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Trotzdem konnte er sehen, daß Coltrane langsam, langsam den Kopf hob.

Mein Gott, ich will dieses zerschmetterte Gesicht nicht sehen!

Sam kickte mit dem rechten Fuß, in den er sein ganzes Gewicht verlagerte, einmal, zweimal, dreimal gegen die Kabel zwischen Coltrane und dem Computer. Sie rissen bei Coltrane ab, platzten mit einem gräßlichen Geräusch aus dem Fleisch, und der Mann sackte auf dem Stuhl zusammen. Gleichzeitig öffnete sich die Knochenhand und fiel von Sams Handgelenk ab. Sie fiel mit einem kalten Klappern auf die harte Plastikmatte unter dem Stuhl.

Elektronische Baßtöne pulsierten wie leise Trommelschläge und hallten von den Wänden wider, während darunter ein dünnes Wimmern unablässig über drei Töne hinweg an-und abschwoll.

Keuchend und halb im Schock preßte Sam die linke Hand um das blutende Gelenk, als könnte das die stechenden Schmerzen stillen.

Etwas strich an seinem Bein entlang.

Er sah nach unten und erblickte die halborganischen Kabel, blassen Schlangen ohne Köpfe gleich, die immer noch mit dem Computer verbunden und von bösem Leben erfüllt waren. Sie schienen auch gewachsen zu sein und wirkten doppelt so lang wie vorher, als sie Coltrane noch mit der Maschine verbunden hatten. Eines packte seinen linken Knöchel, während sich das andere geschmeidig um die rechte Wade schlängelte.

Er versuchte sich loszureißen.

Sie hielten ihn fest.

Sie krochen an seinen Beinen hinauf.

Er wußte instinktiv, sie suchten nacktes Fleisch an seinem Oberkörper, bei Kontakt würden sie sich in ihn graben und ihn zu einem Bestandteil des Systems machen.

Er hielt immer noch den Revolver in der blutigen rechten Hand. Er zielte auf den Bildschirm.

Es strömten keine Daten mehr über das bernsteinfarbene Feld. Statt dessen sah Coltranes Gesicht vom Bildschirm heraus. Seine Augen waren wieder hergestellt, und es schien, als könnte er Sam sehen, denn er sah ihn direkt an und sprach zu ihm:

»...brauche... brauche... will... brauche...«

Ohne auch nur einen Bruchteil zu begreifen, wußte Sam, daß Coltrane noch am Leben war. Er war nicht mit seinem Körper gestorben - zumindest war er nicht völlig dahin. Er war da, irgendwie in der Maschine.

Wie um diese Erkenntnis zu bestätigen, beeinflußte Coltrane das Glas des Bildschirms so, daß es die konvexe Ebene seiner Oberfläche aufgab und sich den Konturen seines Ge -sichts anpaßte. Das Glas wurde so flexibel wie Gelantine, wölbte sich nach außen, als würde Coltrane tatsächlich leibhaftig in der Maschine existieren und jetzt sein Gesicht herausdrücken.

Dies war unmöglich. Und trotzdem passierte es. Harley Coltrane schien Kraft seines Geistes die Materie zu beherrschen - eines Geistes, der nicht einmal mehr mit dem Körper verbunden war.

Sam war wie hypnotisiert vor Angst, erstarrt, gelähmt. Sein Finger lag reglos am Abzug.

Die Wirklichkeit war eingerissen und durch diesen Riß drang eine Alptraumwelt von unendlicher Bösartigkeit in diese Welt herüber, die Sam kannte und - plötzlich - liebte.

Eines der schlangengleichen Kabel hatte sich bis zu seiner Brust vorgearbeitet und drang unter den Pullover auf nackte Haut. Ihm war, als wäre er von einem weißglühenden Brandeisen gestreift worden, und dieser Schmerz brach den Bann.

Er feuerte zwei Schuß in den Computer und zerschmetterte zuerst den Bildschirm, das zweite Gesicht von Harley Coltrane, in das er eine 38er-Kugel pumpte. Sam rechnete halb damit, daß es die Kugel ohne Wirkung absorbieren würde, aber die Kathodenröhre explodierte, als wäre sie immer noch aus Glas. Der zweite Schuß zerschmetterte die Innereien des Datenspeichers und machte dem Ding, das Coltrane geworden war, endgültig den Garaus.

Die blassen, öligen Tentakel fielen von ihm ab. Sie warfen Blasen, fingen an zu blubbern und schienen vor seinen Augen zu verwesen.

Unheimliche elektronische Piepstöne, Knistern und Oszillationen, nicht ohrenbetäubend laut, aber unangenehm stechend, tosten durch das Zimmer.

