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Sie hörten sich nicht wie Außerirdische an. Sie hörten sich ganz wie normale Menschen an.

Würde Außerirdischen die Misik von Stevie Wonder und den Four Tops und den Pointer Sisters gefallen? Kaum. Für menschliche Ohren hörte sich außerirdische Musik wahrscheinlich an, als würden Ritter in Rüstungen Dudelsack spielen, während sie gleichzeitig inmitten einer Meute kläffender Hunde eine Steintreppe hinunterfielen. Mehr wie Twisted Sisters als die Pointer Sisters.

Schließlich erhob sie sich so weit, daß sie über den Sims und durch einen Spalt im Vorhang sehen konnte. Sie sah Mr. Talbot in seinem Rollstuhl, Moose und einen fremden Mann und eine Frau. Mr. Talbot klopfte mit der guten Hand den Takt auf der Armlehne des Rollstuhls, und Moose wedelte heftig und unrhythmisch mit dem Schwanz dazu. Der andere Mann schaufelte mit einem Heber Eier aus Bratpfannen auf Teller, wobei er die Frau ab und zu böse ansah, weil ihm vielleicht die Art mißfiel, wie sie mit der Musik mitging, obwohl er selbst mit dem rechten Fuß den Rhythmus tapp-ste. Die Frau machte Pfannkuchen und stapelte sie auf einen Teller im Ofen, sie hüpfte und wippte und tanzte beim Arbeiten; sie bewegte sich anmutig.

Chrissie kauerte sich wieder hinunter und dachte darüber nach, was sie gesehen hatte. Wenn sie Menschen waren, war an ihrem Verhalten nichts Außergewöhnliches, aber wenn sie Außerirdische waren, würden sie sicher nicht zu Radio -musik hüpfen, während sie das Frühstück machten. Chrissie konnte sich kaum vorstellen, daß Außerirdische - wie das Ding, das sich als Pater Castelli verkleidet hatte - einen Sinn für Humor oder ein Gespür für Rhythmus haben würden. Außerirdische kümmerten sich sicherlich nur darum, wie sie neue Wirtskörper übernehmen und neue Rezepte finden könnten, wie man zarte Kinder kochte.

Dennoch beschloß sie zu warten, bis sie die Möglichkeit haben würde, ihnen beim Essen zuzusehen. Nach allem, was Tucker und ihre Mutter gestern nacht auf der Wiese gesagt hatten und was sie beim Frühstück mit Pater Castelli gesehen hatte, war sie der Überzeugung, daß Außerirdische heißhungrig waren und jeder den Appetit von einem halben Dutzend Menschen hatte. Wenn sich Harry Talbot und seine Freunde beim Essen nicht als völlige Schweine entpuppten, könnte sie ihnen wahrscheinlich vertrauen.

14

Loman war in Peysers Haus geblieben und hatte das Aufräumen und den Abtransport der Leichen der Regressiven mit Callans Leichenwagen überwacht. Er hatte Angst, es seine Leute alleine machen zu lassen, weil er fürchtete, der Anblick der mutierten Leichen oder der Geruch des Blutes würde sie anregen, selbst andere Daseinsformen anzunehmen. Er wußte, daß alle - nicht zuletzt er selbst - auf einem Drahtseil über dem Abgrund balancierten. Aus demselben Grund folgte er dem Leichenwagen zum Bestattungsinstitut und blieb bei Callan und seinem Assistenten, bis die Leichen von Peyser und Sholnick den Rammen des Krematoriums übergeben worden waren.

Dann informierte er sich über den Stand der Suche nach Booker, Lockland und Chrissie Foster und nahm einige Änderungen in den Fahrplänen der Streifen vor. Er war im Büro, als der Bericht von Castelli hereinkam, und er fuhr direkt zur Pfarrei von Our Lady of Mercy, um aus erster Hand zu erfahren, wie ihnen das Mädchen hatte entkommen können. Sie waren voll der Entschuldigungen, aber die meisten klangen lahm. Er vermutete, daß sie regressiv geworden waren, um mit dem Mädchen zu spielen, weil es ihnen Nervenkitzel verschaffte, und während sie mit ihr spielten, hatten sie ihr versehentlich eine Möglichkeit gegeben zu entweichen. Selbstverständlich gestanden sie die Regression nicht ein.

Loman verstärkte die Patrouillen in der unmittelbaren Umgebung, aber von dem Mädchen war keine Spur zu sehen. Sie war untergetaucht. Dennoch, da sie in die Stadt gekommen war, anstatt Richtung Autobahn zu fliehen, würden sie sie wahrscheinlich noch vor Ende des Tages finden und verwandeln können.

