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»Denny?«

Er hatte eine veränderte Daseinsform angenommen, aber keine, wie sie von den Regressiven gesucht wurde.

»Denny?«

Der Junge antwortete nicht.

»Denny!«

Ein seltsames leises Klicken und pulsierende elektronische Laute kamen vom Computer.

Loman betrat widerstrebend das Zimmer und ging zum Schreibtisch. Er sah auf seinen Sohn und erschauerte.

Dennys Mund stand offen. Speichel troff ihm am Kinn herunter. Er war durch seinen Kontakt mit dem Computer so gefesselt, daß er sich nicht die Mühe gemacht hatte, zum Essen oder Austreten aufzustehen; er hatte sich in die Hosen uriniert.

Seine Augen waren nicht mehr da. An ihrer Stelle saßen zwei glänzende Kugeln, die wie geschmolzenes Silber aussahen und wie Spiegel funkelten. Sie spiegelten die Daten, die vor ihnen über den Bildschirm wanderten.

Die pulsierenden Laute, leise elektronische Oszillationen, kamen nicht vom Computer, sondern von Denny selbst.

15

Die Eier waren gut, die Pfannkuchen noch besser, der Kaffee so stark, daß er fast die Bemalung der Porzellantassen ablöste, aber nicht so stark, daß man ihn kauen mußte. Beim Essen schilderte Sam ihnen den Plan, den er gemacht hatte, um eine Nachricht aus der Stadt hinaus und zum Bureau zu bringen.

»Ihr Telefon ist immer noch tot, Harry. Ich habe es heute morgen versucht. Und ich glaube nicht, daß wir es riskieren können, zu Fuß oder mit dem Auto die Autobahn zu-errei-chen, da sie überall Straßensperren haben und Patrouillen unterwegs sind; das muß unser allerletzter Ausweg bleiben. Schließlich sind wir, soweit wir wissen, die einzigen Menschen, die sich darüber im klaren sind, daß hier etwas wirklich... Unglaubliches vor sich geht, das man unbedingt aufhalten muß. Wir und vielleicht diese kleine Foster, von der die Polizisten gestern abend über VDT gesprochen haben.«

»Wenn sie wirklich ein kleines Mädchen ist«, sagte Tessa, »ein Kind, selbst ein Teenager, dürfte sie kaum Chancen gegen sie haben. Wir müssen davon ausgehen, daß sie sie erwischen, wenn sie sie nicht schon haben.«

Sam nickte. »Und wenn sie uns auch festnageln, wenn wir versuchen, die Stadt zu verlassen, ist niemand mehr übrig. Daher sollten wir zuerst eine Vorgehensweise mit geringem Risiko versuchen.«

»Gibt es denn eine Vorgehensweise mit geringen Risiken?« fragte sich Harry, während er Eidotter mit einem Stück Toast aufwischte, das er langsam und mit einer rührenden Präzision verzehrte, die daher kam, daß er nur einen Arm gebrauchen konnte.

Sam goß ein wenig Ahornsirup über seine Pfannkuchen und nahm überrascht zur Kenntnis, wieviel er aß, schrieb seinen Appetit aber der Tatsache zu, daß es möglicherweise seine Henkersmahlzeit war; er sagte: »Sehen Sie... dies ist eine verkabelte Stadt.«

»Verkabelt?«

»Computerverbindungen. New Wave gab der Polizei

Computer, daher werden sie ans Netz angeschlossen sein... «

»Und die Schulen«, sagte Harry. »Ich erinnere mich, ich habe letzten Frühling oder Frühsommer in der Zeitung darüber gelesen. Sie haben der Grund- und der High School eine Menge Computer und Software gegeben. Eine Geste öffentlichen Interesses, wie sie es nannten.«

»Sieht ganz so aus, als wäre das nicht der einzige Grund, was?« sagte Tessa.

»Verdammt richtig.«

Tessa sagte: »Sieht ganz so aus, als hätten sie ihre Computer aus denselben Gründen in den Schulen haben wollen, weshalb sie die Polizei computerisieren wollten - um alle eng mit New Wave zu verknüpfen, damit sie sie überwachen und kontrollieren konnten.«

Sam legte die Gabel weg. »New Wave beschäftigt, wieviel, etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Stadt, nicht?«

»Wahrscheinlich«, sagte Harry. »Moonlight Cove ist erst gewachsen, nachdem sich New Wave vor zehn Jahren hier niedergelassen hat. Es ist in gewisser Weise eine altmodische Industriestadt - das Leben hängt nicht nur vom Hauptarbeitgeber ab, sondern gruppiert sich auch gesellschaftlich um seine Person.«

