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Alles war überflutet, ein breiter, aber flacher Fluss mit geringer Strömung. Er hatte die Wurzeln vieler Bäume verschlungen, und die Äste umgestürzter Stämme durchbrachen das schmutzige braune Wasser und griffen nach dem Himmel.

»Da sind Leichen, mein Kommandierender Lordhauptmann«, sagte einer der Späher und zeigte flussaufwärts. »Treiben in unsere Richtung. Sieht nach den Überresten einer vor langer Zeit geschlagener Schlacht aus.«

»Befindet sich dieser Fluss auf unseren Karten?«, wollte Galad wissen.

Ein Kundschafter nach dem anderen schüttelte den Kopf. Galad biss die Zähne zusammen. »Kann man ihn durchwaten?«

»Er ist seicht, mein Kommandierender Lordhauptmann«, sagte Kind Barlett. »Aber wir müssen auf verborgene Abgründe achten.«

Galad griff nach einem Baum in der Nähe und brach einen langen Ast ab. Das Holz zerbarst lautstark. »Ich gehe vor. Die Männer sollen Rüstungen und Umhänge ablegen.«

Der Befehl wurde nach hinten weitergegeben, und Galad nahm die Rüstung ab und wickelte sie in seinen Umhang, dann schnallte er sich alles auf den Rücken. Er schob die Hose hoch, so weit das möglich war, dann stieg er von dem schmalen Ufer und stapfte durch das schlammige Wasser. Das kalte Frühlingswasser ließ ihn sich verkrampfen. Seine Stiefel sanken einige Zoll in den sandigen Grund ein; ihre Abdrücke füllten sich mit Wasser und ließen Schlammwolken aufsteigen. Stämmig verursachte ein lautes Plätschern, als er hinter seinem Herrn ins Wasser stieg.

Das Gehen erwies sich nicht als allzu schwierig; das Wasser reichte nur bis zu Galads Knien. Mit dem Stock suchte er den besten Halt. Die sterbenden, skeletthaften Bäume beunruhigten ihn. Sie schienen gar nicht zu verfaulen, und da sich Galad jetzt näher an ihnen befand, konnte er den aschengrauen Flaum zwischen den Flechten auf Stämmen und Ästen besser sehen.

Hinter ihm veranstalteten die Kinder viel Lärm, als immer mehr von ihnen in den breiten Strom stiegen. In der Nähe trieben knollenförmige Umrisse den Fluss herunter und blieben an Felsen hängen. Bei einem Teil davon handelte sich um menschliche Leichen, aber viele waren größer. Maultiere, erkannte Galad, als er eine Schnauze ausmachte. Dutzende. So aufgequollen, wie sie waren, mussten sie schon eine Weile verendet sein.

Vermutlich hatte man stromaufwärts ein Dorf angegriffen, um Lebensmittel zu erbeuten. Das war nicht die erste Gruppe Toter, die sie fanden.

Er erreichte das andere Flussufer, dann stieg er aus dem Wasser. Als er die Hosenbeine herunterkrempelte und Rüstung und Umhang wieder anlegte, schmerzte ihn die Schulter, wo Valdas Hiebe getroffen hatten. Seine Hüfte brannte ebenfalls.

Er drehte sich um und folgte dem Wildpfad weiter nach Norden, führte den Weg an, während die anderen Kinder das Ufer erreichten. Er sehnte sich danach, Stämmig wieder zu reiten, aber er wagte es nicht. Auch wenn sie den Fluss überquert hatten, war der Boden noch immer feucht und uneben, voller verborgener Löcher. Wenn er ritt, konnte das Stämmig leicht ein gebrochenes Bein und ihm einen gebrochenen Schädel einbringen.

Also marschierten er und seine Männer weiter zu Fuß, umgeben von den grauen Bäumen, und schwitzten in der elendigen Hitze. Er sehnte sich nach einem Bad.

Schließlich kam Trom angelaufen. »Alle Männer sind sicher drüben.« Er musterte den Himmel. »Man sollte diese Wolken verbrennen. Ich kann nie sehen, wie spät es ist.«

»Vier Stunden nach Mittag«, sagte Galad.

»Seid Ihr sicher?«

»Ja.«

»Wollten wir heute Mittag nicht anhalten, um den nächsten Schritt zu besprechen?« Dieses Treffen sollte stattfinden, sobald sie den Sumpf hinter sich gelassen hatten.

