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Die Hauptpersonen des Romans sind:

Hercule Poirot - der berühmte Privatdetektiv

Captain Hastings - sein englischer Freund

Cinderella' - Schauspielerin

Paul Renauld - südamerikanischer Millionär

Eloise Renauld - seine Frau

Jack Renauld - ihr Sohn

Bella Duveen - ein junges Mädchen

Madame Daubreuil - eine Witwe

Marthe Daubreuil - ihre Tochter

Lucien Bex - Polizeikommissar

Monsieur Hautet - Untersuchungsrichter

Maurice Giraud - Kriminalbeamter

Der Roman spielt in Merlinville-sur-mer, einem französischen Badeort, und in London.

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Ein junger Schriftsteller, der darauf bedacht war, den Anfang seiner Erzählung so wirksam und originell zu gestalten, daß er die Aufmerksamkeit der blasierten Verleger errege, begann folgendermaßen: »,Verdammt!' sagte die Herzogin.«

Sonderbarerweise beginnt auch meine Erzählung so. Nur ist die Dame, die dies ausrief, keine Herzogin.

Es war Anfang Juni. Ich hatte mich geschäftlich in Paris aufgehalten und kehrte nach London zurück, wo ich mit meinem alten Freunde, dem belgischen Ex-Detektiv Hercule Poirot, in gemeinsamer Wohnung hauste.

Der Calais-Expreß war auffallend leer - mein Abteil beherbergte außer mir nur noch einen Fahrgast. Ich hatte das Hotel in überstürzter Eile verlassen und war, als der Zug abging, noch mit meinem Gepäck beschäftigt, ohne meine Reisegefährtin weiter zu beachten. Nun wurde ich aber lebhaft an ihr Vorhandensein erinnert. Sie sprang plötzlich von ihrem Sitz auf, ließ das Fenster herab, streckte den Kopf hinaus, zog ihn sofort wieder zurück und rief kurz und überzeugend: »Verdammt!«

Nun bin ich etwas altmodisch. Mich dünkt, eine Frau sollte vor allem weiblich sein. Ich habe wenig Verständnis für das modern neurotische Mädchen, das vom Morgen bis zum Abend Foxtrott und Tango tanzt, das wie ein Schlot raucht und eine Sprache führt, die selbst einem Fischweib aus der Markthalle das Blut in die Wangen treiben könnte!

Stirnrunzelnd blickte ich auf und sah in ein hübsches, keckes Angesicht, das ein flotter, kleiner roter Hut überdachte. Dichte schwarze Lockenbüschel verbargen die Ohren. Ich schätzte, daß sie nicht mehr als siebzehn Jahre zählen mochte, aber ihr Gesicht war dicht mit Puder bedeckt, ihre Lippen hatte sie ganz unmöglich rot geschminkt.

Ohne jegliche Verlegenheit erwiderte sie meinen Blick und schnitt dann eine ausdruckslose Grimasse.

»Du lieber Himmel, jetzt haben wir den guten Mann entsetzt!« bemerkte sie zu einem unsichtbaren Zuhörer. »Ich bitte wegen meiner Ausdrucksweise um Vergebung! Gar nicht damenhaft und dergleichen, aber Gott, ich habe wohl genügend Grund dafür! Denken Sie, ich habe meine einzige Schwester verloren!«

»Wirklich?« sagte ich höflich. »Wie unangenehm!«

»Er ist unzufrieden!« bemerkte die Dame. »Er ist äußerst unzufrieden - sowohl mit mir als auch mit meiner Schwester -und das ist nicht nett, weil er sie doch nie gesehen hat!«

Ich öffnete den Mund, doch sie kam mir zuvor.

»Sagen Sie lieber nichts! Niemand liebt mich! Ich gehe in den Wald und nähre mich von dürren Kräutern! Buhuhuhu! Ich bin so traurig!«

Sie verbarg ihr Gesicht hinter einem großen französischen Witzblatt. Ein paar Minuten später sah ich, wie ihre Augen verstohlen über den Rand nach mir guckten. Ich konnte mich eines Lächelns nicht erwehren, und im selben Augenblick schleuderte sie die Zeitung fort und brach in fröhliches Gelächter aus.

»Ich wußte, daß Sie kein Griesgram sind, wie es den Anschein hat«, rief sie. Ihr Lachen wirkte so ansteckend, daß ich unwillkürlich einstimmen mußte, obwohl mich der »Griesgram« nicht sonderlich begeisterte. Das Mädchen stellte unleugbar den Typ dar, der mir am meisten mißfiel, aber das war doch nicht Grund genug, mich durch mein Verhalten lächerlich zu machen. Ich begann einzulenken. Schließlich war sie ausgesprochen hübsch ... «

»So! Nun sind wir Freunde!« erklärte sie. »Und jetzt müssen Sie meiner Schwester wegen um Entschuldigung bitten.-«

»Ich bin verzweifelt ... «

»Sie sind eine Seele von Mensch!«

»Lassen Sie mich ausreden. Ich war im Begriff hinzuzufügen, daß ich, obwohl verzweifelt, mich mit der Abwesenheit besagter Schwester ausgezeichnet abgefunden habe.« Ich verbeugte mich leicht.

