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Es war eine recht hübsche kleine Abwechslung. Sie tanzten niedlich und vollführten einige geschickte, kleine Akrobatenkunststücke. Die Texte ihrer Lieder waren frisch und gefällig. Als der Vorhang fiel, klang lauter Beifall. Die Duleibella Sisters waren offenbar ein Erfolg.

Plötzlich war mir, als könne ich nicht länger bleiben. Ich mußte an die Luft hinaus. Ich schlug Poirot vor, den Saal zu verlassen.

»Aber selbstverständlich, mon ami. Ich unterhalte mich und möchte bis zum Schluß bleiben. Ich folge dir später.«

Vom Theater bis zum Hotel waren nur wenige Schritte. Ich ging in die Halle, bestellte Soda mit Whisky und starrte nachdenklich in den leeren Kamin, während ich das Getränk schlürfte. Ich hörte, daß die Tür geöffnet wurde, und wandte den Kopf, in der Meinung, es sei Poirot. Dann sprang ich auf. Auf der Schwelle stand Cinderella. Sie sprach zögernd, und ihr Atem ging schwer.

»Ich sah Sie ganz vorn sitzen. Sie und Ihren Freund. Als Sie aufstanden, um fortzugehen, wartete ich draußen und folgte Ihnen. Weshalb kamen Sie nach Coventry? Was suchten Sie heute abend hier? War jener Mann neben Ihnen der Detektiv?«

Sie stand dort, und der Mantel, den sie über ihr Bühnenkostüm geworfen hatte, glitt von ihren Schultern. Ich sah die Blässe ihrer Wangen unter der Schminke und hörte die Angst aus ihrer Stimme. Und in diesem Augenblick verstand ich alles - verstand, weshalb Poirot sie suchte, verstand, was sie befürchtete, und verstand endlich auch mein eigenes Herz

»Ja«, sagte ich freundlich.

»Sucht er - nach mir?« fragte sie flüsternd.

Dann, als ich nicht sofort antwortete, glitt sie an dem großen Fauteuil nieder und brach in heftiges, bitterliches Schluchzen aus.

Ich kniete neben ihr, nahm sie in die Arme und strich ihr das Haar aus dem Gesicht.

»Weinen Sie nicht, Kind, weinen Sie nicht, um Gottes willen. Hier sind Sie sicher. Ich will Sie schützen. Weinen Sie nicht, Liebling. Weinen Sie nicht. Ich weiß - ich weiß alles.«

»O nein, sicher nicht!«

»Ich glaube doch.«

Und einen Augenblick später, als ihr Schluchzen nachließ, fragte ich: »Sie nahmen doch den Dolch, nicht wahr? Und deshalb verlangten Sie von mir, herumgeführt zu werden? Und deshalb gaben Sie vor, in Ohnmacht zu fallen?«

Wieder nickte sie. Welch sonderbarer Einfall, damals zu mir zu kommen. Wie tapfer hatte sie an jenem Tage ihre Rolle durchgeführt, wo sie doch innerlich bebend Folterqualen litt. Armes kleines Herz, das nun die Last einer im Impuls begangenen Tat zu tragen hatte.

»Weshalb nahmen Sie den Dolch?« fragte ich jetzt.

Sie antwortete einfach, wie ein Kind: »Ich fürchtete, es könnten Fingerabdrücke darauf gefunden werden.«

»Erinnerten Sie sich denn nicht mehr, daß Sie Handschuhe trugen?«

Sie schüttelte verblüfft den Kopf und sagte langsam: »Werden Sie mich der Polizei angeben?«

»Gütiger Gott, nein!«

Ihre Augen suchten die meinen und blickten mich lange und ernsthaft an, dann fragte sie mit leiser schüchterner Stimme, als hätte sie Angst vor sich selbst: »Warum nicht?«

Es war wohl nicht der Ort und nicht die Zeit für eine Liebeserklärung - und Gott weiß, mein Leben lang hätte ich mir nicht vorgestellt, daß die Liebe in dieser Art über mich kommen werde.

Aber nun antwortete ich schlicht: »Weil ich Sie liebe, Cinderella.«

Sie neigte wie verschämt den Kopf und flüsterte beinahe tonlos: »Das können Sie nicht - nein, das können Sie nicht -wenn Sie wissen -« Und dann, als ob sie sich gefaßt hätte, trat sie mir trotzig entgegen und fragte: »-Was wissen Sie denn überhaupt?«

»Ich weiß, daß Sie Monsieur Renauld aufgesucht haben. Er bot Ihnen einen Scheck, den Sie entrüstet in Stücke rissen. Dann verließen Sie das Haus -« Ich hielt inne.

