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»Gewiß will ich das«, sagte der Jüngling etwas unsicher.

»Ich und mein Freund, müssen Sie wissen, sind anderwärts beschäftigt«, erklärte Poirot. »In einer Viertelstunde fährt ein Zug, und ich möchte Sie bitten, vorher nicht mehr in die Villa zurück zukehren, da es mir unerwünscht wäre, wenn Giraud eine Ahnung von diesem Auftrag hätte.«

»Sehr gut, ich gehe direkt zum Bahnhof.«

Er erhob sich.

Poirot hielt ihn noch zurück. »Einen Augenblick, Monsieur Renauld, da ist eine kleine Sache, die mir zu denken gibt. Warum erwähnten Sie heute früh Monsieur Hautet gegenüber nicht, daß Sie in der verhängnisvollen Nacht in Merlinville waren?«

Jack Renaulds Gesicht wurde blutrot. Es kostete ihn Mühe, sich zu beherrschen. »Sie irren. Ich war in Cherbourg, wie ich es dem Untersuchungsrichter heute morgen mitteilte.«

Wie eine Katze kniff Poirot die Augen zusammen, daß nur grünliche Spalten blieben.

»Dann muß mir aber ein seltsamer Irrtum widerfahren sein - der auch dem ganzen Bahnhofpersonal widerfuhr. Sie sagen nämlich alle, daß Sie mit dem Zug um 11 Uhr 40 hier angekommen seien. Einen Augenblick zögerte Jack Renauld, dann schien er entschlossen: »Und wenn es so gewesen wäre? Ich hoffe. Sie wollen mich nicht der Mitschuld an der Ermordung meines Vaters bezichtigen?« Hochmütig kam die Frage von seinen Lippen, er warf den Kopf zurück.

»Ich hätte gern eine Erklärung, was Sie hierher zog.«

»Das ist sehr einfach. Ich kam, um meine Braut, Mademoiselle Daubreuil, zu besuchen. Ich stand unmittelbar vor einer langen Reise, ganz ungewiß, wann ich zurückkehren würde. Es drängte mich, sie noch einmal zu sehen, ehe ich reiste, und sie meiner unwandelbaren Zuneigung zu versichern.«

»Und sahen Sie sie?« Poirot ließ ihn nicht aus den Augen.

Nach kurzer Pause antwortete Renauld: »Ja.«

»Und dann?«

»Entdeckte ich, daß ich den letzten Zug versäumt hatte. Ich ging zu Fuß bis St. Beauvais, wo ich einen Wagen mietete, der mich nach Cherbourg zurückbrachte.«

»St. Beauvais? Das sind fünfzehn Kilometer. Ein langer Spaziergang, Monsieur Renauld.«

»Ich - ich hatte das Bedürfnis zu laufen.«

Poirot neigte den Kopf, zum Zeichen, daß ihm diese Erklärung genüge. Jack Renauld ergriff Stock und Hut und entfernte sich. Im Nu war Poirot auf den Beinen.

»Schnell, Hastings. Gehen wir ihm nach.«

In entsprechender Entfernung von unserem Wild folgten wir ihm durch die Straßen von Merlinville. Aber als Poirot merkte, daß er direkt auf den Bahnhof zusteuerte, hemmte er den Schritt.

»Alles in Ordnung. Er ist auf den Leim gegangen. Er wird nach Abbalac fahren und dort nach der nicht existierenden Handtasche der noch weniger existierenden Fremdlinge forschen. Ja, mon ami, dies war ein hübscher kleiner Einfall von mir.«

»Du wolltest ihn aus dem Wege haben?« rief ich.

»Dem Scharfsinn ist verblüffend, Hastings. Jetzt wollen wir mit deiner Erlaubnis zur Villa Genevieve hinaufgehen.«

18

»Übrigens, Poirot«, sagte ich, als wir die staubige Straße entlangwanderten, »habe ich ein Hühnchen mit dir zu rupfen. Ich gebe zu, du meintest es gut, aber es schickte sich wirklich nicht, hinter meinem Rücken im Hotel du Phare herumzuschnüffeln.« Poirot warf mir einen schnellen Seitenblick zu.

»Woher weißt du denn, daß ich dort war?« erkundigte er sich.

Zu meinem größten Mißvergnügen fühlte ich, wie mir das Blut in die Wangen stieg. »Ich trat im Vorbeigehen ein«, erklärte ich mit so viel Würde, wie ich aufbringen konnte.

Ich fürchtete Poirots Spott, aber zu meiner Erleichterung und ein wenig auch zu meinem Staunen schüttelte er ungewöhnlich ernst den Kopf.

