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Robert Jordan

Brandon Sanderson

Mitternachtstürme

EINLEITUNG

Im Zeitalter der Legenden haben Männer und Frauen mit besonderen Gaben, genannt Aes Sedai, Zugang zur Wahren Quelle, die das Universum antreibt und das Rad der Zeit dreht. Damit vollbringen sie Wunder. Aber dann öffnen sie unabsichtlich den Kerker des Dunklen Königs, der Macht des Bösen, der vom Schöpfer selbst dort im Augenblick der Schöpfung eingesperrt wurde.

Lews Therin Telamon, der mächtigste Aes Sedai seiner Zeit, den man auch den Drachen nennt, kann den Kerker versiegeln, aber im Augenblick der Niederlage vergiftet das Böse die Quelle der Einen Macht. Die männlichen Aes Sedai verfallen dem Wahnsinn und zerstören die Zivilisation.

Dreitausend Jahre später zerfallen die Siegel, und der Dunkle König greift wieder nach der Welt. Prophezeiungen künden von der Wiedergeburt des Drachen und Tarmon Gai’don, der Letzten Schlacht gegen das Böse.

Verstrickt in das Muster des Schicksals geraten der junge Rand al’Thor und seine Freunde Perrin Aybara und Matrim Cauthon in den Brennpunkt der Ereignisse. Rand wird zum unfreiwilligen Erben von Lews Therin und somit zum Wiedergeborenen Drachen. Perrin, ein Schmied, entwickelt eine geheimnisvolle Verbindung zu den Wölfen und steigt zum Anführer seiner Heimat auf. Mat hingegen lebt das Leben eines Abenteurers, begünstigt von einem seltsamen Glück.

Sie erleben eine Welt im Umbruch. Die Aes Sedai, nun ein Frauenorden und Begründer der Weißen Burg, ringen mit uralten Traditionen, während in den meisten Nationen Krieg herrscht.

Am Vorabend der Letzten Schlacht sammelt der Wiedergeborene Drache seine Streitkräfte, um sich dem Dunklen König zu stellen. Er wird die Welt retten. Oder sie erneut zerstören …

Und schon bald wurde selbst im Stedding offensichtlich, dass das Muster an Brüchigkeit gewann. Der Himmel verfinsterte sich. Unsere Toten erschienen, stellten sich außerhalb der Grenzen des Stedding in Reihen auf und schauten hinein. Aber was noch viel beunruhigender war: die Bäume erkrankten, und kein Lied konnte sie heilen.

In dieser Zeit der Sorge trat ich nun vor den Großen Stumpf. Zuerst wurde mir das verboten, aber meine Mutter Covril verlangte, dass man es mir erlaubte. Ich vermag nicht zu sagen, woher ihr Meinungswechsel rührte, denn sie selbst hatte zunächst vehement für die andere Seite gesprochen. Meine Hände zitterten. Ich sollte der letzte Sprecher sein, und die meisten schienen sich bereits entschieden zu haben, das Buch der Übersetzung zu öffnen. Sie betrachteten mich als Nachsatz.

Und eines stand mir klar vor Augen: sollte meine Rede nicht wahrhaftig sein, würde die Menschheit dem Schatten allein gegenübertreten müssen. In diesem Augenblick schwand meine Nervosität. Ich verspürte nur noch Ruhe, das sichere Gefühl von Bestimmung. Ich öffnete den Mund und fing an zu reden.

-Auszug aus Der Wiedergeborene Drache von Loial,
Sohn von Arent Sohn von Halan
aus dem Stedding Shangtai

PROLOG

Unterschiede

Mandarbs Hufe trommelten einen vertrauten Rhythmus auf den unwegsamen Boden, als Lan Mandragoren seinem Tod entgegentritt. Die heiße Luft trocknete seinen Hals aus; die Erde war mit aus der Höhe gefallenen Salzkristallen weiß gesprenkelt. Im Norden erhoben sich in der Ferne rote Felsformationen, die von der Fäulnis befleckt wurden. Zeichen der Großen Fäule, sich langsam ausbreitende dunkle Ranken.

Er ritt weiter nach Osten, immer parallel zur Fäule. Das hier war noch immer Saldaea, wo ihn seine Frau abgesetzt und damit ihr Versprechen, ihn in die Grenzlande zu bringen, so gerade eben noch eingehalten hatte. Dieser Weg erstreckte sich nun schon lange Zeit vor ihm. Vor zwanzig Jahren hatte er ihm den Rücken gekehrt, als er einwilligte, Moiraine zu folgen, aber tief in seinem Inneren hatte er immer gewusst, dass er zurückkommen würde. Das bedeutete es, den Namen seiner Väter zu tragen sowie das Schwert an seiner Hüfte und den Hadori auf dem Haupt.