Jedoch die rätselhafteste aller Jungfrauen runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.

»Lassen Sie das. Ich ziehe die ,würdevolle Mißbilligung' vor. Ob, ihr Gesicht! ,Sie ist nicht unseresgleichen', sagte es. Und Sie haben recht - obwohl dies heutzutage schwer zu sagen ist. Nicht jeder kann zwischen einer Halbweltdame und einer Herzogin unterscheiden. So, jetzt habe ich Sie schon wieder entsetzt! Sie sind wohl aus den Urwäldern ausgebrochen? Nicht daß ich mir was daraus mache. Wir könnten mehrere Ihrer Art brauchen. Ich hasse freche Männer - sie machen mich toll.«

Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf.

»Wie mögen Sie sein, wenn Sie toll sind?« fragte ich lächelnd.

»Wie ein richtiger Teufel! Man darf, was ich sage und was ich tue, nicht genau nehmen. Ich schlug einmal jemandem fast die Zähne aus; ja wirklich! Er hätte es auch verdient. Ich habe italienisches Blut in mir. Eines Tages werde ich mir noch Unannehmlichkeiten zuziehen.«

»Ach«, bat ich, »werden Sie nur jetzt nicht toll.«

»Das werde ich nicht. Sie gefallen mir - Sie gefielen mir sogleich, als ich Sie sah. Aber Sie blickten so mißbilligend, daß mir nie eingefallen wäre, wir könnten Freunde werden.«

»Und nun sind wir es geworden. Erzählen Sie mir etwas aus Ihrem Leben.«

»Ich bin Schauspielerin. Nein - nicht so eine, wie Sie glauben, die mit Schmuck behängt im Savoy den Lunch nimmt, und deren Bild in jeder Zeitung für irgendeine Gesichtscreme Propaganda macht. Als sechsjähriges Kind trieb ich mich schon auf den Brettern umher.«

»Verzeihen Sie ... «, sagte ich unsicher.

»Sahen Sie nie kleine Akrobaten?«

»Oh, nun verstehe ich!«

»Ich - bin in Amerika geboren, verbrachte aber den größten Teil meines Lebens in England. Wir spielen jetzt in einer neuen Revue ... «

»Wir?«

»Meine Schwester und ich. So eine Art Tanz- und Singspiel, mit viel Getrappel und einem Zusatz alter Geschäftskniffe. Es ist ein ganz neuer Einfall und schlägt jedesmal ein. Damit ist viel Geld zu machen ... .«

Meine neue Bekanntschaft beugte sich vor und plauderte geläufig; viele ihrer Ausdrücke waren mir völlig unverständlich. Trotzdem interessierte sie mich immer mehr. Sie schien eine so seltsame Mischung von Kind und Weib. Obwohl vollkommen weltklug und nach ihren Erzählungen sehr tüchtig in der Wahrung ihrer persönlichen Interessen, lag andererseits etwas eigenartig Originelles in ihrer aufrichtigen Stellungnahme zum Leben und der offenherzigen Entschlossenheit, »das Richtige zu tun«. Dieser Blick in eine mir völlig unbekannte Welt war nicht ohne Reiz, und ich genoß den Anblick ihres Gesichtchens, das während des Erzählens aufleuchtete.

Wir fuhren durch Amiens. Der Name rief Erinnerungen wach. Meine Gefährtin schien zu fühlen, was in meinem Hirn vorging.

»Denken Sie an den Krieg?«

Ich nickte.

»Sie waren im Feld, vermute ich ... «

»O ja. Einmal verwundet, nach der Schlacht an der Somme als invalid ausgemustert. Nun bin ich so eine Art Privatsekretär bei einem Parlamentarier.«

»Ach! Dazu muß man wohl sehr klug sein!«

»Durchaus nicht. Es ist fast nichts zu tun. Es hilft mir über wenige Tagesstunden hinweg, aber es ist eine langweilige Arbeit. Und gäbe es nicht etwas anderes, worauf ich zurückkommen könnte, wüßte ich wirklich nicht, was ich anfangen sollte.«

»Sagen Sie nur nicht, daß Sie Käfer sammeln!«

»Nein! Ich lebe mit einem sehr interessanten Manne zusammen. Er ist Belgier, ein Ex-Detektiv. Er ließ sich in London als Privatdetektiv nieder, und es geht ihm außerordentlich gut. Er ist wirklich ein ganz wunderbarer Mensch. Oft genug behielt er recht, wenn die staatliche Polizei versagte.«