Die Kreatur, die einst Mordeth gewesen war – er würde bald einen neuen Namen brauchen -, lächelte breit.
Der Myrddraal wandte sich zur Flucht.
Der Nebel schlug zu.
Er schlug über den Trollocs zusammen, bewegte sich schnell wie die Tentakel eines der Leviathane aus dem Aryth-Meer. Sie peitschten durch die Brust der Trollocs. Schnell wie ein Schemen schoss ein langer Strang über ihre Köpfe und traf den Blassen im Nacken.
Die Trollocs brüllten auf, sackten zuckend zu Boden. Büschelweise fiel ihnen das Fell aus, ihre Haut fing an zu kochen. Blasen und Zysten. Wenn sie platzten, hinterließen sie kraterhafte Pocken auf der Haut des Schattengezüchts, die an die Blasen auf der Oberfläche von Eisen erinnerten, das zu schnell abgekühlt war.
Die Kreatur, die einst Padan Fain gewesen war, öffnete begeistert den Mund, schloss die Augen und hob das Gesicht zu dem brodelnden schwarzen Himmel, genoss das Festmahl. Nachdem es vorbei war, seufzte sie und packte den Dolch fester – schnitt sich ins Fleisch.
Unten rot, oben schwarz. Rot und Schwarz, Rot und Schwarz, so viel Rot und Schwarz. Wunderbar.
Fain ging weiter in die Fäule hinein.
Hinter ihm stiegen die verdorbenen Trollocs auf die Füße, setzten sich taumelnd in Bewegung, während der Sabber von ihren Lippen tropfte. Ein dumpfer Ausdruck war in ihre Augen getreten, aber sollte er es wünschen, würden sie mit einer zügellosen Kampfeslust reagieren, die alles übertraf, was sie im Leben gekannt hatten.
Den Myrddraal ließ er zurück. Der Blasse würde sich nicht wieder erheben, auch wenn die Gerüchte anderes besagten. Fains Berührung brachte jetzt jedem seiner Sorte den sofortigen Tod. Schade. Er hatte ein paar hübsche Nägel, für die er ansonsten eine gute Verwendung gehabt hätte.
Vielleicht sollte er sich ein paar Handschuhe besorgen. Aber wenn er das tat, konnte er sich nicht länger in die Hand schneiden. Welch ein Problem.
Egal. Weiter. Die Zeit war gekommen, al’Thor zu töten.
Dass die Jagd enden musste, machte ihn traurig. Aber die Jagd hatte jeden Sinn verloren. Man jagte nichts, wenn man genau wusste, wo es sein würde. Man begab sich einfach an den Ort, um es zu erwarten.
Wie einen alten Freund. Einen geliebten alten Freund, den man ins Auge stechen würde, dem man den Bauch aufschlitzen und dann seine Eingeweide fressen würde, während man sein Blut trank. Das war die einzig richtige Methode, Freunde zu behandeln.
Es war eine Ehre.
Malenarin Rai blätterte die Vorratsberichte durch. Der verfluchte Schlagladen am Fenster hinter ihm flog wieder auf und ließ die feuchte Hitze der Fäule hinein.
Obwohl er nun schon zehn Jahre als Kommandant von Turm Heeth diente, hatte er sich noch immer nicht an die Hitze des Hochlands gewöhnt. Feucht. Schwül. Die Luft oft vom Gestank nach Fäulnis erfüllt.
Der pfeifende Wind rüttelte an dem hölzernen Schlagladen. Er stand auf, ging zu ihm hin und zog ihn wieder zu, dann wickelte er ein Stück Schnur um den Griff, damit er geschlossen blieb.
Er ging zurück zum Schreibtisch und schaute auf den Dienstplan der neu eingetroffenen Soldaten. Neben jedem Namen stand eine besondere Befähigung – hier oben musste jeder Soldat mehrere Pflichten erfüllen können. Fertigkeiten in der Wundversorgung. Flinke Füße, um Botschaften zu überbringen. Ein scharfes Auge für den Bogen. Die Fähigkeit, denselben alten Brei wie frischen Brei schmecken zu lassen. Malenarin fragte stets nach Männern der letzten Gruppe. Ein Koch, der dafür sorgte, dass die Soldaten gern in den Speisesaal strömten, war sein Gewicht in Gold wert.
Malenarin schob den neuen Bericht zur Seite und beschwerte ihn mit einem bleigefüllten Trolloc-Horn, das er für diesen Zweck hatte. Das nächste Blatt auf dem Stapel war ein Brief von einem Mann namens Barriga, ein Kaufmann, der seine Karawane zum Turm führte, um dort Handel zu treiben. Malenarin lächelte; er war zuerst Soldat, aber die drei Silberketten auf seiner Brust zeichneten ihn als Meisterkaufmann aus. Obwohl sein Turm den größten Teil seiner Vorräte direkt von der Königin bekam, wurde keinem Kandori-Kommandanten verweigert, mit Kaufleuten zu feilschen.
