liste der >Empfehlungen< in eine andere Kategorie überführt würde, die unter >Technisch machbar< firmierte.
Die Vorschläge des Berichts der >Arbeitsgruppe Weltraum<, der dem Präsidenten im September 1969 vorgelegt wurde, entsprechen weitgehend den jeweiligen Inhalten des Romans.
Die >Arbeitsgruppe Weltraum< schlug eine Reihe von Elementen vor: eine Raumfähre, Raumstation-Modul e, einen Weltraumschlepper, nukleare Raumfähren und ein Mars-Exkursions-Modul (MEM). Die Vielzweck-Module konnten für eine Reihe von Missionsprofilen konfiguriert werden; nur das MEM wäre marsspezifisch gewesen.
Die früheste Mars-Mission wäre am 12. November 1981 von der Erde gestartet. Bestanden hätte sie aus zwei Schiffen mit Nuklearantrieb, die jeweils eine Besatzung von sechs Mann gehabt hätten. Die Expedition hätte am 14. August 1983 zurückkehren sollen, wobei die Astronauten von Raumfähren zur Erde zurückgebracht worden wären.
Eine Reihe von Finanzierungsvorschlägen wurde vorgelegt, die von einem >Sprint< zum Mars im Jahr 1982 bis zu einer
Minimallösung reichten, wonach alle bemannten Flüge nach Apollo gestrichen werden sollten. Drei zentrale Optionen wurden präsentiert: Option I umfaßte eine Marslandung 1984 mit einem Kostenmaximum von neun Milliarden Dollar pro Jahr. Option II umfaßte eine Marslandung 1986 mit einem Kostenmaximum von acht Milliarden Dollar pro Jahr, und Option III nannte keinen festen Termin bei fünf Milliarden Dollar pro Jahr.
Die Vorschläge der Arbeitsgruppe sahen die Möglichkeit einer kontinuierlichen Revision der Programme vor, während Entscheidungen über ehrgeizigere Programme - wie der Mars - verschoben werden konnten.
In Anbetracht der massiven Lobbyarbeit der Luft- und Raumfahrtindustrie wurde erwartet, daß wenigstens ein paar Elemente dieser Vision überlebten. Doch die Öffentlichkeit und die Politik reagierten unverzüglich - und die Reaktion war negativ.
Während die NASA noch auf Nixons offizielle Antwort auf den Vorschlag der >Arbeitsgruppe Weltraum< wartete, geriet die Weltraumbehörde bei der Aufstellung der Etats für das Haushaltsjahr 1971 erneut in Bedrängnis.
Der von weiteren Kürzungen bedrohte Paine bemühte sich, Prioritäten zu setzen. Eine Skylab-Station und das Apollo-Sojus-Test-Projekt (ASTP) waren die einzigen Überlebenden des Apollo-Anwendungs-Programms. Apollo 20 fiel weg, um eine Saturn V für Skylab freizumachen. Die verbleibenden Apollo-Missionen, 13 bis 16, sollten so gestreckt werden, daß zwei Missionen im Anschluß nach Skylab folgten. Für ein Mondprogramm nach Apollo gab es keine Perspektive. Viking wurde auf 1975 verschoben.
Im Januar legte Nixon Paine die Ergebnisse einer Meinungsumfrage vor, wonach 56 % aller Amerikaner der Ansicht wären, die Kosten für Apollo seien zu hoch. Nixon brachte sein Bedauern wegen der Kürzungen zum Ausdruck, doch für ein teures Raumfahrtprogramm fehlten einfach die Mittel. Paine verlangte jedoch vom Präsidenten, sich nachhaltiger für die Belange der NASA einzusetzen, was zu schweren Verstimmungen zwischen beiden führte. Mitarbeiter des Weißen Hauses gelangten daher zu folgendem Schluß: >Wir brauchen einen neuen Direktor, der dem Größenwahn der NASA Einhalt gebietet. jemanden, der mit uns anstatt gegen uns arbeitet und. das Programm so gestaltet, daß es dem Präsidenten zum Vorteil und nicht zum Nachteil gereicht.<
Im März 1970 genehmigte Nixon offiziell die dritte und kostengünstigste Option der >Arbeitsgruppe Weltraum<. Er formulierte es vorsichtig: >Wo die ganze Zukunft und das ganze Universum noch vor uns liegen. sollten wir nicht zuviel auf einmal verlangen. Bei der Erschließung des Weltraums müssen wir kühn, aber auch überlegt handeln.< Nixon gab sechs spezifische Ziele vor: die verbleibenden Apollo-Missionen, Skylab, eine stärkere internationale Zusammenarbeit in der Raumfahrt (insbesondere ASTP), die Reduzierung der Kosten von Weltraumoperationen (Space Shuttle-Studien), die beschleunigte praktische Anwendung der Weltraum-Technik sowie unbemannte planetare Erforschung. Nixon erwähnte dabei ein großes, aber langfristiges Ziel, das wir im Auge behalten sollten. um schließlich Menschen zum Planeten Mars zu schicken (Hervorhebung von mir). Nixon distanzierte die NASA in organisatorischer Hinsicht von der Apollo-Vergangenheit: >Wir müssen die Weltraum-Aktivitäten als Teil eines kontinuierlichen Prozesses begreifen. und nicht als eine Abfolge einzelner Sprünge, von denen ein jeder eine massive Konzentration an Energie und Willen erfordert und der in kürzester Zeit erfolgen muß.<
In diesem Stadium hatte die NASA den Kampf um den Mars bereits verloren, und Nixon hatte sich (zunächst einmal) für das
Space Shuttle entschieden. In dieser ebenso kurzen wie wichtigen Rede faßte Nixon praktisch die amerikanische Weltraum-Politik für die siebziger Jahre zusammen.
In der Zeitlinie von Mission Ares nimmt Nixon diesen Erlaß noch vor der Veröffentlichung zurück; an dieser Wegscheide nimmt die Geschichte dann einen ganz anderen Verlauf.
Auch nach Nixons Erwiderung auf den Bericht der >Arbeitsgruppe Weltraum< war die Zukunft der bemannten Raumfahrt der USA noch lange nicht gesichert. Um Rücklagen für zukünftige Programme zu bilden, strich Paine am 2. September 1970 zwei weitere Apollo-Missionen. Doch Paine war bei der Regierung Nixon in Ungnade gefallen und trat am 15. September zurück.
Kritiker im Kongreß indes forderten weitere Kürzungen des NASA-Etats. Das bekannte Konzept der teilweise wiederverwendbaren Raumfähre wurde aus der Notwendigkeit geboren, die Entwicklungskosten zu halbieren. Doch nicht einmal das stellte die Kritiker zufrieden. Im November 1971 übersandte der neue NASA-Direktor James Fletcher dem Präsidenten ein geharnischtes Memorandum, in dem er ihn darauf hinwies, daß die USA es sich nicht leisten könnten, ganz auf die bemannte Raumfahrt zu verzichten, daß die Raumfähre das einzige sinnvolle Programm sei, das mit dem bescheidenen Etat verwirklicht werden könne und daß die Luft- und Raumfahrtindustrie schwer darunter leiden würde, wenn die Raumfähre nicht startete.