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Tessa, die noch auf dem Bett saß und den Hund streichelte, sagte: »Das muß alles irgendwie zusammenhängen: diese >Unglücksfälle<, was diese Männer mit Ella Simpson gemacht haben, und diese... Schreckgespenster.«

»Ja, das hängt alles miteinander zusammen«, stimmte Sam zu. »Und New Wave Mikrotechnologie ist der Knoten, der es zusammenhält.«

Er erzählte ihnen, was er herausgefunden hatte, als er hinter dem Rathaus in dem Streifenwagen spioniert hatte.

»Moonhawk?« fragte sich Tessa. »Verwandlungen? In was, um Himmels willen, verwandeln sie die Menschen?«

»Ich weiß nicht.«

»Doch sicher nicht in diese... Schreckgespenster.«

»Nein, den Sinn dessen würde ich nicht sehen, und soviel ich mitbekommen habe, wurden bereits zweitausend Menschen in der Stadt... dieser Behandlung unterzogen, verwandelt, was auch immer, zum Teufel, es ist. Wenn so viele von Harrys Schreckgespenstern unterwegs wären, wären sie überall; in der Stadt würde es von ihnen wimmeln, wie in einem Zoo in der Twilight-Zone.«

»Zweitausend«, sagte Harry. »Das sind zwei Drittel der ganzen Stadt.«

»Und der Rest bis Mitternacht«, sagte Sam. »Nicht mehr ganz einundzwanzig Stunden von jetzt an.«

»Ich auch, schätze ich?« fragte Harry.

»Ja. Ich habe in ihrer Liste nach Ihnen gesucht. Ihre Verwandlung ist im letzten Stadium geplant, zwischen sechs Uhr kommenden Abends und Mitternacht. Sie haben also noch etwa vierzehneinhalb Stunden, bis sie zu Ihnen kommen werden.«

»Das ist verrückt«, sagte Tessa.

»Ja«, stimmte Sam zu. »Vollkommen verrückt.« »Das kann alles nicht wahr sein«, sagte Harry. »Aber wenn es nicht wahr ist, warum stehen mir dann die Haare zu Berge?«

54

»Sholnick!«

Barry Sholnick warf das Uniformhemd weg, kickte die Schuhe fort und war so begierig, sämtliche Kleidungsstücke abzustreifen und seine Regression vollkommen zu machen, daß er nicht auf Loman achtete.

»Barry, hören Sie um Gottes willen auf, lassen Sie das nicht geschehen«, sagte Pennyworth flehentlich. Er war blaß und zitterte. Er sah von Sholnick zu Peyser und wieder zurück, und Loman vermutete, daß Pennyworth denselben degenerierten Trieb verspürte, dem sich Sholnick ergeben hatte.

»...frei laufen, jagen, Blut, Blut, müssen...«

Peysers verlockender Gesang bohrte sich wie ein Stachel durch Lomans Gehirn, und er wollte, daß er damit aufhörte. Nein, in Wahrheit war es kein Stachel, der seinen Schädel spaltete, denn es war überhaupt nicht schmerzhaft, tatsächlich war es erregend und seltsam melodisch, drang ihm bis ins Innerste und durchbohrte ihn nicht wie ein Schaft aus Metall, sondern wie Musik. Darum wollte er, daß es aufhörte; weil es ihn ansprach, ihn in seinen Bann zog; er wollte seine Verantwortung und seine Sorgen abstreifen, wollte sich vor dem zu komplizierten Leben des Intellekts zurückziehen in eine Existenz, die nur auf Gefühlen basierte, auf körperlichem Verlangen, in eine Welt, deren Grenzen von Sex und Nahrung und dem Nervenkitzel der Jagd bestimmt waren, eine Welt, wo Zwistigkeiten und Bedürfnisse einzig und allein durch Muskelkraft ausgetragen und erfüllt wurden, wo er nie wieder denken, sich Sorgen machen oder sich um etwas kümmern müßte.

»...Erfüllung, Erfüllung, Erfüllung, Erfüllung, töten...«

Sholnicks Körper beugte sich nach vorne, als sich die Wirbelsäule neu bildete. Sein Rücken verlor die konkave Krümmung, die der menschlichen Gestalt eigen ist. Seine Haut schien Schuppen zu weichen...

»...Kommt, schnell, schnell, die Jagd, Blut, Blut...«

...und als Sholnicks Gesicht neu geformt wurde, klaffte sein Mund unmöglich weit auf und öffnete sich fast von einem Ohr bis zum anderen, wie das Maul eines ewig grinsenden Reptils.