Diese felsige Gegend im nördlichen Saldaea war unter dem Namen Proskaebenen bekannt. Für einen Ritt war es ein grimmiger Ort; hier wuchs nicht eine Pflanze. Der Wind wehte aus Norden und trug einen fauligen Gestank herbei. Wie von einem tiefen brütenden Sumpf voller aufgedunsener Leichen. Der Himmel war stürmisch und finster.

Diese Frau, dachte Lan kopfschüttelnd. Wie schnell hatte Nynaeve doch gelernt, wie eine Aes Sedai zu reden und zu denken. In den Tod zu reiten bereitete ihm keine Qualen, aber das Wissen, dass sie Angst um ihn hatte… das schmerzte. Sogar sehr.

Schon seit Tagen hatte er keinen Menschen mehr gesehen. Die Saldaeaner hatten Festungen im Süden, aber das Land hier war von zerklüfteten Schluchten vernarbt, die Trolloc-Angriffe erschwerten; sie zogen es vor, in der Nähe von Maradon anzugreifen.

Dennoch bestand nicht der geringste Grund zur Nachlässigkeit. In dieser Nähe zur Fäule durfte man sich niemals entspannen. Ihm fiel ein Hügel ins Auge; ein guter Ort für einen Späherposten. Er hielt nach den geringsten Bewegungen Ausschau. Dann ritt er durch eine Bodensenke, nur für den Fall, dass dort jemand im Hinterhalt lauerte. Die Hand hielt er am Bogen. Ein Stück weiter im Osten würde er nach Saldaea hineinreiten und Kandor auf seinen guten Straßen durchqueren. Dann…

In der Nähe rollten ein paar Steinchen einen Hang hinunter.

Lan zog langsam einen Pfeil aus dem Köcher an Mandarbs Sattel. Wo war der Laut hergekommen? Von rechts, entschied er. Südlich. Der Hügel dort; jemand kam dahinter hervor.

Lan zügelte Mandarb nicht. Wenn sich der Hufschlag veränderte, war das nur eine Warnung. Er hob den Bogen und fühlte den Schweiß seiner Finger in den Hirschlederhandschuhen. Er hakte den Pfeil in die Sehne und spannte sie in aller Ruhe, zog ihn bis zur Wange und atmete seinen Duft ein. Gänsefedern, Harz.

Eine Gestalt kam um die südliche Hügelseite. Der Mann erstarrte, das alte Lastpferd mit der zotteligen Mähne an seiner Seite ging weiter. Es blieb erst stehen, als sich das Seil um seinen Hals spannte.

Der Mann trug ein braunes, mit Schnüren geschlossenes Hemd und staubige Hosen. An der Taille baumelte ein Schwert, und seine Arme waren dick und stark, aber er sah nicht bedrohlich aus. Tatsächlich erschien er sogar irgendwie vertraut.

»Lan Mandragoran!«, rief der Mann und eilte los, zerrte das Pferd hinter sich her. »Endlich habe ich Euch gefunden. Ich hatte angenommen, Ihr reist auf der Kremerstraße!«

Lan senkte den Bogen und brachte Mandarb zum Stehen. » Kenne ich Euch?«

»Ich habe Vorräte gebracht, mein Lord!« Der Mann hatte schwarze Haare und war gebräunt. Vermutlich ein Grenzländer. Übereifrig eilte er weiter und zerrte mit seinen dicken Fingern an dem Strick des überladenen Packpferdes. »Ich bin von der Annahme ausgegangen, dass Ihr nicht genügend Lebensmittel dabeihabt. Hier sind auch Zelte – vier Stück, nur für alle Fälle – und Wasser. Futter für die Pferde. Und …«

»Wer seid Ihr?«, bellte Lan. »Und woher wisst Ihr, wer ich bin?«

Der Mann richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Ich bin Bulen, mein Lord. Aus Kandor?«

Aus Kandor… Lan erinnerte sich an einen dürren jungen Botenjungen. Überrascht erkannte er die Ähnlichkeit. » Bulen? Aber das ist zwanzig Jahre her, Mann!«

»Ich weiß, Lord Mandragoran. Aber als sich im Palast die Neuigkeit verbreitete, dass der Goldene Kranich gehisst wird, wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich habe gelernt, gut mit dem Schwert umzugehen, mein Lord. Ich bin gekommen, um an Eurer Seite zu reiten und …«

»Die Nachricht von meiner Reise hat sich bis nach Aesdaishar verbreitet?«

»Ja, mein Lord. Ihr müsst wissen, El’Nynaeve, sie kam zu uns. Berichtete uns, was Ihr getan habt. Andere sammeln sich, aber ich brach als Erster auf. Ich wusste, dass Ihr Vorräte braucht.«