Als Sam zu der Frau sah, die am anderen Computer saß, an der Ostwand, stellte er fest, daß die schleimglatten Kabel zwischen ihr und der Maschine ebenfalls länger geworden waren und es ihr ermöglichten, sich mit dem Stuhl umzudrehen und ihn anzusehen. Abgesehen von diesen halborganischen Verbindungen und ihrer Nacktheit befand sie sich in einem völlig anderen, aber deshalb nicht weniger teuflischen Zustand als ihr Mann. Auch ihre Augen waren verschwunden, aber in den Höhlen leuchteten keine unterschiedlichen Sensoren. Zwei rötliche Kugeln, dreimal so groß wie gewöhnliche Augen, erfüllten grotesk vergrößerte Augenhöhlen in einem Gesicht, das ihretwegen neu gestaltet worden war; es waren weniger Augen als vielmehr augenförmige Rezeptoren, die zweifellos imstande waren, verschiedene Lichtspektren zu sehen, und tatsächlich konnte Sam ein auf dem Kopf stehendes Bild von sich selbst in jeder Linse erkennen. Ihre Beine, Bauch, Brüste, Arme, Hals und Gesicht waren dicht von aufgequollenen Blutgefäßen überzogen, die direkt unter der Haut lagen und bis zum Bersten prall gefüllt zu sein schienen, daher sah sie aus, als wäre sie ein elektronischer Schaltplan. In einigen dieser Gefäße mochte tatsächlich Blut fließen, aber in anderen pulsierten Wogen radiumähnlicher Beleuchtung, manche grün und andere schwefelgelb.

Eine in Segmente unterteile wurmähnliche Sonde, die etwa so dick wie ein Bleistift war, brach aus ihrer Stirn hervor, als wäre sie mit der Pistole geschossen worden, und streckte sich Sam entgegen, überwand die drei Meter zwischen ihnen binnen eines Sekundenbruchteils und traf ihn über dem rechten Auge, bevor er sich ducken konnte. Die Spitze fraß sich beim Kontakt in seine Haut. Er hörte ein surrendes Geräusch, als würden sich winzige Fräsen mit eine Geschwindigkeit von tausend Umdrehungen pro Minute drehen. Blut rann an seiner Stirn und der Nase hinab. Aber er feuerte, noch während die Sonde auf ihn zuschnellte, die beiden letzten Schüsse im Revolver ab. Beide Schüsse trafen ihr Ziel. Einer drang in den Oberkörper der Frau, der zweite ging in den Computer hinter ihr und löste einen Funkenschauer und knisterte elektrische Blitze aus, die zur Decke stoben und kurz über den Verputz krochen, ehe sie erloschen. Die Sonde erschlaffte und fiel von ihm ab, bevor sie sein Gehirn mit ihrem verbinden konnte, was offenbar ihre Absicht gewesen war.

Abgesehen vom grauen Tageslicht, das durch papierdünne Schlitze zwischen den Streifen der Jalousien hereinfiel, war es dunkel in dem Zimmer.

Sam erinnerte sich irrwitzigerweise an etwas, das einmal ein Computerspezailist während eines Seminars für Agenten gesagt hatte, als er erklärte, wie das neue System des Bureaus funktionierte: »Computer funktionieren noch effektiver, wenn sie miteinander verbunden sind, was eine parallele Datenverarbeitung ermöglicht.«

Er blutete aus Stirn und Handgelenk, während er rückwärts taumelte, auf den Lichtschalter drückte und eine Stehlampe einschaltete. Er stand da - so weit als möglich von den beiden grotesken Leichen entfernt, daß er sie noch sehen konnte -, während er den Revolver mit Patronen nachlud, die er aus der Tasche seiner Jacke holte.

Es war unnatürlich still in dem Zimmer.

Nichts bewegte sich.

Sams Herz schlug so schnell, daß seine Brust mit jedem Schlag weh tat.

Er ließ zweimal Patronen fallen, weil seine Hände so stark zitterten. Er bückte sich nicht, um sie aufzuheben. Er war halb davon überzeugt, daß in dem Augenblick, in dem er nicht in einer Position war, zielgenau zu feuern oder zu fliehen, sich herausstellen würde, daß eine der toten Kreaturen überhaupt nicht tot war und sich wie ein Blitz auf ihn stürzen würde, funkensprühend, um ihn zu packten, bevor er sich aufrichten und ihr ausweichen konnte.

Allmählich hörte er das Prasseln des Regens wieder. Nachdem er am Morgen etwas nachgelassen hatte, fiel er jetzt wieder heftiger denn je seit Ausbruch des Sturms vergangene Nacht. Kein Donner ließ den Tag erbeben, aber das furiose Trommeln des Regens selbst - und die isolierten Hauswände - hatten das Feuer wahrscheinlich so weit gedämpft, daß die Schüsse nicht von Nachbarn gehört worden waren. Er hoffte bei Gott, daß es so war. Ansonsten würden sie wahrscheinlich schon jetzt unterwegs sein, um nach dem Rechten zu sehen und seine Flucht zu vereiteln.