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Eines Tages kamen zwei Männer zu ihr ins Amphitheater, die sich auf den Tod zerstritten hatten und nicht mehr miteinander reden wollten, obwohl sie Nachbarn waren. Die anderen Leute hatten ihnen geraten, doch zu Momo zu gehen, denn es ginge nicht an, dass Nachbarn in Feindschaft lebten. Die beiden Männer hatten sich anfangs geweigert und schließlich widerwillig nachgegeben.

Nun saßen sie also im Amphitheater, stumm und feindselig, jeder auf einer anderen Seite der steinernen Sitzreihen, und schauten finster vor sich hin.

Der eine war der Maurer, von dem der Ofen und das schöne Blumenbild in Momos»Wohnzimmer«stammte. Er hieß Nicola und war ein starker Kerl mit einem schwarzen, aufgezwirbelten Schnurrbart. Der andere hieß Nino. Er war mager und sah immer ein wenig müde aus. Nino war Pächter eines kleinen Lokals am Stadtrand, in dem meistens nur ein paar alte Männer saßen, die den ganzen Abend an einem einzigen Glas Wein tranken und von ihren Erinnerungen redeten. Auch Nino und dessen dicke Frau gehörten zu Momos Freunden und hatten ihr schon oft etwas Gutes zu essen gebracht.

Da Momo nun merkte, dass die beiden böse aufeinander waren, wusste sie zunächst nicht, zu welchem sie zuerst hingehen sollte. Um keinen zu kränken, setzte sie sich schließlich in gleichem Abstand von beiden auf den Rand der steinernen Bühne und schaute die zwei abwechselnd an. Sie wartete einfach ab, was geschehen würde. Manche Dinge brauchen ihre Zeit - und Zeit war ja das Einzige, woran Momo reich war.

Nachdem die Männer lang so gesessen hatten, stand Nicola plötzlich auf und sagte:»Ich geh. Ich hab meinen guten Willen gezeigt, indem ich überhaupt gekommen bin. Aber du siehst, Momo, er ist verstockt. Wozu soll ich noch länger warten?«

Und er wandte sich tatsächlich zum Gehen.

»Ja, mach, dass du wegkommst!«, rief Nino ihm nach.»Du hättest erst gar nicht zu kommen brauchen. Ich versöhne mich doch nicht mit einem Verbrecher!«

Nicola fuhr herum. Sein Gesicht war puterrot vor Zorn.»Wer ist hier ein Verbrecher?«, fragte er drohend und kam wieder zurück.

»Sag das nochmal!«

»Sooft du nur willst!«, schrie Nino.»Du glaubst wohl, weil du stark und brutal bist, wagt niemand dir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen? Aber ich, ich sage sie dir und allen, die sie hören wollen! Ja, nur zu, komm doch her und bring mich um, wie du es schon mal tun wolltest!«

»Hätt ich's nur getan!«, brüllte Nicola und ballte die Fäuste.»Aber da siehst du, Momo, wie er lügt und verleumdet! Ich hab ihn nur beim Kragen genommen und in die Spülwasserpfütze hinter seiner Spelunke geschmissen. Da drin kann nicht mal eine Ratte ersaufen.«Und wieder zu Nino gewandt, schrie er:»Leider lebst du ja auch noch, wie man sieht!«

Eine Zeit lang gingen die wildesten Beschimpfungen hin und her und Momo konnte nicht schlau daraus werden, worum es überhaupt ging und weshalb die beiden so erbittert aufeinander waren. Aber nach und nach kam heraus, dass Nicola diese Schandtat nur begangen hatte, weil Nino ihm zuvor in Gegenwart einiger Gäste eine Ohrfeige gegeben hatte. Dem war allerdings wieder vorausgegangen, dass Nicola versucht hatte, Ninos ganzes Geschirr zu zertrümmern.

»Ist ja überhaupt nicht wahr!«, verteidigte sich Nicola erbittert.»Einen einzigen Krug hab ich an die Wand geschmissen, und der hatte sowieso schon einen Sprung!«

»Aber es war mein Krug, verstehst du?«, erwiderte Nino.»Und überhaupt hast du kein Recht zu so was!«

Nicola war durchaus der Ansicht in gutem Recht gehandelt zu haben, denn Nino hatte ihn in seiner Ehre als Maurer gekränkt.

