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Fair hörte sich die Geschichte an, schüttelte den Kopf. »Klingt nach einem fiesen Streich.«

»Bruce gewinnt keine Freunde und beeinflußt keine Leute«, be­merkte Harry wahrheitsgemäß.

»Arrogant. Viele Ärzte sind so, das denke ich zumindest. Aber vie­le Tierärzte sind genauso. Ich weiß nicht, was am medizinischen Wissen dran ist, das einen Mann sich wie Gott vorkommen läßt, aber Bruce fühlt sich wirklich wie einer.« »Du hast auch ein dickes Ego, aber du hältst es in Schach. Viel­leicht bist du deswegen so ein guter Pferdedoktor. Nein, nicht nur ein guter, sondern der beste, ehrlich.« Sie lächelte ihn an.

»Hey, sprich weiter.« Er strahlte.

»Wenn ich es recht bedenke, ich kenne niemanden, der Bruce wirk­lich mag. Zu schade, daß sie sein Gesicht nicht sehen konnten, als er den braunen Umschlag aufmachte. Wer immer ihn geschickt hat, wäre von dem Erfolg begeistert gewesen. Klar, wenn sie ihn auf der Jagd sehen könnten, hätten sie auch was zu kichern.«

Bruce liebte die Aufregungen der Jagd, die Gefahr, aber in Wahr­heit war er ein ziemlich schlechter Reiter, genauso wie Sam Maha­nes. Dies war ein weiteres Feld, wo sie sich gegenseitig in die Quere kommen konnten.

»Fragst du dich nicht, was Hank Brevard getan hat, was zu seiner Ermordung führte? Ich meine, auch er hat sich schließlich nicht ge­rade bei jedermann beliebt gemacht.« Fair schnitt ein größeres Stück Maisbrot ab. »Aber deswegen muß man ihn doch nicht umbringen. Ich könnte mir schon vorstellen, daß jemand Bruce abmurkst. Mit ihm zusammen sein, das ist, als würde einem jemand Salz in die Wunde reiben. Mord ist - unabänderlich.«

»Für das Opfer.« Harry machte sich lustig.

»Du weißt, was ich sagen will. Es stellt alles, was man weiß, in Frage. Was treibt einen dazu, einen anderen Menschen zu töten?«

»Ja, darüber haben wir beim Volleyball gesprochen.« Sie preßte die Lippen zusammen und hob die Augenbrauen, machte ein fragendes Gesicht. »Wer weiß?«

»Denkst du, Hank Brevard war klug?«, fragte Fair Harry. Er ver­traute ihrer Menschenkenntnis.

»Hm, hm, er verstand es jedenfalls, Vorteile für sich rauszuschla­gen. Ich würde ihn vielleicht nicht unbedingt klug nennen. Sicher war er gescheit in technischen Dingen, sonst wäre er nicht techni­scher Leiter des Krankenhauses geworden. Und ich nehme an, er war sehr tüchtig, gut in der Planung von Gerätekontrollen und Wartung und dergleichen.«

»Ja«, stimmte Fair zu.

»Kein Sinn für Kultur, Kunst, Geselligkeit.«

»Uninteressant. Ich glaube, die Einzigen, die sein Tod wirklich mitnimmt, sind seine Frau und seine Familie.« Fair stand auf und ging zum Fenster. »Verdammt, so ein Mistwetter. Heute Nachmittag ist das Quecksilber auf zehn Grad gestiegen und jetzt kriegen wir Schnee.«

»Was sagt mein Thermometer?« Sie hatte ein Außenthermometer am Küchenfenster, dessen Digitalanzeige auf der Innenseite des Fen­sters abgelesen werden konnte.

»Minus 1,6.«

»Hoffentlich schneit es weiter. Ich hab das Eis satt.«

»Ich auch. Die Farmstraßen sind nicht immer geräumt, und die Pferde kriegen im Winter öfter Koliken. Klar, wenn die Leute ihnen weniger zu fressen und ihnen ausreichend warmes Wasser zu trinken geben würden, dann hätte ich weniger Krankheitsfälle und sie keine hohen Tierarztrechnungen. Manchmal verstehe ich die Leute einfach nicht.«

»Fair, es dauert Jahre, um ein Pferdekenner zu werden. Für die meisten Leute ist ein Pferd wie ein lebendiger Toyota. Gott helfe dem armen Pferd.«

Er sah sie an, seine Augen blitzten. »Manche Pferde verstehen sich zu rächen.«

»Manche Menschen auch.«

13

Am folgenden Tag bestätigte sich Fairs Theorie. Der leichte Schnee hielt an diesem Morgen niemanden von der Fuchsjagd ab. Die Fuchsjagd - eigentlich wäre Fuchsverfolgung die korrektere Be­zeichnung, da der Fuchs nicht getötet wurde - war für Virginia, was Basketball für den Staat Indiana war. Miranda übernahm gern das Postamt, da die Postberge nach dem Valentinstag kleiner geworden waren. Sie fand, daß Harry eine Abwechslung brauchte; sie arbeitete ja immer nur im Postamt und anschließend auf der Farm. Da die Fuchsjagd die große Liebe ihrer jungen Freundin war, freute es sie, daß Harry mal rauskam. Sie wußte auch, daß Fair an Wochentagen oft auf die Jagd ging, und sie hegte noch immer die Hoffnung, daß die beiden wieder zusammenkommen würden.

