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Aber Gigi träumte davon einmal berühmt und reich zu werden. Er würde in einem märchenhaft schönen Haus wohnen, umgeben von einem Park; er würde von vergoldeten Tellern essen und auf seidenen Kissen schlafen. Und sich selbst sah er im Glanz seines zukünftigen Ruhms wie eine Sonne, deren Strahlen ihn schon jetzt in seiner Armseligkeit, sozusagen aus der Entfernung, wärmten.

»Und ich werde es schaffen!«, rief er, wenn die anderen über seine Träume lachten.»Ihr alle werdet noch an meine Worte denken!«

Womit er das allerdings schaffen wollte, hätte er selbst nicht sagen können. Denn von unermüdlichem Fleiß und harter Arbeit hielt er nicht sehr viel.

»Das ist kein Kunststück«, sagte er zu Momo,»damit soll reich werden, wer will. - Schau sie dir doch an, wie sie aussehen, die für ein bisschen Wohlstand ihr Leben und ihre Seele verkauft haben! Nein, da mach ich nicht mit, so nicht. Und wenn ich auch oft nicht mal das Geld habe, eine Tasse Kaffee zu bezahlen - aber Gigi bleibt Gigi!«-

Eigentlich sollte man denken, es sei ganz unmöglich gewesen, dass zwei so verschiedene Leute, mit so verschiedenen Ansichten über die Welt und das Leben, wie Gigi Fremdenführer und Beppo Straßenkehrer sich miteinander anfreundeten. Und doch war es so. Seltsamerweise war der Einzige, der Gigi niemals wegen seiner Leichtfertigkeit tadelte, gerade der alte Beppo. Und ebenso seltsamerweise war es gerade der zungenfertige Gigi, der als Einziger niemals über den wunderlichen alten Beppo spottete.

Das lag wohl auch an der Art, wie die kleine Momo ihnen beiden zuhörte. -

Keiner von den Dreien ahnte, dass schon bald ein Schatten über ihre Freundschaft fallen würde. Und nicht nur über ihre Freundschaft, sondern über die ganze Gegend - ein Schatten, der wuchs und wuchs und sich schon jetzt, dunkel und kalt, über die große Stadt ausbreitete. Es war wie eine lautlose und unmerkliche Eroberung, die tagtäglich weiter vordrang, und gegen die sich niemand wehrte, weil niemand sie so recht bemerkte. Und die Eroberer - wer waren sie?

Sogar der alte Beppo, der doch manches sah, was andere nicht sehen, bemerkte die grauen Herren nicht, die immer zahlreicher in der großen Stadt umherstreiften und unermüdlich beschäftigt schienen. Dabei waren sie keineswegs unsichtbar. Man sah sie -, und man sah sie doch nicht. Sie verstanden es auf unheimliche Weise sich unauffällig zu machen, so dass man einfach über sie hinwegsah oder ihren Anblick sofort wieder vergaß. So konnten sie im Geheimen arbeiten, gerade weil sie sich nicht versteckten. Und da sie niemand auffielen, fragte sich natürlich auch niemand, woher sie gekommen waren und noch immer kamen, denn es wurden täglich mehr.

Sie fuhren in eleganten grauen Autos auf den Straßen, sie gingen in alle Häuser, sie saßen in allen Restaurants. Oft schrieben sie etwas in ihre kleinen Notizbüchlein.

Es waren Herren, die ganz in spinnwebfarbenes Grau gekleidet waren. Selbst ihre Gesichter sahen aus wie graue Asche. Sie trugen runde steife Hüte auf den Köpfen und rauchten kleine, aschenfarbene Zigarren. Jeder von ihnen hatte stets eine bleigraue Aktentasche bei sich. Auch Gigi Fremdenführer hatte nicht bemerkt, dass schon einige Male mehrere dieser grauen Herren die Gegend um das Amphitheater durchstreift und dabei allerlei in ihre Notizbüchlein geschrieben hatten.

Nur Momo hatte sie beobachtet, als eines Abends ihre dunklen Silhouetten auf dem obersten Rand der Ruine aufgetaucht waren. Sie hatten einander Zeichen gemacht und später die Köpfe zusammengesteckt, als ob sie sich berieten. Zu hören war nichts gewesen, aber Momo hatte es plötzlich auf eine Art gefroren, die sie noch nie empfunden hatte. Es nützte auch nichts, dass sie sich fester in ihre große Jacke wickelte, denn es war keine gewöhnliche Kälte. Dann waren die grauen Herren wieder fortgegangen und seither nicht mehr erschienen.