Nachdem er etwas Kaffee getrunken hatte, der so stark war, daß er beinahe wie Schnaps brannte, sagte Sam: »Ein Drittel der Bevölkerung... das läuft auf ungefähr vierzig Prozent der Erwachsenen hinaus.«

Harry sagte: »Schon möglich.«

»Und man muß davon ausgehen, daß alle Mitarbeiter von New Wave an der Verschwörung beteiligt sind und zu den ersten gehörten, die... verwandelt wurden.«

Tessa nickte. »Davon gehe ich aus.«

»Und sie müssen sich natürlich besonders für Computer interessieren, denn sie arbeiten ja in der Branche, daher kann man als sicher annehmen, daß alle einen Computer zu Hause haben.«

Harry stimmte zu.

»Und zweifellos kann man viele, wenn nicht alle Heim-Computer per Modem direkt mit New Wave verbinden, daher können sie abends oder an Wochenenden zu Hause arbeiten, falls erforderlich. Und da der Plan der Verwandlungen sich dem Ende nähert, möchte ich wetten, daß alle rund um die Uhr arbeiten; es müssen die halbe Nacht hindurch Daten über ihre Telefonleitungen hin und her fliegen. Wenn Harry mir jemanden in diesem Block hier nennen kann, der für New Wave arbeitet... «

»Mehrere«, sagte Harry.

»...dann könnte ich mich im R;gen hinausschleichen, zu ihrem Haus gehen und herausfinden, ob jemand zu Hause ist. Um diese Zeit arbeiten sie wahrscheinlich. Wenn niemand da ist, kann ich möglicherweise mit deren Telefon einen Anruf hinaus bewerkstelligen.«

»Moment, Moment«, sagte Tessa. »Was soll das mit den Telefonen. Die Telefone funktionieren nicht.«

Sam schüttelte den Kopf. »Wir wissen nur, daß die öffentlichen Fernsprecher nicht funktionieren und der von Harry nicht. Aber bedenken Sie: New Wave kontrolliert den Computer der Telefongesellschaft, daher können sie sich wahrscheinlich aussuchen, welche Leitungen sie lahmlegen wollen. Ich wette, sie haben die derjenigen, die diese... Verwandlung bereits hinter sich haben, nicht unterbrochen. Sie können sich ja nicht selbst isolieren. Besonders jetzt nicht, in einer Krisensituation und da ihr Plan so gut wie abgeschlossen ist. Die Chancen sind größer als fünfzig Prozent, daß sie nur die Leitungen lahmgelegt haben, die wir ihrer Meinung nach erreichen können - Telefonzellen, öffentliche Fernsprecher - wie im Motel - und die Telefone in den Häusern der Leute, die noch nicht verwandelt worden sind.«

16

Angst erfüllte Loman Watkins, sättigte ihn so sehr, daß man sie aus ihm hätte auswringen können, wenn sie Substanz gehabt hätte, und zwar in rauhen Mengen, die es durchaus mit denen aufnehmen könnten, welche momentan gerade vom Himmel strömten. Er hatte Angst vor sich selbst, vor dem, was er werden könnte. Er hatte auch Angst um seinen Sohn, der in völlig fremder Gestalt am Computer saß. Und er hatte Angst vor seinem Sohn, das konnte er nicht leugnen, er ängstigte sich fast zu Tode vor ihm und konnte es nicht über sich bringen, ihn zu berühren.

Eine Datenflut flackerte als grüner Strom über den Bildschirm. Dennys funkelnde, flüssige Silberaugen - die wie Quecksilberpfützen in den Höhlen aussahen - reflektierten den leuchtenden Strom der Buchstaben, Zahlen, Grafiken und Karten. Ohne zu blinzeln.

Loman erinnerte sich, was Shaddack in Peysers Haus gesagt hatte, als er gesehen hatte, daß der Mann in eine wölfische Gestalt degeneriert war, die unmöglich Teil der menschlichen genetischen Geschichte gewesen sein konnte. Regression sei nicht nur - oder gar hauptsächlich - ein physischer Prozeß. Sie sei ein Beispiel, wie der Verstand über die Materie triumphierte, wie das Bewußtsein die Ge -stalt bestimmte. Weil sie keine gewöhnlichen Menschen mehr sein konnten und weil sie -das Leben als Neue Menschen ohne Gefühle einfach nicht mehr ertragen konnten, suchten sie veränderte Daseinsformen, in denen das Leben erträglicher war. Und der Junge hatte dieses Dasein gewählt, war Kraft seines Willens zu diesem grotesken Ding geworden.