»Weiter - was dann?«

»Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt war, daß Jack Renauld in jener Nacht kommen würde, oder ob Sie auf gut Glück auf die Gelegenheit warteten, ihn zu sehen - aber jedenfalls warteten Sie. Vielleicht fühlten Sie sich gerade recht unglücklich und gingen planlos hin und her - jedenfalls waren Sie vor zwölf Uhr noch in nächster Nähe und erblickten einen Mann auf dem Golfplatz -«

Wieder hielt ich inne. Ich hatte die Wahrheit blitzartig erfaßt, als sie ins Zimmer getreten war. Hier nun nahm das Bild immer deutlichere Formen an. Ich sah das eigenartige Muster des Mantels vor mir, mit dem der Leichnam Monsieur Renaulds bekleidet war, und mir fiel die verblüffende Ähnlichkeit ein, die, als der Sohn in unsere Versammlung im Salon einbrach, mich erschreckte, weil ich einen Augenblick lang dachte, der Ermordete sei von den Toten auferstanden.

»Weiter«, drängte das junge Mädchen.

»Ich stelle mir vor, sein Rücken war Ihnen zugewandt und Sie erkannten ihn - oder glaubten ihn zu erkennen. Sein Gang war Ihnen vertraut, ebenso das Muster seines Mantels.« Ich hielt inne. »Sie erzählten mir auf unserer gemeinsamen Fahrt von Paris, daß Sie italienisches Blut in den Adern hätten, wodurch Ihnen schon einmal beinahe große Unannehmlichkeiten erwachsen wären. Sie drohten Jack Renauld in einem Ihrer Briefe. Als Sie ihn dort erblickten, steigerte sich Ihre Wut und Eifersucht zum Wahnsinn - und Sie stießen zu. Ich glaube keinen Augenblick, daß es Ihre Absicht war, ihn zu töten. Aber Sie töteten ihn, Cinderella.«

Sie bedeckte ihr Antlitz mit den Händen und sagte mit erstickter Stimme: »Sie haben recht ... Sie haben recht ... Ich sehe es vor mir, wie Sie es erzählen.« Und beinahe wild fuhr sie fort. »Und Sie lieben mich? Trotz allem lieben Sie mich?«

»Ich weiß nicht«, sagte ich ein wenig unsicher. »Ich denke, die Liebe ist nun einmal so - ein Ding, wogegen es keine Hilfe gibt. Ich versuchte, dagegen anzukämpfen vom Tage unserer ersten Begegnung an. Aber die Liebe war stärker als ich.«

Und dann plötzlich, als ich es am wenigsten erwartete, brach sie wieder zusammen, warf sich zu Boden und schluchzte wild. »Oh, ich kann nicht«, schrie sie. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Oh, wenn nur irgend jemand Mitleid mit mir hätte und mir sagte, was ich tun soll!«

»Ängstigen Sie sich nicht, Bella. Um Gottes willen, ängstigen Sie sich nicht! Ich liebe Sie, es ist wahr, - aber ich erwarte keine Gegenliebe. Ich möchte Ihnen nur helfen. Lieben Sie ihn nur weiter, wenn Sie nicht anders können, aber erlauben Sie mir, Ihnen zu helfen, da er es nicht kann.«

Erst schien sie wie zu Stein erstarrt. Dann hob sie den Kopf und blickte mich an.

»Das glauben Sie?« flüsterte sie. »Sie glauben, daß ich Jack Renauld liebe?«

Dann schlang sie leidenschaftlich ihre Arme um meinen Hals und schmiegte halb lachend, halb weinend ihr süßes, tränenfeuchtes Antlitz an meine Wange.

»Nicht so, wie ich Sie liebe«, flüsterte sie. »Nie habe ich ihn so geliebt!«

Ihre Lippen berührten meine Wangen, dann - suchte sie meinen Mund und küßte mich wieder voll Zärtlichkeit und beinahe unwirklicher Glut. Ihre Leidenschaft und meine Verwunderung darüber vergesse ich nie - nie, so lange ich lebe!

Von der Tür kam ein Geräusch, das uns aufblicken ließ. Dort stand Poirot und sah uns zu.

Ich zögerte nicht. Mit einem Sprung war ich an seiner Seite und umklammerte seine Hände.

»Rasch«, sagte ich zu dem Mädchen. »Verschwinden Sie, so schnell Sie können. Ich halte ihn fest.«

Sie warf mir einen Blick zu und flog aus dem Zimmer, an uns vorbei. Ich hielt Poirot mit eisernem Griff.

»Mon ami«, bemerkte er sanft, »solche Dinge machst du ausgezeichnet. Der starke Mann hält mich mit Gewalt, und ich bin hilflos wie ein Kind. Aber all dies ist unbequem und etwas lächerlich. Kommen wir zur Ruhe.«