»Im Augenblick haben wir nur wenig Möglichkeiten«, sagte Galad. »Ich führe die Männer nordwärts nach Andor.«

»Die Kinder sind dort… feindlich aufgenommen worden.«

»Im Nordwesten besitze ich abgeschiedenes Land. Dort wird man mich nicht abweisen, ganz egal, wer auf dem Thron sitzt.«

Gebe das Licht, dass Elayne den Löwenthron kontrollierte. Gebe das Licht, dass sie den Fesseln der Aes Sedai entkommen war, auch wenn er das Schlimmste befürchtete. So viele würden sie als Schachfigur benutzen, nicht nur al’Thor. Sie war eigensinnig, darum würde man sie leicht manipulieren können.

»Wir brauchen Vorräte«, sagte Trom. »Die Beschaffung ist schwierig, und immer mehr Dörfer sind verlassen.« Galad nickte. Eine berechtigte Sorge.

»Aber das ist ein guter Plan«, sagte Trom, um dann die Stimme zu senken. »Ich muss zugeben, Damodred, ich hatte die Befürchtung, dass Ihr das Kommando ablehnt.«

»Das konnte ich nicht. Es wäre falsch gewesen, die Kinder jetzt zu verlassen, nachdem ich ihren Anführer tötete.«

Trom lächelte. »So einfach ist das für Euch, nicht wahr?«

»Das sollte für jeden so einfach sein.« Galad musste sich der Stellung als würdig erweisen, die man ihm gegeben hatte. Er hatte keine andere Wahl. »Die Letzte Schlacht naht, und die Kinder des Lichts werden kämpfen. Und selbst wenn wir eine Allianz mit dem Wiedergeborenen Drachen höchstpersönlich schließen müssen, wir werden kämpfen.«

Eine Weile war sich Galad über al’Thor nicht sicher gewesen. Bestimmt würde der Wiedergeborene Drache bei der Letzten Schlacht kämpfen. Aber war al’Thor dieser Mann, oder war er bloß eine Marionette der Weißen Burg und in Wirklichkeit gar nicht der Wiedergeborene Drache? Der Himmel war zu finster, das Land zu zerstört. Al’Thor musste der Wiedergeborene Drache sein. Natürlich bedeutete das nicht, dass er keine Marionette der Aes Sedai war.

Bald ließen sie die an Knochen erinnernden grauen Bäume hinter sich und kamen zu welchen, die normaler aussahen. Die hatten immer noch vergilbte Blätter und zu viel abgestorbene Äste. Aber es war besser als der Flaum.

Eine Stunde später kehrte Kind Barlett zurück. Der Späher war ein schlanker Mann mit einer Narbe auf der Wange. Galad hob die Hand, als er herankam. »Was gibt es Neues?«

Barlett salutierte, indem er den Arm an die Brust führte. »In etwa einer Meile trocknet der Sumpf aus, und die Bäume lichten sich, mein Kommandierender Lordhauptmann. Das sich anschließende Feld ist offen und leer, der Weg nach Norden frei.«

Dem Licht sei Dank!, dachte Galad. Er nickte Barlett zu, und der Mann eilte zwischen die Bäume.

Galad schaute zu den Reihen der Männer zurück. Sie waren verschwitzt, verdreckt und erschöpft. Trotzdem boten sie in ihren Rüstungen und mit der Entschlossenheit in ihren Gesichtern einen großartigen Anblick. Sie waren ihm durch diesen abscheulichen Sumpf gefolgt. Es waren gute Männer.

»Gebt diese Botschaft an die anderen Lordhauptmänner weiter, Trom«, sagte Galad. »Sie sollen ihre Legionen informieren. In weniger als einer Stunde sind wir hier raus.«

Der ältere Mann lächelte und sah so erleichtert aus, wie sich Galad fühlte. Galad setzte sich wieder in Bewegung und biss die Zähne zusammen, weil sein Bein schmerzte. Der Schnitt war ordentlich verbunden, und es bestand kaum Gefahr, dass er noch weiteren Schaden anrichtete. Er war schmerzhaft, aber mit Schmerzen konnte man umgehen.

Endlich diesen Sumpf hinter sich zu lassen! Den weiteren Weg würde er sehr sorgfältig planen müssen; sie mussten allen Städten, allen Hauptstraßen und den Besitzungen einflussreicher Adliger fernbleiben. In Gedanken ging er die Karten durch – Karten, die er vor seinem zehnten Namenstag seinem Gedächtnis anvertraut hatte.

Damit war er beschäftigt, als sich das gelbe Blätterdach lichtete und das bewölkte Sonnenlicht zwischen den Asten zu Boden fiel. Bald entdeckte er Barlett, der am Waldrand wartete. Der Wald endete abrupt, fast wie ein Strich auf einer Karte.