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Also, alles war aufs beste geregelt. Der dankbare Großherzog übergab dem Doktor für Fräulein von Sansfond eine wundervolle brillantbesetzte Tabaksdose mit Monogramm, dazu ein Dankschreiben, und er ließ ihr ausrichten, sie möge das Herzogtum ein für allemal verlassen. Was das taktvolle Fräulein auch ungesäumt tat.« Coche konnte ein Prusten nicht unterdrücken. »Am nächsten Morgen wollte der Großherzog endlich seinen Erben in Augenschein nehmen. Angewidert hob er den Jungen aus der Wiege, drehte ihn hin und her - und sah plötzlich auf dem rosigen Popo ein herzförmiges Muttermal. Genau solch ein Muttermal hatten an der gleichen Stelle Seine Hoheit, der verblichene Vater Seiner Hoheit, der Großvater und so fort bis ins siebte Glied. Der Großherzog, gänzlich irritiert, schickte nach dem Leibarzt, doch nun stellte sich heraus, daß Doktor Vogel letzte Nacht in unbekannter Richtung abgereist war, unter Zurücklassung seiner Frau und seiner acht Kinder.« Coche brach in ein heiseres Lachen aus, hustete, fuchtelte mit den Händen. Einer kicherte verlegen, Madame Kleber hielt sich keusch die Hand vor den Mund.

»Eine sogleich anberaumte Untersuchung ergab, daß sich der Leibarzt in letzter Zeit sonderbar benommen hatte und sogar im Spielcasino des benachbarten Baden-Baden gesehen worden war, noch dazu in Begleitung einer fröhlichen jungen Dame, die der Beschreibung nach Ähnlichkeit mit Fräulein von Sansfond hatte.« Der Kommissar wurde ernst. »Der Arzt wurde zwei Tage später in einem Straßburger Hotel aufgefunden. Tot. Er hatte eine tödliche Dosis Laudanum genommen und einen Brief hinterlassen: >An allem bin ich allein schuld.< Eindeutig Selbstmord. Wer in Wirklichkeit schuld war, lag auf der Hand, aber das beweise mal. Die Tabaksdose war ein allerhöchstes Geschenk, und dann war da noch der Brief. Ein Gerichtsprozeß wäre die Hoheiten teuer zu stehen gekommen. Am rätselhaftesten war, auf welche Weise der neugeborene Prinz gegen das Negerbaby vertauscht und wo im Reich der blauäugigen Blondköpfe überhaupt der schokoladenbraune Säugling hergekommen war. Allerdings hatte nach etlichen Informationen Marie Sansfond einige Zeit vor der beschriebenen Geschichte ein Stubenmädchen aus Senegal in ihren Diensten gehabt.«

»Sagen Sie, K-kommissar«, fragte Fandorin, als das Gelächter verstummt war (vier hatten gelacht: Leutnant Re- gnier, Doktor Truffo, Professor Sweetchild und Madame Kleber), »ist Marie Sansfond denn so schön, daß sie jedem Mann den Kopf verdrehen kann?«

»In allen Berichten steht, daß sie ganz alltäglich aussieht und keine besonderen Kennzeichen hat.« Coche warf einen frechen Blick auf Clarissa. »Die Haarfarbe, das Benehmen, den Akzent, den Kleidungsstil wechselt sie mühelos. Aber es scheint doch etwas an ihr dran zu sein. Ich habe in meinem Dienst alles Erdenkliche gesehen. Die verhängnisvollsten Herzensbrecherinnen sind selten schön. Wenn man ihr Photo betrachtet, gleitet der Blick ab, doch bei persönlicher Begegnung verspürt man ein Kribbeln auf der Haut. Ein Mann fliegt schließlich nicht auf eine gerade Nase und auf lange Wimpern, sondern auf einen besonderen Geruch.«

»Pfui, Kommissar«, wies Clarissa Coche zurecht. »Sie sind in Gesellschaft von Damen.«

»Ich bin in Gesellschaft von Verdächtigen«, parierte er gelassen. »Und Sie sind eine von ihnen. Woher soll ich wissen, ob Mademoiselle Sansfond nicht hier mit am Tisch sitzt?«

Seine Augen saugten sich an Clarissas Gesicht fest. Das erinnerte mehr und mehr an einen bösen Traum. Das Atmen fiel ihr schwer.

