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Er ging in sein Zimmer und zog sich aus. Er hatte kein Blut auf den Schuhen, nur wenig auf den Jeans, aber eine Menge auf dem Hemd. Nachdem er sich rasch im Waschbecken gewaschen und alle Spuren des Blutes hinuntergespült hatte, zog er sich frische Jeans und ein sauberes Hemd an. Er wickelte die blutigen Kleidungsstücke sorgfältig in ein Handtuch und trug sie auf den Dachboden, wo er sie in einer Ecke hinter einer Seemannskiste verstaute. Er könnte sie später wegschaffen.

Unten ging er am Wohnzimmer vorbei, ohne seine tote Mutter anzusehen. Er ging schnurstracks ins Arbeitszimmer des Richters und machte die untere rechte Schreibtischschublade auf. Er zog den Revolver des Richters hinter einem Aktenstapel hervor.

In der Küche schaltete er die Deckenbeleuchtung aus, so daß das einzige Licht durchs Fenster kam, ein paar Teile des Raums lagen in düsteren Schatten. Er legte das Messer auf die Arbeitsplatte neben dem Kühlschrank, in den Schatten. Er legte den Revolver auf einen der Stühle am Tisch und zog den Stuhl nur ein Stück hervor, wodurch der Revolver leicht zu ergreifen, aber nicht leicht zu sehen war.

Er ging durch die Verandatür der Küche auf die Veranda hinaus und rief Runningdeer. Der Indianer hörte den Jungen über das Dröhnen des Rasenmähers nicht, sah aber auf und sah ihn winken. Er schaltete den Rasenmäher stirnrunzelnd ab und kam über den halb gemähten Rasen zur Veranda. »Ja, Thomas?« sagte er, weil er wußte, daß der Richter und Mrs. Shaddack zu Hause waren.

»Meine Mutter braucht deine Hilfe für irgend etwas«, sagte Tommy. »Sie hat mich gebeten, dich zu holen.«

»Meine Hilfe?«

»Ja. Im Wohnzimmer.«

»Was will sie denn?«

»Sie braucht Hilfe beim... nun, es ist einfacher, dir das zu zeigen, anstatt es lange zu erklären.«

Der Junge folgte ihm durch die Verandatür in die große Küche, am Kühlschrank vorbei zur Tür der Diele.

Tommy blieb unvermittelt stehen, drehte sich herum und sagte: »Ach ja, Mutter hat gesagt, du wirst das Messer brauchen, das hinter dir auf der Platte, neben dem Kühlschrank.«

Runningdeer drehte sich um, sah das Messer im Schatten auf der Arbeitsplatte liegen und hob es auf. Er riß die Augen auf. »Kleiner Häuptling, an dem Messer ist Blut. An dem Messer ist...«

Tommy hatte schon den Revolver vom Küchenstuhl genommen. Als der Indianer sich überrascht zu ihm umdrehte, hielt Tommy die Waffe mit beiden Händen fest und feuerte, bis die Trommel leer war, obwohl ihm der Rückstoß schrecklich in Armen und Schultern weh tat und ihn beinahe umgeworfen hätte. Der Indianer wurde von mindestens zwei Kugeln getroffen, eine zerfetzte Runningdeer den Hals.

Der Indianer fiel heftig zu Boden. Das Messer fiel ihm aus der Hand und rutschte polternd über den Boden.

Tommy kickte das Messer mit einem Schuh näher an den Leichnam heran, damit es tatsächlich so aussah, als hätte der sterbende Mann es in der Hand gehabt.

Der Junge hatte die Botschaft der großen Geister besser verstanden als sein Mentor. Sie wollten, daß er sich sofort von allen freimachte, die Macht über ihn hatten: der Richter, seine Frau und Runningdeer. Nur dann könnte er sein eigenes, hochgestecktes Ziel der Macht erreichen.

Er hatte die drei Morde mit der Kaltblütigkeit eines Computers geplant und mit maschinenhafter Effizienz ausgeführt. Er empfand nichts. Keine Emotionen hatten sein Handeln beeinträchtigt. Nun, um die Wahrheit zu sagen, er hatte ein wenig Angst und war aufgeregt - sogar ausgelassen -, aber diese Empfindungen hatten ihn nicht abgelenkt.

Nachdem er Runningdeers Leichnam einen Augenblick angesehen hatte, ging Tommy zum Telefon in die Küche, wählte die Nummer der Polizei und meldete hysterisch, daß der Indianer, der Rache brüllte, seine Eltern ermordet und er, Tommy, den Indianer mit dem Revolver seines Vaters erschossen hätte. Aber er gab es nicht so zusammenhängend preis. Er war so hysterisch, daß sie es ihm aus der Nase ziehen mußten. Er war durch die Geschehnisse sogar so am Boden zerstört und durcheinander, daß sie drei oder vier Mi-nuten geduldig auf ihn einreden mußten, damit er aufhörte zu stammeln und ihnen seinen Namen und die Adresse nennen konnte. Er hatte die Hysterie den ganzen Nachmittag über in Gedanken geübt, seit dem Mittagessen mit dem Indianer. Jetzt war er zufrieden, daß er sich so überzeugend anhörte.

