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Der Mikrokugelcomputer in jedem Neuen Menschen überwachte jedes Organ im Körper. Wenn er die Produktion verschiedener Aminosäurebausteine und anderer Chemikalien, die als Reaktion auf starke Emotionen gebildet wurden, wahrnahm, setzte er elektrische Stimuli ein, um das Gehirn und andere Organe zu überwinden und den Zustrom abzuschalten, womit die körperlichen Konsequenzen der Emo -tion, wenn nicht die Emotion selbst, beseitigt wurden. Gleichzeitig stimulierte der Mikrokugelcomputer die Produktion anderer Substanzen, die bekanntermaßen die Emo -tionen unterdrückten, und behandelte so nicht nur die Ursache, sondern auch die Wirkung.

»Ich habe Sie von allen Emotionen befreit, außer der Angst«, sagte Shaddack, »die zum Selbstschutz erforderlich ist. Da Ihre Körperchemie jetzt keinen großen Schwankungen mehr unterworfen ist, können Sie klarer denken.«

»Soweit ich bisher mitbekommen habe, bin ich nicht mit einem Mal zum Genie geworden.«

»Nun, Sie bemerken jetzt vielleicht noch keine größere geistige Beweglichkeit, aber das werden Sie noch.«

»Wann?«

»Wenn Ihr Körper restlos von den Überresten einer lebenslangen emotionalen Pollution befreit ist. Derweil ist Ihr innerer Computer« - er tippte Watkins sachte gegen die Schulter - »auch darauf programmiert, komplexe elektrische Stimuli zu verwenden, um den Körper dazu zu bringen, völlig neue Aminosäurebausteine zu erzeugen, die Ihre Blutgefäße reinigen und von Krankheitserregern freihalten, Krebszellen in dem Augenblick vernichten, wenn sie entstehen, und die eine Vielzahl anderer Funktionen ausüben, Sie weitaus gesünder als normale Menschen machen und Ihre Lebenserwartung zweifellos drastisch verlängern.«

Shaddack hatte erwartet, daß der Heilungsprozeß bei den Neuen Menschen beschleunigt sein würde, aber er wäre überrascht gewesen von der fast wunderbaren Schnelligkeit, mit der sich ihre Verletzungen schlössen. Er konnte immer noch nicht begreifen, wie neues Gewebe so schnell gebildet werden konnte; seine momentane Arbeit am Projekt Moonhawk konzentrierte sich darauf, eine Erklärung für diesen Effekt zu finden. Die Heilung wurde nicht ohne ihren Preis bewerkstelligt, denn der Stoffwechsel war auf fantastische Weise beschleunigt; gespeichertes Körperfett wurde in großem Maße verbrannt, um eine Wunde innerhalb von Sekunden oder Minuten zu schließen, der Geheilte war Pfunde leichter, schweißgebadet und hungrig wie ein Wolf.

Watkins runzelte die Stirn und strich sich mit einer zitternden Hand über das schwitzende Gesicht. »Ich kann vielleicht einsehen, daß der Heilungsprozeß beschleunigt ist, aber was gibt die Möglichkeit, uns so vollkommen neu zu gestalten, in eine andere Gestalt zu degenerieren? Sicher können doch nicht einmal Eimer voll von diesen biologischen Chemikalien unseren gesamten Körper auflösen und binnen einer Minute neu aufbauen. Wie kann das sein?«

Shaddack sah dem anderen Mann einen Moment in die Augen, dann wandte er sich ab, hüstelte und sagte: »Hören Sie, ich kann Ihnen das alles später erklären. Jetzt möchte ich Peyser sehen. Ich hoffe, es ist Ihnen gelungen, ihn ohne größere Schäden ruhigzustellen.«

Als Shaddack nach der Tür griff, um sie aufzustoßen, packte ihn Watkins am Handgelenk und hielt ihn zurück. Shaddack war schockiert. Er ließ es nicht zu, daß er berührt wurde.

»Nehmen Sie die Hand von mir.«

»Wie kann der Körper so schnell völlig neu geformt werden?«

»Ich sagte Ihnen, wir unterhalten uns später darüber.«

»Jetzt.« Watkins' Entschlossenheit war so stark, daß sie tiefe Linien in sein Gesicht zeichnete. »Also gut. Ich habe solche Angst, daß ich nicht mehr klar denken kann. Ich kann mit diesem Ausmaß an Angst nicht leben, Shaddack. Sehen Sie mich an. Ich schlottere. Mir ist, als würde ich in Stücke gerissen werden. In eine Million Stücke. Sie wissen nicht, was heute nacht hier vorgefallen ist, sonst würden Sie ebenso empfinden. Ich muß es wissen: Wie können sich unsere Körper so schnell umwandeln?«

Shaddack zögerte. »Ich arbeite daran.«

Watkins ließ überrascht sein Handgelenk los und sagte: »Sie... Sie meinen, Sie wissen es nicht?«

»Es ist eine unerwartete Nebenwirkung. Ich fange an, Sie zu verstehen« ... das war gelogen ... »aber ich muß noch eine Menge arbeiten.« Zuerst mußte er die phänomenalen Heilkräfte der Neuen Menschen verstehen, die zweifellos ein Aspekt desselben Prozesses waren, der es ihnen ermöglichte, sich vollkommen in submenschliche Gestalten zu verwandeln.