»Wenn ich richtig gerechnet h-habe, ist diese Dame jetzt 29 Jahre alt?«

Fandorins ruhige, sogar etwas indolente Stimme half Cla- rissa, sich wieder in die Gewalt zu bekommen. Für weibliche Eitelkeit war hier nicht der Platz, und sie rief: »Was starren Sie mich so an, Herr Schnüffler? Sie machen mir da ein unverdientes Kompliment. Ich bin älter als Ihre Abenteurerin, fast zehn Jahre! Auch die übrigen Damen taugen kaum für die Rolle der Mademoiselle Sansfond. Madame Kleber ist zu jung, und Madame Truffo spricht, wie Sie wissen, nicht französisch!«

»Für die gewiefte Marie Sansfond ist es eine Kleinigkeit, zehn Jahre mehr oder weniger zu spielen«, antwortete der Kommissar gemächlich, wobei er Clarissa nach wie vor durchdringend ansah. »Besonders wenn so viel Geld auf dem Spiel steht und im Falle des Scheiterns die Guillotine droht. Waren Sie wirklich nicht in Paris, Mademoiselle Stomp? Irgendwo in der Nähe der Rue de Grenelle?«

Clarissa wurde totenbleich.

»Na, hier muß ich mich als Vertreter der Schiffahrtsgesellschaft Jasper & Arthaud Partnership< einmischen«, unterbrach Regnier gereizt den Polizisten. »Meine Damen und Herren, ich versichere Ihnen, Gauner mit internationaler Reputation hatten keinen Zugang zu unserm Schiff. Unsere Gesellschaft garantiert, daß sich auf der >Leviathan< keine Falschspieler, keine Kokotten und erst recht keine polizeibekannten Abenteurerinnen befinden. Verstehen Sie, wir sind auf Jungfernfahrt und tragen eine besondere Verantwortung. Skandale können wir uns nicht leisten. Kapitän Cliff und ich haben immer wieder die Passagierlisten durchgesehen und in Zweifelsfällen Erkundigungen eingezogen. Auch bei der französischen Polizei, Herr Kommissar. Ich und der Kapitän sind bereit, für jeden der Anwesenden zu bürgen. Wir werden Sie nicht hindern, Ihrer Berufspflicht nachzukommen, Monsieur Coche, aber Sie verschwenden Ihre Zeit. Und das Geld der französischen Steuerzahler.«

»Na-na«, knurrte Coche. »Wir werden ja sehen.«

Worauf Mrs. Truffo zur allgemeinen Erleichterung das Gespräch auf das Wetter brachte.

REGINALD MILFORD-STOKES

10. April 1878 22 Uhr 31

Im Arabischen Meer

17 Grad 06 Minuten 28 Sekunden nördl. Breite 59 Grad 48 Minuten 14 Sekunden östl. Länge

Meine teure und heißgeliebte Emily!

Diese Höllenarche ist in der Gewalt böser Mächte. Ich spüre das mit meiner ganzen leidenden Seele. Wobei noch nicht einmal sicher ist, ob ein Verbrecher wie ich überhaupt eine Seele hat. Ich habe geschrieben und nachgedacht. Ich erinnere mich, daß ich ein Verbrechen verübt habe, ein furchtbares Verbrechen, für das es keine Vergebung gibt noch geben kann, aber seltsamerweise ist mir total entfallen, worin es eigentlich bestand. Und ich möchte es auch gar nicht mehr wissen.