Sam ritt ruhig. Das gefiel Ranulf natürlich. Schließlich sagte er: »Vielleicht haben Sie Recht.«
»Es soll Spaß machen. Wenn's keinen Spaß macht, gehen Sie nach Hause. Das würde ich nicht wollen.« Sie lächelte ihr kokettes Lächeln.
Er wurde ein bißchen gelöster. »Ich stand in letzter Zeit gewaltig unter Druck.«
»Wegen Hank Brevards Ermordung, nehme ich an.«
»Oh, schon vorher. Der Mord hat den Druck nur verschärft. Ein Krankenhausetat ist fast so kompliziert wie der Staatsetat. Jeder hat ein Lieblingsspielzeug, das er unbedingt angeschafft haben will, aber wenn er das, was er will, bekäme, wann er es will, dann wären wir aus dem Geschäft, und ein Krankenhaus ist ein Geschäftsbetrieb, ob's Ihnen paßt oder nicht.«
»Muß schwierig sein - und dann noch mit der Selbstgefälligkeit der Einzelnen jonglieren.«
»Eine verdammte Bande von Primadonnen. Oh, Sie haben es vermutlich noch nicht gehört. Das Blut an der Klinge, die man Bruce geschickt hat, war Hühnerblut.« Er gab ein ratterndes Lachen von sich. »Ist das zu fassen?«
Rick Shaw hatte sich mit Sam in Verbindung gesetzt, nachdem die Klinge mit der Post gekommen war. Als der Laborbericht eintraf, hatte Rick zuerst Bruce Buxton und dann Sam angerufen.
»Das ging aber fix mit dem Laborbericht.«
»Hühnerblut ist wohl leicht zu analysieren.« Sam lachte wieder. »Aber wer macht so was Albernes? Schickt so was an Buxton?«
»Einer von seinen vielen Fans«, erwiderte Harry trocken.
»Er steht nicht zuoberst auf meiner Beliebtheitsskala, aber wenn Sie am Knie operiert werden müßten, stünde er ganz oben auf Ihrer. So gut ist er. Man läßt ihn sogar nach New York fliegen, um die Linebacker der Jets zu operieren. Daran sehen Sie, wie gut er ist.«
Sie hob die Hand. Sie hielten an und lauschten. In der Ferne hörten sie das Horn des Meuteführers, daher wußte Harry genau, wo sie hin mußten.
»Sam, wir müssen einen Zahn zulegen.« »Okay.«
Sie galoppierten über eine Weide, der Pulverschnee wirbelte hoch. Eine Steinmauer von vielleicht achtzig Zentimeter Höhe grenzte eine Weide von der nächsten ab.
Harry rief Sam zu: »Mit der Hand nachgeben. Greifen Sie die Mähne. Scheuen Sie sich nie, sich daran festzuhalten.« Ihrem eigenen Rat folgend, wand sie die Finger um ein Büschel von Tomahawks Mähne und schwebte über das niedrige Hindernis. Sie drehte sich nach Sam um; er griff mit den Händen nach vorn, ein kleiner Sieg.
Ranulf setzte hinüber.
»Kinderspiel.« Harry lächelte.
Sie bahnten sich einen Weg durch einen Kiefernwald und kamen auf einer verschneiten Farmstraße raus. Harry folgte den Hufabdrücken, bis sie einen Bach überquerten, an dessen Uferböschungen rechteckige Eiskristalle hafteten.
»Rauf über den Hügel.« Sam deutete auf die weiterführenden Spuren.
»Die Hunde kehren um, Sam. Wir sind mitten im Weg. Verdammt.« Sie sah sich nach einer Stelle um, wo sie ausweichen konnten und den Fuchs hoffentlich nicht in die Hunde hineintrieben. Eine Todsünde bei der Fuchsjagd.
Sam, der kein erfahrener Jäger war, meinte wirklich, sie sollten den Hügel hinaufstürmen, doch er fügte sich Harry. Immerhin kannte sie die Fuchsjagd von Kindesbeinen an.
Sie trieb Tomahawk in den Wald jenseits der alten Farmstraße. Sie kletterten über einen Felsvorsprung und blieben ungefähr vierzig Meter dahinter stehen. Kaum hatten sie ihren Ausweichplatz erreicht, als der Rotfuchs in Sicht kam und auf die Farmstraße setzte. Er überquerte sie, sprang auf einen liegenden Baumstamm, trabte darüber, lief weiter, und dann legte er aus Gründen, die nur er allein kannte, den Schnellgang ein und war verschwunden, ehe man bis zehn zählen konnte.
Zwei Minuten später kam der erste Jagdhund, die Nase am Boden, bei der Farmstraße an.
Sam öffnete bereits den Mund.
»Nicht«, flüsterte Harry.