An diesem Abend hatte Momo die leise und doch gewaltige Musik nicht hören können wie sonst. Aber am nächsten Tag war das Leben weitergegangen wie immer, und Momo machte sich keine Gedanken mehr über die seltsamen Besucher. Auch sie hatte sie vergessen.

FÜNFTES KAPITEL

Geschichten für viele und Geschichten für eine

Nach und nach war Momo für Gigi Fremdenführer ganz unentbehrlich geworden. Er hatte, sofern man das von einem so unsteten leichtherzigen jungen Kerl überhaupt sagen kann, eine tiefe Liebe zu dem struppigen kleinen Mädchen gefasst und hätte es am liebsten überallhin mitgeschleppt.

Geschichtenerzählen war, wie wir ja schon wissen, seine Leidenschaft. Und gerade in diesem Punkt war eine Veränderung mit ihm vorgegangen, die er selbst sehr deutlich fühlte. Früher waren seine Erzählungen manchmal etwas kümmerlich geraten, es war ihm einfach nichts Rechtes eingefallen, er hatte manches wiederholt oder auf irgendeinen Film, den er gesehen, oder eine Zeitungsgeschichte, die er gelesen hatte, zurückgegriffen. Seine Geschichten waren sozusagen zu Fuß gegangen, aber seit er Momo kannte, hatten sie plötzlich Flügel bekommen. Besonders dann, wenn Momo dabei war und ihm zuhörte, blühte seine Phantasie auf wie eine Frühlingswiese. Kinder und Erwachsene drängten sich um ihn. Er konnte jetzt Geschichten erzählen, die sich in vielen Fortsetzungen durch Tage und Wochen zogen, und er war unerschöpflich an Einfallen. Übrigens hörte er sich selbst ebenso gespannt zu, denn er hatte keine Ahnung, wohin ihn seine Phantasie führen würde.

Als wieder einmal Reisende kamen, die das Amphitheater besichtigen wollten (Momo saß ein wenig abseits auf den steinernen Stufen), da begann er folgendermaßen:»Hochverehrte Damen und Herren! Wie Ihnen ja allen bekannt sein dürfte, führte die Kaiserin Strapazia Augustina unzählige Kriege, um ihr Reich gegen die ständigen Angriffe der Zittern und Zagen zu verteidigen.

Als sie diese Völker wieder einmal unterworfen hatte, war sie so erzürnt über die unaufhörliche Belästigung, dass sie drohte, die Angreifer mit Mann und Maus auszurotten, es sei denn, deren König Xaxotraxolus überlasse ihr zur Strafe seinen Goldfisch. Zu jener Zeit nämlich, meine Damen und Herren, waren Goldfische hierzulande noch unbekannt. Die Kaiserin Strapazia hatte jedoch von einem Reisenden erfahren, jener König Xaxotraxolus besitze einen kleinen Fisch, der sich, sobald er ausgewachsen sei, in pures Gold verwandeln würde. Und diese Rarität wollte die Kaiserin nun also unbedingt haben.

Der König Xaxotraxolus lachte sich ins Fäustchen. Seinen Goldfisch, den er tatsächlich besaß, versteckte er unter seinem Bett. Der Kaiserin aber ließ er stattdessen einen jungen Walfisch in einer juwelengeschmückten Suppenterrine überbringen.

Die Kaiserin war zwar etwas überrascht von der Größe des Tiers, denn sie hatte sich den Goldfisch kleiner vorgestellt. Aber, so sagte sie sich, je größer, desto besser, denn umso mehr Gold würde der Fisch ja schließlich liefern. Allerdings schimmerte dieser Goldfisch kein bisschen golden und das beunruhigte sie. Aber der Abgesandte des Königs Xaxotraxolus erklärte ihr, erst wenn der Fisch ausgewachsen sei, würde er sich in Gold verwandeln, vorher nicht. Es sei deshalb unbedingt nötig, dass seine Entwicklung nicht gestört werde. Damit gab sich die Kaiserin Strapazia zufrieden.

Der junge Fisch wuchs nun von Tag zu Tag und verbrauchte Unmengen Futter. Aber die Kaiserin Strapazia war ja nicht arm und der Fisch bekam so viel, wie er nur verdrücken konnte und wurde dick und fett. Bald war die Suppenterrine für ihn zu klein.