»Ich bitte dich um Verzeihung, falls ich deine Empfindlichkeit irgendwie verletzte. Du wirst bald besser begreifen. Aber glaube mir, ich bin bestrebt, all meine Kräfte auf den Fall zu konzentrieren.«

»Oh, es ist alles in Ordnung«, sagte ich, durch seine Entschuldigung versöhnt. »Ich weiß, du willst das Beste. Aber ich kann mich selbst beaufsichtigen.«

Poirot wollte noch etwas sagen, unterdrückte es aber dann. Bei der Villa angelangt, wählte er den Weg zu der Hütte, in welcher der zweite Leichnam gefunden worden war. Er trat jedoch nicht ein, sondern blieb bei jener Bank stehen, die, wie ich schon erwähnte, einige Schritte davon entfernt stand. Nachdem er sie ein Weilchen betrachtet hatte, schritt er aufmerksam von dort zur Hecke, welche die Grenze zwischen der Villa Genevieve und der Villa Marguerite bildete. Dann ging er wieder zurück und nickte mit dem Kopf. Als er nochmals zur Hecke zurückkam, bog er die Sträucher mit den Händen auseinander.

»Wenn wir Glück haben«, rief er mir über die Schulter zu, »Ist Mademoiselle Marthe im Garten. Ich möchte sie sprechen, würde aber ungern einen formellen Besuch in der Villa Marguerite machen. Ah, alles geht gut, da ist sie. Mademoiselle! Einen Augenblick, bitte.«

Ich hatte mich eben zu ihm gesellt, als Marthe Daubreuil, leicht betroffen, seinem Ruf folgte und zur Hecke trat.

»Nur auf ein Wörtchen, Mademoiselle, wenn Sie erlauben?«

»Gewiß, Monsieur Poirot.«

Trotz ihrer Zustimmung blickten ihre Augen ängstlich. »Mademoiselle, erinnern Sie sich noch, daß Sie mir nachliefen, nachdem ich mit dem Untersuchungsrichter in Ihrem Hause gewesen war? Sie fragten, ob jemand des Verbrechens verdächtigt werde.«

»Und Sie sagten, ja, zwei Chilenen.« Ihre Stimme klang ein wenig atemlos, und sie griff mit der linken Hand verstohlen nach dem Herzen.

»Würden Sie die Frage nochmals an mich richten, Mademoiselle?«

»Wie meinen Sie das?«

»Wenn Sie die Frage nochmals an mich richten würden, fiele die Antwort anders aus. Es wird jemand verdächtigt -aber kein Chilene.«

»Wer denn?« Schwach entrang die Frage sich ihren Lippen.

»Monsieur Jack Renauld.«

»Was?« Das war ein Schrei. »Jack? Unmöglich. Wer wagt es, ihn zu verdächtigen?«

»Giraud.«

»Giraud.« Des Mädchens Gesicht war aschfahl. »Ich fürchte diesen Mann. Er ist grausam. Er wird - er wird -« sie brach ab. Mut und Entschlossenheit sprachen aus ihren Zügen. In diesem Augenblick erkannte ich ihre Kampfnatur. Auch Poirot beobachtete sie gespannt.

»Sie wissen doch natürlich, daß er in der Mordnacht hier war?« fragte er.

»Ja«, gab sie mechanisch zurück. »Er sagte es mir.«

»Es war unklug, die Tatsache verschweigen zu wollen.«

»Ja ja«, entgegnete sie ungeduldig. »Aber wir können unsere Zeit nicht mit Bedauern vergeuden. Wir müssen etwas ausfindig machen, um ihn zu retten. Natürlich ist er unschuldig, aber das genügt einem Manne wie Giraud nicht, der auf seinen Ruhm bedacht ist. Er muß jemanden verhaften, und dieser Jemand wird Jack sein.«

»Die Tatsachen werden gegen ihn sprechen«, sagte Poirot. »Sind Sie sich darüber klar?« .

Sie sah ihm gerade ins Gesicht und sprach die gleichen Worte, die ich schon einmal, im Wohnzimmer ihrer Mutter, von ihr gehört hatte.

»Ich bin kein Kind, Monsieur. Ich kann tapfer sein und den Tatsachen ins Gesicht sehen. Er ist unschuldig, und wir müssen ihn retten.«

Sie sprach voll verzweifelter Energie, und dann schwieg sie und runzelte nachdenklich die Stirn.

»Mademoiselle«, sagte Poirot und betrachtete sie scharf, »gibt es nicht irgend etwas, was Sie uns verheimlichen?«

Sie nickte verwirrt: »Ja, es gibt etwas, aber ich weiß nicht, ob Sie mir Glauben schenken werden - es scheint so sonderbar.«

»Erzählen Sie es uns auf jeden Fall, Mademoiselle.«

»Es handelt sich darum: Monsieur Giraud ließ mich holen, um zu sehen, ob nicht vielleicht ich den Mann dort drinnen identifizieren könne.« Sie wies mit dem Kopf nach dem Schuppen. »Ich konnte es nicht. Wenigstens im Augenblick konnte ich es nicht. Aber seither dachte ich nach -