»Sie setzen uns dem allen aas und wissen nicht, was es uns antun kann?«

»Ich wußte, daß es ein Vorzug sein würde, eine große Ga -be«, sagte Shaddack ungeduldig. »Kein Wissenschaftler kann jemals alle Nebenwirkungen vorhersagen. Er muß mit dem Wissen handeln, daß mögliche Nebenwirkungen nicht schwerer wiegen als die Vorteile.«

»Aber sie wiegen schwerer als die Vorteile«, sagte Watkins, der dem Zorn so nahe kam wie es einem Neuen Menschen nur möglich war. »Mein Gott, wie haben Sie uns das nur antun können?«

»Ich habe es für Sie getan.«

Watkins sah ihn an, dann stieß er die Schlafzimmertür auf und sagte: »Sehen Sie sich das an.«

Shaddack betrat das Zimmer, wo der Teppich feucht von Blut war - und die Wände waren damit bespritzt. Er verzog das Gesicht angesichts des Gestanks. Er fand alle biologischen Gerüche überaus abstoßend, möglicherweise deshalb, weil sie eine Erinnerung daran waren, daß menschliche Wesen weitaus weniger effizient und sauber waren als Maschinen. Nachdem er beim ersten Leichnam stehengeblieben war - der mit dem Gesicht nach unten nahe der Tür lag -und ihn betrachtet hatte, sah er durch das Zimmer zum zweiten Leichnam. »Zwei? Zwei Regressive, und Sie haben beide umgebracht? Zwei Möglichkeiten, die Psychologie dieser Degenerierten zu studieren, und Sie haben beide Möglichkeiten vernichtet?«

Waikins ließ sich von dieser Kritik nicht beeindrucken. »Es handelte sich hier um eine Situation, bei der es um Tod oder Leben ging. Ich konnte nicht anders handeln.«

Er schien in einem Maße wütend zu sein, das sich mit der Persönlichkeit eines Neuen Menschen nicht vereinbaren ließ. Aber wahrscheinlich war das Gefühl, das seine eisige Gleichgültigkeit zunichte machte, weniger Wut als vielmehr Angst. Angst war akzeptabel.

»Peyser war regressiv, als wir hierher kamen«, fuhr Watkins fort. »Wir haben das ganze Haus durchsucht und ihn in diesem Zimmer gestellt.«

Während Watkins diese Konfrontation in allen Einzelheiten beschrieb, überkam Shaddack eine Angst, die er sich nicht anmerken ließ und sich nicht einmal eingestehen woll-te. Als er sprach, ließ er in seiner Stimme nur Zorn mitschwingen, keine Furcht: »Sie wollen mir sagen, daß Ihre Männer, Sholnick und Pennyworth, daß sogar Sie selbst regressiv sind?«

» Sholnick war regressiv, ja. In meinen Augen ist Pennyworth es nicht - jedenfalls noch nicht -, weil er dem Drang erfolgreich Widerstand leistete. Wie ich ihm widerstanden habe.« Watkins wahrte kühn Augenkontakt und sah nicht einmal weg, was Shaddack weiter beunruhigte. »Was ich Ihnen hier sage, ist das, was ich Ihnen vorhin mit so vielen Worten bei Ihnen zu Hause zu erklären versucht habe. Jeder von uns, jeder verdammte von uns, ist ein potentieller Regressiver. Es ist keine seltene Krankheit unter den Neuen Menschen. Es ist in uns allen. Sie haben ebensowenig eine neue und bessere Menschheit geschaffen, wie Hitlers Politik genetischer Zuchtwahl eine Herrenrasse hervorgebracht hätte. Sie sind nicht Gott; Sie sind Dr. Moreau.«

»Sie werden nicht so mit mir sprechen«, sagte Shaddack und fragte sich, wer dieser Moreau war. Der Name war ihm vage vertraut, aber er kam nicht darauf. »Ich würde vorschlagen, Sie vergessen nicht, wer ich bin, wenn Sie mit mir reden.«