Es war noch kalt, als Harry aufsaß, doch dann wurde die Sonne wärmer, und gegen elf Uhr erreichte die Temperatur acht Grad. Die Gruppe der Reiter betrachtete die Berggipfel; alle Bäume hatten Sil­houetten aus Eis. Als die Sonne die Gipfel erreichte, funkelten auf den Bergkämmen Millionen von Regenbögen.

In genau diesem Moment entschloß sich ein mittelgroßer Rotfuchs, jedem eine gute Jagd zu wünschen.

Harry ritt Tomahawk. Fair ritt einen Hannoveraner von 17,3 Stockmaß, die richtige Größe für Fair mit seinen Einsneunzig und mit Stiefeln noch etwas mehr. Big Mim besaß so viele fabelhafte Pferde, daß Harry sich fragte, wie sie wohl ihres für den heutigen Tag ausgesucht hatte. Little Mim, stets tadellos in Schale wie ihre Mutter, saß auf einem prächtigen Braunen. Sam Mahanes, der sich den Vormittag frei genommen hatte, hielt die Zügel seines Wallachs Ranulf zu kurz und verkrampft und klammerte sich mit den Schen­keln fest. Der Wallach, ein sensibler Bursche, ließ es sich schon den ganzen Morgen gefallen, weil sie nur trabten. Sobald der Fuchs je­doch ins freie Gelände brach und das Feld losstürmte, riß Sam die Zügel noch dichter an sich.

Beim ersten Hindernis, einem Bretterzaun, war alles bestens, doch drei Galoppsprünge dahinter war eine Hecke, und der Wallach hatte die Nase voll. Kurz vor dem Absprung stemmte er alle Viere in den Boden - Vollbremsung. Sam nahm die Hürde. Sein Pferd nicht. Har­ry, die hinter Sam ritt, war Zeugin dieses traurigen Schauspiels.

Sam lag auf der anderen Seite der Hürde auf dem Rücken.

Harry verpaßte die Jagd ungern, aber sie wollte helfen, drum pa­rierte sie Tomahawk durch, begab sich zu Sam, der einer Schildkröte ähnelte.

Sie saß ab und beugte sich über ihn. »Sie atmen noch.«

»Knapp. Krieg kaum Luft«, keuchte Sam mit einem scharfen Ras­seln in der Kehle. »Wo ist Ranulf?«

»Er steht da drüben bei dem Walnußbaum.«

Während Sam sich hoch rappelte, sich den Hintern abklopfte und seine Kappe zurechtrückte, ging Harry zu dem Pferd, das Tomahawk zuwieherte. »Komm, Freundchen, ich bin bei dir.« Sie warf ihm die Zügel über den Kopf und brachte ihn zu Sam. »Sam, überprüfen Sie Ihren Gurt.«

»Ach ja.« Er fuhr mit den Fingern unter dem Gurt entlang. »Sitzt okay.«

»Da vorne ist ein Baumstumpf. Damit haben Sie's leichter.«

»Ja.« Er hievte sich wieder in den Sattel. »Wir haben viel Boden gutzumachen.«

»Keine Bange. Ich bring uns hin. Können Sie traben?«

»Klar.«

Während sie trabten, horchte Harry auf die Jagdhunde. Sie fragte: »Waren Sie schon mal bei Trey Young?«

»Nein.«

»Ein guter Reitlehrer.«

Noch mufflig wegen seines Sturzes, an dem er allein seinem Pferd die Schuld gab, fauchte Sam: »Wollen Sie mir damit sagen, ich kann nicht reiten?«

Untypisch freimütig zu jemandem, der ihr nicht nahe stand, blaffte Harry zurück: »Ich sage Ihnen, Sie können dieses Pferd nicht so gut reiten, wie es Ihnen möglich wäre. Ich nehme Reitstunden, Sam. Ranulf ist ein braves Pferd, aber wenn Sie die Zügel nicht lockerer lassen und mit den Schenkeln treiben, was erwarten Sie dann? Er kann ja nirgends hin, also steigt er oder er sagt einfach,>mir reicht's<. Und das hat er getan.«

»Tja, hm.« »Dies ist nicht Squash.« Sie sprach von seinem anderen Sport. »Hier ist ein anderes Lebewesen beteiligt. Es geht um Zusammenar­beit und nicht um die Beherrschung des Tieres.«