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Watkins senkte die Stimme, weil er sich möglicherweise daran erinnerte, daß Shaddack die Neuen Menschen so mühelos auslöschen konnte, wie er eine Kerze ausblasen würde. Aber er sprach dennoch nachdrücklich und mit zu wenig Respekt weiter. »Sie haben immer noch nicht auf die schlechteste Nachricht reagiert.«

»Und das wäre?«

»Haben Sie mir nicht zugehört? Ich sagte, Peyser saß fest. Er konnte sich nicht zurückverwandeln.«

»Ich bezweifle sehr stark, daß er in seinem veränderten Zustand gefangen war. Neue Menschen haben völlige Kontrolle über ihre Körper, mehr Kontrolle als ich je erwartet hätte. Wenn er nicht in seine menschliche Gestalt zurückkehren konnte, so war das ein streng psychologisches Problem. Er wollte gar nicht mehr zurückkehren.«

Watkins sah ihn einen Moment an, dann schüttelte er den Kopf und sagte: »Sie sind doch nicht wirklich so vernagelt, oder? DÖS ist dasselbe. Verdammt, es ist völlig einerlei, ob etwas mit dem Mikrokugelnetz in seinem Inneren schiefging, ober ob es rein psychologisch war. Wie auch immer, die Wirkung war dieselbe: Er saß fest, war gefangen, in diese degenerierte Form eingesperrt.«

»Sie werden nicht so mit mir sprechen«, wiederholte Shaddack heftig, als würde die Wiederholung des Befehls dieselbe Wirkung haben wie beim Abrichten eines Hundes.

Trotz ihrer physiologischen Überlegenheit und ihrem Potential für geistige Überlegenheit, waren die Neuen Menschen immer noch auf enttäuschende Weise Menschen, und in dem Ausmaß, wie sie Menschen waren, waren sie weitaus weniger effektiv als Maschinen. Bei einem Computer mußte man einen Befehl nur einmal eingeben. Der Computer nahm ihn immer zur Kenntnis und handelte entsprechend. Shad-dack fragte sich, ob es ihm je gelingen würde, die Neuen Menschen in dem Maße vollkommen zu machen, daß künftige Generationen so reibungslos und zuverlässig funktionieren würden wie der durchschnittliche IBM-PC.

Schweißnaß, blaß, mit seltsamen und gequälten Augen, so war Watkins eine einschüchternde Gestalt. Als der Polizist zwei Schritte machte, um die Entfernung zwischen ihnen zu überwinden, hatte Shaddack Angst und wollte zurückweichen, aber er behielt seine Position bei und sah Watkins so trotzig in die Augen, wie er einen gefährlichen deutschen Schäferhund angesehen haben würde, wäre er von einem gestellt worden.

»Sehen Sie sich Sholnick an«, sagte Watkins und deutete auf den Leichnam za ihren Füßen. Er drehte den toten Mann mit der Schuhspitze um.

Obwohl er von Schrotschüssen zerfetzt und blutüberströmt war, war Sholnicks bizarre Mutation unübersehbar. Seine blicklos starrenden Augen waren möglicherweise das furchteinflößendste an ihm gelb, die Iris schwarz, aber nicht rund, wie beim Menschen, sondern längliche Ovale, wie die Augen einer Schlange.

Draußen rollte Donner durch die Nacht, lauter als Shad-dack ihn gehört hatte, als er durch Peysers Vorgarten gegangen war.

Watkins sagte: »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann unterziehen sich diese Degenerierten einer freiwilligen Devolution.«

»Ganz recht.«

»Sie sagten, die gesamte Geschichte der menschlichen Evolution sei in unseren Genen gespeichert, daß wir immer noch Spuren dessen in uns haben, was die Rasse einmal gewesen ist, und daß die Regressiven dieses genetische Material irgendwie anzapfen und sich zu Geschöpfen entwickeln, die weiter unten auf der Leiter der Evolution stehen.«

»Worauf wollen Sie hinaus?«

»Diese Erklärung ergab einen verrückten Sinn, als wir Coombs im September im Kino erwischt haben und ihn uns genau ansehen konnten. Er war mehr Affe als Mensch, irgend etwas dazwischen.«

»Das ergab keinen verrückten Sinn; es ergab völlig klaren Sinn.«

»Aber, mein Gbtt, sehen Sie sich doch einmal Sholnick an. Sehen Sie ihn an! Als ich ihn erschossen habe, hatte er sich in ein Geschöpf verwandelt, das teils Mensch und teils... verdammt, ich weiß nicht, teils Echse oder Schlange war. Wollen Sie mir erzählen, daß wir uns aus Reptilien entwickelt haben, daß wir noch Echsengene von vor zehn Millionen Jahren in uns haben?«