Der Druck in Lomans Brust wurde mit jeder Sekunde größer. Ihm war heiß, er schwitzte, aber die Hitze kam aus seinem Inneren, als würde sein Stoffwechsel mit einer Ge -schwindigkeit rasen, die das Tausendfache der Normalen betrug, um ihn für die Verwandlung bereit zu machen. »Nein.« Schweiß strömte an ihm herab. »Nein!« Ihm war, als wäre das Zimmer ein Kessel, in dem er auf seine Essenz ausgekocht werden würde; er konnte fast spüren, wie sein Fleisch zu schmelzen anfing.

Pennyworth sagte: »Ich will, ich will, ich will«, aber er schüttelte heftig den Kopf und versuchte zu leugnen, was er wollte. Er weinte und zitterte und war weiß wie ein Laken.

Peyser erhob sich aus seiner kauernden Haltung und trat von der Wand weg. Er bewegte sich geschmeidig, rasch, und obwohl er sich in seinem veränderten Zustand nicht vollkommen aufrecht halten konnte, war er größer als Lo-man, eine furchteinflößende und zugleich verführerische Gestalt.

Sholnick kreischte.

Peyser entblößte die scharfen Zähne und zischte Loman etwas zu, als wollte er sagen: Entweder kommst du zu uns, oderdu stirbst.

Mit einem Schrei, der sich aus Verzweiflung und Freude zusammensetzte, warf Neu Pennyworth die Schrotflinte weg und legte die Hände vor das Gesicht. Als hätte diese Berüh-rung eine chemische Reaktion ausgelöst, fingen sowohl seine Hände wie auch das Gesicht an, sich zu verformen.

Hitze explodierte in Loman und er brülle wortlos, aber ohne die Freude, die Pennyworth ausgedrückt hatte, und ohne Sholnicks orgiatischen Schrei. Er riß die Schrotflinte hoch, solange er sich noch in der Gewalt hatte, und feuerte eine Ladung auf Peyser ab.

Der Schuß erwischte den Regressiven in der Brust und warf ihn in einem gewaltigen Blutschwall gegen die Wand. Peyser sackte winselnd, nach Luft ringend zusammen und wand sich auf dem Boden wie ein nicht ganz totgetretener Käfer, und er war nicht tot. Vielleicht hatten Herz und Lunge keine ausreichenden Verletzungen abbekommen. Wenn sein Blut, noch mit Sauerstoff versorgt, durch seinen Körper gepumpt würde, dann würde der Schaden bereits behoben; seine Unverwundbarkeit war in gewisser Weise noch größer als die übernatürlichen Kräfte eines Werwolfs, denn ihn konnte man nicht einfach mit einer Silberkugel töten; er würde einen Augenblick später so kräftig wie eh und je wieder aufstehen.

Eine Hitzewelle nach der anderen jagte durch Loman, und jede war heißer als die vorhergehende. Er verspürte Druck von innen, jetzt nicht mehr nur in der Brust, sondern in jedem Körperteil. Ihm blieben nur noch Sekunden, in denen sein Verstand klar genug sein würde zu handeln, und sein Wille stark genug, Widerstand zu leisten. Er lief zu Peyser, hielt ihm die Schrotflinte gegen die wogende Regressiven-brust und feuerte noch eine Ladung in ihn.

Diese Ladung mußte das Herz zerschmettert haben. Der Körper zuckte vom Boden empor, als der Schuß in ihn eindrang. Peysers Monstergesicht verzerrte sich, dann erstarrte es mit offenen, blicklosen Augen und Lippen, die unmenschlich große, scharf aussehende Zähne entblößten.

Hinter Loman schrie jemand.

Er wirbelte herum und sah das Sholnick-Ding auf sich zukommen. Er feuerte eine dritte und vierte Ladung, die Shol-nick in der Brust und im Magen traf.

Der Deputy stürzte heftig zu Boden und kroch in Richtung Flur, weg von Loman.

Neil Pennyworth hatte sich vor dem Bett auf dem Boden in eine embryonale Haltung zusammengerollt. Er sang, aber nicht von Blut und Bedürfnissen und der Freiheit; er schrie den Namen seiner Mutter, immer wieder, als wäre er ein verbaler Talisman, der ihn vor dem Bösen beschützen konnte, das ihn holen wollte.

Lomans Herz schlug so heftig, daß das Pochen von außen zu kommen schien, als würde jemand in einem anderen Zimmer des Hauses eine Trommel schlagen. Er war halb davon überzeugt, daß er seinen gesamten Körper in diesem Pulsschlag erbeben spüren konnte, und daß er sich mit jedem Schlag auf eine unmerkliche und dennoch teuflische Weise veränderte.