Er schluckte sein>Horridoh< herunter, das nur die Hunde verstört hätte.>Horridoh< wurde manchmal gerufen, wenn ein Fuchs gesichtet wurde, aber nur, wenn der Zeuge sicher war, daß es der gejagte Fuchs war und nicht ein vorwitziger Streuner. Außerdem konnte die menschliche Stimme die Hunde verstören, sofern sie in der Nähe waren, was ihnen ihre Aufgabe erschweren würde. Doch es lag in der Natur des Menschen, das Sichten des Fuchses verkünden zu wollen.
Nach ungefähr fünf Minuten erschien der Meuteführer auf der Straße, der Mann, dem die Hunde unterstanden, und der sich durch ein tückisches Dornengestrüpp gekämpft hatte.
»Okay, Sam, lenken Sie Ihr Pferd in die Richtung, wo Sie den Fuchs gesehen haben, nehmen Sie Ihre Kappe ab und halten sie auf Armeslänge, und jetzt können Sie Ihr>Horridoh< loswerden. Die Hunde sind weit genug entfernt.«
Aufgeregt brüllte Sam: »Horridoh!«
Der Meuteführer blickte hoch, zwinkerte Harry zu und verließ die Straße, um seinen Hunden zu folgen, die die Fährte aufgenommen hatten.
Nach weiteren zwei Minuten ritt das Feld heran und Harry und Sam schlossen sich hinten an. Als unerfahrener Jäger mußte Sam hinten bleiben, um anderen nicht im Weg zu sein.
Es war eine fröhliche Jagd, bis der Rotfuchs beschloß sich davonzumachen und nach der ärgerlichen Art der Füchse verschwand.
Mit dem abschließenden Hornsignal für die erfolgreiche Jagd beendete der Meuteführer, nachdem er sich mit dem Jagdführer besprochen hatte, die Jagd.
Auf dem Rückritt bedankte Sam sich bei Harry.
Little Mim kam an Harrys Seite, als Sam zu Larry Johnson ritt, um zu plaudern. »Meinst du, er wird es je lernen?«
»Ja. Wenigstens ist er kein Besserwisser. Er mag keine Ratschläge, aber am Ende nimmt er sie sich doch zu Herzen.«
»So sind die Männer«, bemerkte Little Mim.
»Herrje, Marilyn, denk an die Frauen, die wir kennen, die auch so sind.«
»Meinst du meine Mutter?«
Harry hob die Hand. »Das hab ich nicht gesagt.«
»Aber ich.« Little Mim blickte über die Schulter, um sicher zu gehen, daß ihre Mutter nicht in Hörweite war.
War sie nicht. Big Mim bedrängte in diesem Augenblick Susan, in den Gartenclub einzutreten, was als eine große Ehre galt. Eine Ehre, auf die Susan liebend gern verzichten würde.
Bei den Pferdeanhängern angekommen, teilte man Flachmänner, heißen Tee und Kaffee miteinander. Susan hatte Mrs. Hogendobbers Zimtteilchen mit Orangenglasur mitgebracht. Die ohnehin schon gehobene Stimmung steigerte sich noch.
»Ach je, ich möchte gar nicht wieder zur Arbeit.« Harry lachte.
»Ist es nicht ein Jammer, daß wir nicht reich geboren sind?«, sagte Susan. Sie sprach leise, da einige, wie Big Mim und Little Mim, reich geboren waren.
»Das bricht mir das Herz.«
»Was hat Fair dir zum Valentinstag geschenkt?«
»Wurmmittel. Ivermectrin.«
»Hey, wie romantisch«, sagte Susan lachend mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme.
»Ich hab ihm ein Veterinärbuch von 1792 geschenkt.«
»Hey, das ist romantisch.« Susan reichte Harry einen Becher mit heißem Tee. »Diese neue Thermoskanne, die ich gekauft habe, ist super. Wir sind seit zweieinhalb Stunden draußen. Ich hab den Tee eine gute Stunde davor in die Kanne gegossen, und er ist noch kochend heiß.«
»Ja. Ich muß mir auch so eine besorgen.«
Sam trat zu ihnen. »Harry, noch mal vielen Dank.«
»Gern geschehen.« Sie bot ihm einen Schluck Tee an. Er hielt seinen Flachmann in die Höhe.
»Ein Schlückchen vor der Rückkehr in die Tretmühle.« Er verbeugte sich, sagtemeine Damen< und ging dann zu seinem Anhänger.
Susan sah Harry an. Keine sagte etwas. Sie fanden Sam weder sympathisch noch unsympathisch. Er war eben da, mehr nicht.
Larry Johnson kam zu ihnen, eine Dose Schokoladenwaffeln in der Hand. »Meine Damen. Keine Bange wegen der Kalorien. Ich bin Arzt und versichere Ihnen, daß jede im Stehen genossene Nahrung die Hälfte ihres Kalorienwertes verliert.«