Er ging vor das Haus, setzte sich in die Einfahrt und weinte bis die Polizei eintraf. Seine Tränen waren aufrichtiger als seine Hysterie. Er weinte vor Erleichterung.

In seinem späteren Leben hatte er den Mondfalken noch zweimal gesehen. Er sah ihn, wenn er ihn sehen mußte, wenn er die Rückversicherung brauchte, daß ein Weg, den er eingeschlagen hatte, richtig war.

Aber er brachte nie wieder jemanden um - weil es nicht mehr nötig war.

Seine Großeltern mütterlicherseits nahmen ihn bei sich auf und zogen ihn in einem anderen Teil von Phoenix auf. Weil er diese schreckliche Tragödie mitgemacht hatte, gaben sie ihm mehr oder weniger alles, was er wollte, als wäre es unbeschreiblich grausam gewesen, ihm etwas zu verweigern, als könnte das den letzten Tropfen hinzufügen, der das Faß zum Überlaufen brächte und ihn zerbrechen ließe. Er war Alleinerbe des Anwesens seines Vaters, zu dem noch fette Lebensversicherungspolicen kamen; daher war eine erstklassige Ausbildung gewährleistet, und er besaß genügend Kapital, mit dem er nach seinem Abschluß an der Universität den Start ins Leben bewerkstelligen konnte. Die Welt lag vor ihm und war voller Möglichkeiten. Und dank Runningdeer hatte er den zusätzlichen Vorteil, daß er ohne jeden Zweifel wußte, er hatte ein großes Schicksal vor sich und die Mächte des Schicksals und des Himmels wollten, daß er unvergleichliche Macht über andere Menschen erlangte.

Nur ein Verrückter tötete ohne zwingenden Grund.

Von wenigen seltenen Ausnahmen abgesehen, war Mord einfach keine effiziente Methode, Probleme zu lösen.

Während er jetzt zusammengerollt im Lieferwagen in Paula Parkins' dunkler Garage lag, vergegenwärtigte sich Shad-dack wieder einmal, daß er ein vom Schicksal Auserwählter war, daß er den Mondfalken dreimal gesehen hatte. Er verdrängte sämtliche Ängste vor Loman Watkins und dem Scheitern seiner Pläne aus seinem Denken. Er seufzte und schlief ein.

Er träumte seinen altbekannten Traum. Die riesige Maschine. Halb Metall und halb Fleisch. Pochende Stahlkolben. Menschliche Herzen, die zuverlässig alle Arten von Flüssigkeiten pumpten. Blut und Öl, Eisen und Knochen, Plastik und Sehnen, Kabel und Nerven.

9

Chrissie war erstaunt, wieviel Priester aßen. Der Tisch in der Pfarreiküche bog sich fast unter der Last der Speisen: ein gewaltiger Teller voll Würstchen, Eier, ein Körbchen Toast, ein Päckchen Plundergebäck, ein weiteres mit Blaubeerbröt-chen, eine Schüssel Bratkartoffeln, die im Ofen gewärmt worden waren, frisches Obst und ein Beutel Marshmallows für die heiße Schokolade. Sicher, Pater Castelli war mollig, aber Chrissie hatte immer gedacht, daß Priester in allem entsagend waren, daß sie sich wenigstens einige Freuden des Essens und Trinkens verweigerten, so wie sie der Ehe entsagten. Wenn Pater Castelli bei jeder Mahlzeit so viel aß, müßte er eigentlich doppelt so viel wiegen. Nein, dreimal so viel!

Beim Essen erzählte sie ihm von den Außerirdischen, die ihre Eltern übernommen hatten. Um Pater Castellis Neigung zu religiösen Antworten zu genügen, und um ihn bei der Stange zu halten, ließ sie die Hintertür möglicher dämonischer Besessenheit offen, obwohl sie selbst der Erklärung, es handle sich um außerirdische Invasoren, den Vorzug gab. Sie sagte ihm, was sie gestern nachmittag im oberen Flur gesehen hatte, wie sie in die Speisekammer gesperrt worden und später von Tucker und ihren Eltern in ihren seltsamen neuen Gestalten gejagt worden war.

Der Priester drückte Erstaunen und Sorge aus, er wollte mehrmals genauere Einzelheiten wissen, aber er hörte nicht merklich auf zu essen. Er aß sogar mit solcher Gier, daß seine Tischsitten darunter litten. Seine Nachlässigkeit überraschte Chrissie ebensosehr wie sein unermeßlicher Appetit. Er hatte ein paarmal Eidotter auf dem Kinn, als sie den Mut aufbrachte, es ihm zu sagen, machte er einen Witz darüber und wischte ihn weg. Aber einen Augenblick später sah sie hoch, und wieder war Eidotter dort. Er ließ ein paar Minia-turmarschmallows fallen, was ihn nicht weiter zu stören schien. Sein schwarzes Hemd war völlig voller Brosamen, winziger Wurststückchen, Kartoffeln, Gebäckkrümel, Brötchenkrümel. ..