Um neun Uhr kehrte er in sein Haus am Iceberry Way zurück, um zu frühstücken. Seit er in Peysers blutüberströmtem Bad beinahe regressiv geworden war, schlotterten seine Kleidungsstücke an ihm. Er hatte ein paar Pfund verloren, als der katabolische Prozeß sein eigenes Fleisch verbrannt hatte, um die gewaltige Energie aufzubringen, die zur Regression notwendig war - und um der Regression Widerstand zu leisten.

Das Haus war dunkel und still. Denny war zweifellos oben vor dem Computer, wo er gestern abend auch gewesen war. Grace war zur Thomas Jefferson zur Arbeit gegangen, wo sie unterrichtete; sie mußten die Fassade des alltäglichen Lebens aufrechterhalten, bis alle in Moonlight Cove verwandelt worden waren.

Zur Stunde waren noch keine Kinder unter zwölf Jahren verwandelt worden, was teilweise darauf zurückzuführen war, daß sich die Techniker bei New Wave nicht sicher waren, welche Dosis für Kinder die richtige war. Dieses Problem war gelöst worden, und heute nacht würden auch die Kinder aufgenommen werden.

In der Küche blieb Loman einen Augenblick stehen, lauschte dem Regen an den Fenstern und dem Ticken der Uhr.

Er schenkte sich am Waschbecken ein Glas Wasser ein. Er trank es, dann noch eines und noch einmal zwei. Nach der Prüfung bei Peyser war er ausgetrocknet.

Der Kühlschrank war voll mit fünfpfündigen Schinken, Roastbeef, einem halb verspeisten Truthahn, einer Platte Schweinegeschnetzeltem, Hühnerbrüsten, Würsten und Packungen voll Spaghetti Bolognese und Dörrfleisch. Der beschleunigte Stoffwechsel der Neuen Menschen erforderte eine proteinreiche Ernährung. Außerdem hatten sie Heißhunger nach Fleisch.

Er nahm eine Packung Pumpernickel aus dem Brotkasten und setzte sich damit hin - und dem Roastbeef, Schinken und einem Glas Senf. Er blieb eine Weile am Tisch sitzen, schnitt oder riß dicke Scheiben Fleisch ab, legte sie auf senfbeschmiertes Brot und biß gewaltige Bissen mit den Zähnen ab. Essen bereitete ihm nicht mehr soviel Vergnügen wie damals, als er noch ein Alter Mensch gewesen war; jetzt weckten Geschmack und Geruch eine animalische Erregung in ihm, den Kitzel von Gier und Völlerei. Er war in einem gewissen Maß abgestoßen davon, wie er an dem Essen riß und es schluckte, bevor er es richtig gekaut hatte, aber jeder Versuch, sich zurückzuhalten, den er unternahm, wich bald noch fieberhafterem Schlingen. Er verfiel in eine Art Trance und war vom Rhythmus des Kauens und Schluckens wie hypnotisiert. Einmal wurde er klar genug im Kopf, um zu sehen, daß er die Hühnchenbrüste aus dem Kühlschrank geholt hatte und sie heißhungrig verzehrte, obwohl sie roh waren. Er ließ sich rasch wieder in die barmherzige Trance versinken.

Als er mit dem Essen fertig war, ging er nach oben, um nach Denny zu sehen.

Als er die Tür zum Zmmer des Jungen aufmachte, schien zuerst alles so zu sein, wie es gewesen war, als er es das letzte Mal gesehen hatte, gestern abend. Die Jalousien waren heruntergelassen, die Vorhänge zugezogen, das Zimmer dunkel, abgesehen vom grünlichen Leuchten des VDT. Den-ny saß vor dem Computer und studierte die Daten, die über den Bildschirm flackerten.

Dann sah Loman etwas, das ihm eine Gänsehaut verschaffte.

Er machte die Augen zu.

Wartete.

Machte sie wieder auf.

Es war keine Illusion.

Ihm war übel. Er wollte auf den Flur zurückgehen, die Tür zumachen und vergessen, was er gesehen hatte und weggehen. Aber er konnte sich nicht bewegen, konnte den Blick nicht abwenden.

Denny hatte die Tastatur des Computers entfernt und auf den Boden neben den Stuhl gestellt. Er hatte die Verkleidung der Datenverarbeitungseinheit abgeschraubt. Seine Hände lagen im Schoß, aber sie waren keine richtigen Hände mehr. Die Finger waren grotesk langgezogen und endeten nicht mehr in Kuppen und Fingernägeln, sondern gingen in metallisch aussehende Kabel über, die so dick wie Lampenkordeln waren, sich ins Innere des Computers schlängelten und dort verschwanden.

Denny brauchte die Tastatur nicht mehr.

Er war zum Bestandteil des Systems geworden. Durch seinen Computer und die Modem-Verbindung zu New Wave war Denny eins mit der Sonne geworden.