Wenn er Glück hatte, würde er den ausländischen Kaufmann bei den Verhandlungen unter den Tisch trinken. Malenarin hatte mehr als nur einen Kaufmann zu einem Jahr Militärdienst gezwungen als Buße für Handelsabschlüsse, die er nicht hatte erfüllen können. Ein Jahr der Ausbildung bei den Streitkräften der Königin tat fetten ausländischen Kaufleuten oft richtig gut.
Er legte das Papier neben das Trolloc-Horn, dann zögerte er, als er das letzte Blatt sah, das unten auf dem Stapel nach seiner Aufmerksamkeit verlangte. Es war eine Erinnerung seines Verwalters. Keemlin, sein ältester Sohn, näherte sich seinem vierzehnten Namenstag. Als könnte Malenarin das vergessen! Dafür brauchte er keine Erinnerung.
Er lächelte und legte das Trolloc-Horn auf die Notiz für den Fall, dass der Schlagladen wieder aufflog. Er hatte den Trolloc, dem dieses Horn gehört hatte, selbst erschlagen. Er ging zur Wand des Arbeitszimmers und öffnete seine abgenutzte Eichentruhe. Unter anderem enthielt sie ein in ein Tuch eingewickeltes Schwert, dessen braune Scheide zwar gut geölt und gepflegt, aber im Laufe der Zeit verblichen war. Das Schwert seines Vaters.
In drei Tagen würde er es Keemlin überreichen. An seinem vierzehnten Namenstag wurde ein Junge zum Mann, an diesem Tag erhielt er sein erstes Schwert und übernahm die Verantwortung für sich selbst. Keemlin hatte hart daran gearbeitet, die Schwertfiguren zu lernen; Malenarin hatte die strengsten Ausbilder besorgt, die es gab. Bald würde sein Sohn zum Mann. Wie schnell doch die Jahre vergingen.
Malenarin holte beseelt Luft, dann schloss er die Truhe, stand auf und verließ den Raum für seine tägliche Runde. Der Turm beherbergte zweihundertfünfzig Soldaten, eine Verteidigungsbastion, die die Große Fäule beobachtete.
Eine Pflicht zu haben bedeutete, Stolz zu haben – so wie einem das Tragen einer Last Stärke verlieh. Die Fäule zu beobachten war seine Pflicht und seine Stärke, und in diesen Tagen war es besonders wichtig, wütete doch der seltsame Sturm im Norden, und die Königin war mit dem größten Teil der kandorischen Armee losgezogen, um den Wiedergeborenen Drachen zu suchen. Er zog die Tür hinter sich zu, dann legte er den verborgenen Riegel um, der sie von der anderen Seite verschloss. Es war nur eine von mehreren Türen im Korridor; ein den Turm stürmender Feind würde nicht wissen, welche davon zur Treppe nach oben führte. Auf diese Weise konnte ein kleines Arbeitszimmer als Teil der Turmverteidigung dienen.
Er ging zur Treppe. Diese oberen Etagen waren vom Boden aus nicht zugänglich – der ganze untere Teil des Turms war eine vierzig Fuß hohe Falle. Ein Feind, der das Erdgeschoss betrat und drei Stockwerke Mannschaftsquartiere hinaufstieg, würde entdecken, dass es keinen Weg in den vierten Stock gab. Der einzige Weg zur vierten Ebene war eine schmale, einziehbare Rampe an der Turmaußenseite, die von der zweiten Ebene zur vierten führte. Angreifer waren dort dem Beschuss von oben deckungslos ausgesetzt. Sobald es ein paar von ihnen nach oben geschafft hatten, konnten die Kandori die Rampe einziehen und damit die feindliche Streitkraft teilen; die es bis oben geschafft hatten, würden bei dem Versuch getötet, den Weg zu den Treppen im Inneren zu finden.
Malenarin schritt mit schnellem Schritt in die Höhe. Schlitze an der Treppenhausseite schauten auf die unten liegenden Stufen hinaus und erlaubten es Bogenschützen, auf Eindringlinge zu schießen. Auf halbem Weg nach oben hörte er hastige Schritte entgegenkommen. Eine Sekunde später kam Jargen, der Sergeant der Wache, um die Biegung. Wie die meisten Kandori trug Jargen einen Gabelbart; sein schwarzes Haar war mit grauen Strähnen durchzogen.