Shaddack steckte beide Hände in die Manteltaschen, damit sie seine Angst nicht durch ein Zittern oder eine nervöse Geste verrieten. »Das erste Leben auf der Erde war im Meer, dann kroch etwas an Land - ein Fisch mit rudimentären Beinen -, und aus diesem Fische entwickelten sich die früheren Reptilien, irgendwann spalteten sich die Säugetiere ab. Wenn wir nicht tatsächlich Bruchstücke dieses genetis chen Materials frühester Reptilien in uns haben - was meine feste Überzeugung ist -, so verfügen wir zumindest über Rassenerinnerungen an jenes Stadium der Evolution, die auf eine andere Weise, die wir nicht verstehen, in uns kodiert sind.«

»Sie halten mich hin, Shaddack.«

»Und Sie gehen mir auf die Nerven.«

»Das ist mir scheißegal. Kommen Sie her, kommen Sie, sehen Sie sich Peyser genauer an. Er war einer Ihrer alten Freunde, nicht? Sehen Sie sich gut und genau an, was er war, als er gestorben ist.«

Peyser lag flach auf dem Rücken, nackt, das rechte Bein ausgestreckt, das linke angewinkelt unter sich, ein Arm seitlich weggestreckt, der andere über der Brust, die von einigen Schrotsalven zerfetzt worden war. Körper und Gesicht -mit seiner unmenschlichen Schnauze und den Zähnen, aber dennoch vage als das von Mike Peyser erkennbar - gehörten einer schrecklichen Mißgeburt, einem Hundemann oder Werwolf, etwas, das entweder in eine alte Jahrmarktsausstellung oder einen alten Horror-Film gehörte. Die Haut war rauh. Der fleckige Pelz war drahtig. Die Hände sahen kräftig aus, die Krallen spitz.

Weil seine Faszination seine Angst und seinen Ekel überwand, zog Shaddack den Mantel hoch, damit der Saum nicht über den blutigen Leichnam strich, und beugte sich über Peysers Leichnam, um ihn sich genauer anzusehen.

Watkins kauerte sich auf der anderen Seite der Kadavers nieder.

Während ein weiterer Donner-Erdrutsch am Nachthimmel herabrollte, starrte der Tote mit Augen zur Schlafzimmerdecke, die zu menschlich für sein sonstiges verzerrtes Äußeres waren.

»Wollen Sie mir sagen, daß wir uns irgendwann einmal aus Hunden oder Wölfen entwickelt haben?« fragte Wat-kins.

Shaddack antwortete nicht.

Watkins beharrte auf dem Thema. »Wollen Sie mir einreden, daß wir Hundegene in uns haben, die wir anzapfen können, wenn wir uns verwandeln wollen? Soll ich etwa annehmen, daß Gott eine Rippe aus einem prähistorischen Las-sie genommen und daraus den Mann gemacht hat, bevor er eine Rippe des Mannes nahm, um die Frau zu schaffen?«

Shaddack berührte neugierig eine von Mike Peysers Händen, die so sicher zum Töten geschaffen war wie das Bajo-nett eines Soldaten. Sie fühlte sich wie Fleisch an, nur kälter als die eines lebenden Menschen.

»Das kann man nicht biologisch erklären«, sagte Watkins und sah Shaddack über den Leichnam hinweg an. »Diese Wolfsgestalt konnte Peyser nicht aus einer in seinen Genen gespeicherten Rassenerinnerung herausziehen. Also, wie konnte er sich so verwandeln? Hier sind nicht nur Biochips am Werk, sondern noch etwas anderes... etwas Seltsame -res.«

Shaddack nickte. »Ja.« Eine Erklärung war ihm eingefallen, die ihn erregte. »Etwas ungleich Seltsameres... aber vielleicht verstehe ich es.«

»Dann sagen Sie es mir. Ich würde es gerne verstehen. Verdammt, wenn es nicht so ist. Ich würde es wirklich gerne genau verstehen. Bevor es mir zustößt.«

»Es gibt eine Theorie, daß die Gestalt eine Funktion des Bewußtseins ist.«

»Hm?«

»Sie behauptet, wir sind das, was wir denken, was wir sind. Ich spreche hier nicht von Pop-Psychologie, daß man sein kann, was man will, wenn man sich nur selbst gut leiden kann, nichts dergleichen. Ich meine, wir könnten physisch das Potential in uns haben, das zu sein, was wir denken, die von unserem genetischen Erbe diktierte Sasis der Gestalt zu überwinden.«