»Weißt du, was er über mich gesagt hat?«, rief er Momo zu.»Er hat gesagt, ich könne keine gerade Mauer bauen, weil ich Tag und Nacht betrunken sei. Und sogar mein Urgroßvater wäre schon so gewesen und er hätte am Schiefen Turm von Pisa mitgebaut!«

»Aber Nicola«, antwortete Nino,»das war doch nur Spaß!«

»Ein schöner Spaß!«, grollte Nicola.»Über so was kann ich nicht lachen.«

Es stellte sich jedoch heraus, dass Nino damit nur einen anderen Spaß Nicolas zurückgezahlt hatte. Eines Morgens hatte nämlich in knallroten Buchstaben auf Ninos Tür gestanden:»Wer nichts wird, wird Wirt«. Und das fand wiederum Nino gar nicht komisch.

Nun stritten sie eine Weile todernst, welcher von den beiden Spaßen der Bessere gewesen sei, und redeten sich wieder in Zorn. Aber plötzlich brachen sie ab.

Momo schaute sie groß an und keiner der beiden konnte sich ihren Blick so recht deuten. Machte sie sich im Inneren lustig über sie? Oder war sie traurig? Ihr Gesicht verriet es nicht. Aber den Männern war plötzlich, als sähen sie sich selbst in einem Spiegel, und sie fingen an sich zu schämen.

»Gut«, sagte Nicola,»ich hätte das vielleicht nicht auf deine Tür schreiben sollen, Nino. Ich hätte es auch nicht getan, wenn du dich nicht geweigert hättest, mir nur ein einziges Glas Wein auszuschenken. Das war gegen das Gesetz, verstehst du? Denn ich habe immer bezahlt und du hattest keinen Grund mich so zu behandeln.«

»Und ob ich den hatte!«, gab Nino zurück.»Erinnerst du dich nicht mehr an die Sache mit dem heiligen Antonius? Ah, jetzt wirst du blass! Da hast du mich nämlich nach Strich und Faden übers Ohr gehauen und so was muss ich mir nicht bieten lassen.«

»Ich dich?«, rief Nicola und schlug sich wild vor den Kopf.»Umgekehrt wird ein Schuh draus! Du wolltest mich hereinlegen, nur ist es dir nicht gelungen!«

Die Sache war die: In Ninos kleinem Lokal hatte ein Bild an der Wand gehangen, das den heiligen Antonius darstellte. Es war ein Farbdruck, den Nino irgendwann einmal aus einer Illustrierten ausgeschnitten und gerahmt hatte.

Eines Tages wollte Nicola Nino dieses Bild abhandeln - angeblich, weil er es so schön fand. Und Nino hatte Nicola durch geschicktes Feilschen schließlich dazu gebracht, dass dieser seinen Radioapparat zum Tausch bot. Nino lachte sich ins Fäustchen, denn natürlich schnitt Nicola dabei ziemlich schlecht ab. Das Geschäft wurde gemacht.

Nun stellte sich aber heraus, dass zwischen dem Bild und der Rückwand aus Pappdeckel ein Geldschein steckte, von dem Nino nichts gewusst hatte. Jetzt war er plötzlich der Übervorteilte und das ärgerte ihn. Kurz und bündig verlangte er von Nicola das Geld zurück, weil es nicht zu dem Tausch gehört habe. Nicola weigerte sich und daraufhin wollte Nino ihm nichts mehr ausschenken. So hatte der Streit angefangen.

Als die beiden die Sache nun bis zum Anfang zurückverfolgt hatten, schwiegen sie eine Weile.

Dann fragte Nino:»Sag mir jetzt einmal ganz ehrlich, Nicola - hast du schon vor dem Tausch von dem Geld gewusst oder nicht?«

»Klar, sonst hätte ich doch den Tausch nicht gemacht.«

»Dann musst du doch zugeben, dass du mich betrogen hast!«

»Wieso? Hast du denn von dem Geld wirklich nichts gewusst?«